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Public Enemy

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Aus dem Presseheft:
OFF THE PIGS! Die Black Panthers - damals und heute

 Aus dem Presseheft zu "Public Enemy"
Bobby Seale und Jens Meurer, 1999
Der Bürgerkrieg von Los Angeles, bei dem 1992 ein ganzer Stadtteil zerstört wurde und auch die fortgesetzten Unruhen nach Polizeiübergriffen auf Schwarze - wie zuletzt in Cincinatti - haben es an den Tag gebracht: In den USA sind die 60er Jahre noch nicht vorbei. Wieder erschüttert Gewalt die Großstädte. Wieder zeigt sich die moral majority isoliert von der Wirklichkeit im Lande. Wieder beherrschen die Themen Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und der Aufstand gegen das Establishment die öffentliche Diskussion.

Ende der 60er Jahre war dies ähnlich: Nixon, Vietnam, Studentenproteste. Ein Land im Aufruhr. Manche sehen schon die Revolution. Die Universitäten brennen und Polizisten werden als "pigs" bekämpft. Die Black Panther Party, eine Art Möchtegern-Befreiungsarmee der unzufriedenen Schwarzen, beherrscht die Schlagzeilen und die Bildschirme der weißen TV-Nation. Jedes Kind kennt ihren Schlachtruf: "Off the Pigs!"

Die Black Panthers waren ein Medienereignis, das einen bis heute coolen, schwarzen Look begründete. Und sie waren eine tatsächlich mächtige Emanzipationsbewegung, die vom FBI-Chef J. Edgar Hoover als Public Enemy No.1 verbittert bekämpft wurde.

Es begann 1966 in Oakland, Kalifornien: Bewaffnet mit Schrotflinten und Gesetzbüchern beginnen junge Schwarze damit, die Polizeipatrouillen in den Slums von Oakland zu beobachten und kontrollieren. Das ist legal, aber schockierend. Provozierend, aber effektiv. Schwarze, die nicht länger die andere Wange hinhalten. Schwarze, die sich wehren: Bobby Seale und Huey Newton haben die Black Panther Party for Self-Defense ins Leben gerufen. Als Black Consciousness-Bewegung, die mit Bürgerrechtlern aller Hautfarben eng kooperiert - nicht als schwarze Rassisten, wie sie von der Regierung fälschlicherweise verteufelt wurden.

Ein Jahr später stürmen bewaffnete Black Panthers das kalifornische Parlament in Sacramento. Huey Newton, ihr "Verteidigungsminister", erschießt einen weißen Polizisten. 1968 sterben die ersten Panthers. Eldridge Cleaver kündigt die Ermordung Präsident Nixons an. Zu ihrem Programm gehören aber hauptsächlich Armenküchen, medizinische Versorgung und Ausbildungsprogramme für die benachteiligten Bürger der Ghettos. Ihre breakfast programs für hungrige Ghetto-Kids werden zum Markenzeichen, und werden bis heute fortgeführt.

1969 gibt es 5.000 Black Panthers in den USA, 64% aller schwarzen Amerikaner fühlen "Stolz und Verbundenheit" zu der Bewegung. Es folgt eine Welle von Schauprozessen, Aktionstagen, zeitgleich Wohltätigkeitsveranstaltungen und Gewaltanschlägen. Amerika hält den Atem an. Insgesamt sterben über 50 Menschen.

Der Staat schlägt mit einem illegalen Undercover-Program gegen Links zurück - Cointelpro, Counter Intelligence Program. Heute ist belegt, daß man selbst vor Gestapo-ähnlichen Hinrichtungen (Zitat: Noam Chomsky, in Public Enemy) nicht zurückschreckt. Führende Panther wie Geronimo Pratt und möglicherweise Mumia Abu-Jamal werden unrechtmäßig über Jahrzehnte ins Gefängnis gesteckt.

Schaltet man seinen Fernseher an, sieht man die Panthers sowohl als "Terroristen", gefesselt vor Gericht mit den Chicago Eight, als auch zu Gast in Leonard Bernsteins teurem Manhattener Appartment, der so seine Nähe zu den "Befreiungskämpfern" zeigen will.

Ende 1974 scheint der Spuk vorbei. Die meisten führenden Panthers sitzen im Gefängnis, oder sie sind zerstritten - zerbrochen an ihren weltfremden, quasi-sozialistischen Ansprüchen und an der Übermacht des (weißen) Apparats. Ruhe kehrt wieder ein. Doch, wie man heute sieht, ist es eine Scheinstille. Die Probleme der größten amerikanischen Minderheit wurden nicht gelöst, sondern einfach nur vorübergehend vergessen. Jetzt werden auch in den USA die Black Panthers wiederentdeckt.

Dies ist die Konstellation für einen spannenden Film über vier prominente Mitglieder der Black Panthers, der das Damals dem Heute provokant gegenüberstellt. Er zeigt Menschen, die die Auseinandersetzung mit Amerika nicht nur gedacht, sondern gelebt haben. Ich habe sie bei den Dreharbeiten zu meinem Film "Harlem - A Dream Deferred" (1989) gut kennengelernt und arbeitete seitdem an Public Enemy - als Film über vier Menschen, die auszogen, die Welt zu verbessern, damit scheiterten, und doch nicht aufgaben:

 Aus dem Presseheft zu "Public Enemy"
Kathleen Cleaver
Kathleen Cleaver war die höchstrangigste und prominenteste Frau in der Black Panther Organisation. Ihr Afro-Look wurde weltberühmt und machte sie zu einer Ikone der 60er Jahre. Die Propaganda-Photos, die sie manikürt, aber mit einer Pump-Gun in der Hand, stolz posierend zeigen, wurden zu Schlüsselreizen des Befreiungskampfes in den USA.

Cleaver kam aus einer Akademiker-Familie und stieß schon früh zu den Panthern. Dort heiratete sie Eldridge Cleaver - "Papa Rage". Zusammen wurden die beiden zum "First Couple of the Revolution": Sexy, gefährlich, schwarz - zumindest wirkte es so.

1969 mußten sie aus den USA fliehen, gingen ins Exil in Algerien (wo sie u.a. auf Joschka Fischer stießen) und nach Frankreich. Dabei lebten sie eigentlich ganz bürgerlich und gründeten artig eine Familie - Sohn Maceo (benannt nach einem kubanischen Revolutionär) und Tochter Joju (benannt nach ihrem Geburtsort, der nord-koreanischen Hauptstadt Pjöngiang) kommen beide in PUBLIC ENEMY zu Wort.

Heute ist Kathleen Cleaver ausgerechnet Juristin, mit mehreren Gast-Professuren an amerikanischen Elite-Universitäten. So erklärt sich auch ihr Zusammentreffen im Film mit Noam Chomsky am MIT in Boston. Sie ist als Bürgerrechtlerin immer noch aktiv, und kein bißchen weniger scharfzüngig als zu ihrer Zeit bei den Panthern, wo sie als "Communication Secretary" fungierte. Noch eine Fußnote: kaum jemand weiß, daß sie in einem der berühmtesten Anti-Establishment-Filme der 60er Jahre zu sehen ist - in Antonionis "Zabriskie Point". Sie spielt sich dort selbst, am Anfang des Films, als Black-Panther-Agitatorin auf dem Universitätscampus. Ganz ähnlich tritt sie in PUBLIC ENEMY heute auf - jetzt aber als echte Professorin während eines Seminars an der konservativen Cardozo Law School in New York. Die Szene ist natürliche eine kleine Hommage an "Zabriskie Point".

Jamal Joseph hieß früher Edward Jospeh und war einer der jüngsten aktiven Panthers, die vom FBI regelrecht gejagt wurden. Er gehörte zu den New York 21, die angeklagt wurden, ein Kaufhaus, vier Polizeistationen und den Botanischen Garten der Bronx in die Luft jagen zu wollen. Mit dabei: Afeni Shakur, die Mutter von Rap-Star Tupac Shakur, dessen posthumes Album "The Rose that grew from Concrete" Joseph produzierte. Jamal Joseph verbrachte 10 Jahre wegen angeblicher Panther-Verbrechen im Gefängnis und kam erst 1988 frei. Doch wer heute einen verbitterten Alt-Revoluzzer erwartet, wird gründlich enttäuscht: Im Gefängnis entwickelte sich Joseph zu einem führenden amerikanischen Theaterschriftsteller und Drehbuch-Autoren. Jamal Joseph ist ein offener, warmherziger Mensch, der sehr scharfzüngig für ein gerechteres Amerika argumentiert. Doch würde er nicht aus Solidarität in einer der ärmsten Ecken Harlems leben, könnte man ihn für einen typischen amerikanischen Familienvater halten: drei wohlerzogene Kinder, Honda, sunday brunch, baseball. Seine Frau Joyce war das erste schwarze Supermodel in den 70er Jahren. Heute gehen sie in Hollywood ein und aus.

Nile Rodgers war ein Untergebener Josephs bei den Panthern und ist noch immer sein Freund. Sein Leben allerdings verlief ganz anders: Er ist heute einer der erfolgreichsten African-Americans überhaupt. 1972 schaffte er es, nicht ins Gefängnis, sondern in die Band des berühmten Apollo Theaters in Harlem zu gelangen. Später schrieb er mit Chic und Sister Sledge Musikgeschichte, und legte mit "Rapper's Delight" den ersten Rap-Hit hin, jener Musik, die bis heute die Straßen der Ghettos beherrscht. Seitdem avancierte er zu einem der erfolgreichsten Schallplattenproduzenten der Welt. Zu seinen Erfolgen zählen u.a. Platin-LP's für David Bowie ("Let's Dance"), Madonna ("Material Girl") und Puff Daddy. Rodgers fährt neben etlichen Ferraris einen knallgelben Range Rover und lebt als Alibi-Schwarzer im noblen Newport, Connecticut - wo er sich gerne von Gesellschaftsmagazinen wie Vanity Fair in seiner Villa fotografieren läßt. Bis zur Premiere unseres Filmes wußte niemand, nicht einmal sein Manager, daß Nile Rodgers in seiner Jugend Black Panther war.

 Aus dem Presseheft zu "Public Enemy"
Bobby Seale
Bobby Seale war Gründer und Vorsitzender der Black Panthers. Vor 25 Jahren verließ er sein College, führte seine bewaffneten Genossen in Polizeireviere (was nach dem Gesetz erlaubt war, solange die Waffen offen getragen wurden) und hielt die Ehrenwache für die Witwe von Malcolm X. Während seiner Gerichtsverhandlung an der Seite von Tom Hayden und Abbie Hoffmann in Chicago wurde er in Ketten gelegt und geknebelt. Sein Bild ging damals um die Welt und gilt heute noch als Ausdruck eines amerikanischen Traumas. Heute ist er der einzige Überlebende der ehemaligen Panthers Führungsriege: Huey Newton, Fred Hampton, Eldridge Cleaver, sie alle starben eines gewaltsamen Todes. Dabei hatte er es nicht leicht, nach der Revolution wieder Fuß zu fassen: Seale lebt heute von dem Verkauf von Grill-Kochbüchern und seiner beiden 70er Jahre-Bestseller Seize the Time und A Lonely Rage. Seine öffentlichen Auftritte sind zu regelrechten Shows geworden - immerhin war Bobby vor seiner Amtszeit als Revolutionär No.1 als stand-up comedian tätig. Seinen revolutionären Ehrgeiz hat er zu einer ironischen Anklage umgearbeitet, die er denen inbrünstig und witzig verkündet, die sie heute wieder/noch hören möchten. immerhin muß er drei Kinder durchs College bringen.

Die Schicksale der Panthers sind nicht nur außergewöhnliche Lebensgeschichten. An ihnen läßt sich eine Kontinuität der Unruhe und des Unfriedens in der amerikanischen Gesellschaft der letzten 30 Jahre aufzeigen. Dabei sind alle vier hervorragende, intelligente und geistreiche Gesprächspartner. Bei keinem kann man Resignation oder Haß verspüren. Im Gegenteil: Mit Hingabe und Liebe wollen sie ihre Welt verbessern. Heute wie damals.

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