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Wir waren Helden

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ÜBER DIE KRIEGSKULTUR IM KINO Dietmar Kesten 29.8.04 14:36
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ÜBER DIE KRIEGSKULTUR IM KINO Dietmar Kesten 31.8.04 16:36

WINDTALKERS UND WIR WAREN HELDEN

ÜBER DIE KRIEGSKULTUR IM KINO

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 29. AUGUST 2004.

Kriegsfilme im Kino, wenn sie denn keinen
antifaschistischen Charakter haben, also Antikriegsfilme
sind, leisten, wie Gottfried BENN es einmal formulierte,
„wirklichkeitszerschrotende Arbeit des Gehirns“.
Der Terror von Kriegsfilmen liegt nicht darin, dass sie
die Grenze dessen zeigen, was wir erwarten können, sondern
dass sie ihn harmonisieren und allseitig aufbereiten.
Was man nicht mit dem Auge sehen kann, nimmt das
Gehirn auf.
Dieser Zusammenschluss von „Kameradenken und
Hirnblicken“ (GODARD) geht weit über den nur suggestiven
Charakter von Kriegsfilmen hinaus. Es sind
Wahrnehmungs- und Denkberührungen, die sich wie in
einem Siphon um den Betrachter legen, und die bewusst
oder unbewusst den (visuellen) Tod ankündigen.

Neben dieser mehr philosophischen Sichtweise gibt
es die politische, die sich in einer gewissen Kriegskultur
niederschlägt, und die in versteckten Botschaften und
Bildern versucht, aus gesellschaftlichen Krisen
(politischen) Profit zu schlagen.
Nun waren „Die grünen Teufel“ (Regie: John WAYNE, 1967)
tatsächlich grün.
Auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges leistete dieser
Film ganze Arbeit; denn die Green Berets waren ausgezogen,
um die finsteren Mächte auszulöschen, die Amerika
bedrohten. Spätestens hier erfuhr man, dass Unterhaltung
tödlich sein kann und durch das Umfunktionieren der
Kinositze zu „Hinrichtungsstätten“ (Andreas KILB),
registrierte man den amerikanischen Krieg als
schrecklichen Irrationalismus. Die Vernichtungslogik
der amerikanischen Bomben zeigte, dass das keineswegs
als Entartung zu interpretieren war, sondern
mehr als Entpuppung; denn mit der westlichen
Wertelogik war es noch nie weit her. Sie erfuhr auf dem
Schlachtfeld die Wendungen, die später zur
Stammesreligion der Weltmarktzentren werden sollte.
Wo Menschen ihren Staatsbürgerstatus verlieren
(eben auf dem Schlachtfeld) fallen sie per se aus der
Ordnung heraus. Damit teilen sie das Schicksal all derjenigen,
die wie faules Obst vegetieren, staatenlos sind.

Das Prinzip der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit
wurde im Sinne der Gleichheit mit Gewalt und Totschlag
verstanden. Und die gewaltsame Reduktion des Menschen
auf eine abstrakte Regel entlud sich in eben jenem
repressiven und destruktiven Charakter der
Hollywood-Kriegskultur. Postmodern und tödlich.
Hollywoods Lebensende tendierte immer zum Äußeren.
Um die Wahrscheinlichkeit des Realen mit einem Eingeständnis
zu retten, war es bereit, in Krisenzeiten, wenn es
um die „Verteidigung der Freiheit“ ging, um die „Ehre des
Vaterlandes“, ein seltsames Zusammenhaltsgefühl
zu erzeugen. Zu retten, was zu retten ist, das galt seit
eh und je für das Schlachtfeld. Es schien nahezu
dafür prädestiniert zu sein. Hier betrat man mit Spielmaterial
aus dem Weltgeschehen die Bühne, so als ob Menschen
und Götter zusammenprallen, und wo die inneren
Dramen des Staates sich in laufende Kriege
gut einfügen ließen.

Sieht man von den wirklichen Antikriegsfilmen ab, von den
Filmen, in denen man neu geboren wurde, weil sie die
nachhallende Bedrohlichkeit des Krieges auch über Jahre
hinweg im Kopf festigten und nicht einfach mit dem
Erlöschen einer Leuchtreklame endeten, dann war dass
das Geheimnis von der Sucht nach Frieden und
Völkerverständigung. Und im Film die spürbare Sicht
auf die Kälte, das Ende der Souveränität und die
Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der
Globalisierung.
Denn auf der Ebene der Gewalt war Hollywood
im Film konkurrenzlos und Garant für eine planetarische
Ordnung.
Wie ein Schatten folgten eine Reihe von Filmen dieser
Globalisierung, die Prozesse der sozialen Zerrüttung,
moralischer Verwilderung und gesellschaftlicher Paranoia.
Schurkenstaaten, Gotteskrieger und Ethnobanditen.
Am Ende eines langen Kriegsfilmweges, der mit
„Apokalypse Now“ (Regie: Francis Ford COPPOLA, 1979)
begann und mit “Der schmale Grat” (Regie:
Terrence MALICK, 1998) einen vorläufigen Abschluss
fand, fielen zwei Filme ins Auge, die maßgeschneiderte
Erzählungen von der „Kameradschaft im Feld Angesicht
des Todes“ (Ernst JÜNGER) anboten. Zum einen war
das „Windtalkers“ (Regie: John WOO, 2002), zum anderen
„Wir waren Helden“ (Regie: Randall WALLACE, 2002).

Hier ging es um erneut um Vietnam („Wir waren Helden“),
konkreter, um die Schlacht in La Drang -Tal, als im November
1965 die erste größere Auseinandersetzung zwischen den
Bodentruppen der USA und der Nordvietnamesischen Armee
stattfand, und die mit Napalm beendet wurde.
Dem Feind wird wie immer kein Gesicht zugestanden, seine
Horden kämpfen mit der Zähigkeit der Selbstverachtung und
der Amoralität von Tieren.
Solch einen Ansatz, ohne kritischen Umgang mit Militär und
Regierung steht für den Patriotismus des Weißen Hauses,
Hollywoods und der meisten US-Medien.
Im Kino hockt der Zuschauer vor der bekannten Zeitblase, einem
Niemandsland, in dem der Ostfeldzug der deutschen
Wehrmachtssoldaten ebenso präsent erscheint, wie
Bombenteppiche über Vietnam, dem Irak, Folter in
Argentinien, Afrika oder Terror der El Kaida.
Die schrecklichen Formen von Gewaltausübung durch
Herrscherschichten setzte sich auf der Leinwand fort.
Weil das Kino ein Riesentanker ist, der Ware ausliefert,
ist der Zuschauer auf dieses Kinobild fixiert.
Wenn hier ein Amerika gezeigt wird, das mit wilder und
ungezügelter Leidenschaft antritt, dann zeigt der Hort
der Illusionen warum es eigentlich geht: um Ideologie.
Mit Täuschungen, Halbwahrheiten, Lug- und Truggestalten,
Ort doppelter Illusionen und Läuterung durch
Stars and Stripes werden hier in wichtigen historischen
Augenblicken nach dem 11. September die kollektiven
Wahrnehmungen und Sachzusammenhänge verschleiert,
und eine Bildwelt in Umlauf gebracht, die der Euphorisierung
der aktuellen Kulturindustrie und dem Charakter der
Warenwelt entspricht.

„Wir waren Helden“ gehört filmisch in die Ecke einer
genreübergreifenden Entwicklung, die seit Jahren das
Hollywood Kino bestimmt.
Hier scheint all das zerstört zu werden, womit vor 100
Jahren das Kino begann: Raum für Überraschungen zu
erzeugen, Innovation, Selbstreflexivität und bisweilen
sogar Subversives zu entwickeln. All das wird von aktuellen
Kriegsfilmen zerstört, die in sich auch konservative Melodramen
sind, weitergegeben und konserviert werden, wenn etwa an
„Family Man“ (Regie: Brett RATNER, 2000),
„A Beautiful Mind“ (Regie: Ron HOWARD, 2001) oder
„Das Haus am Meer” (Regie: Irwin WINKLER, 2001)
gedacht wird.
Das wirkt nicht nur anachronistisch, sondern ist es auch.
Die Rückkehr des Mannes auf das Schlachtfeld ist
übertragen die Rückkehr in die klare Geschlechterrolle
und stupider Ordnung, wie sie später in
„Unterwegs nach Cold Mountain“ (Regie:
Anthony MINGHELLA, 2003), „Last Samurai“
(Regie: Edward ZWICK, 2003) “Troja”
(Regie: Wolfgang PETERSEN, 2004), aber auch
im aktuellen „King Arthur“ (Regie: Antoine FUQUA, 2004)
stattfindet. Und ganz nebenbei ist der Rekurs auf
Massenvernichtungswaffen Hinweis darauf, dass in diesen
reaktionären Remakes das ganze Erbe der Aufklärung mit
einem Federstrich beseitigt wird.
Der Kriegsterror mit Pfeil und Bogen, Schwert, Dreizack, Lanze,
und Speer ist letztlich nicht anders zu gewichten als der,
der mit Artillerie, Tarnkappenbomber, Maschinengewehren
oder Napalm zur Ausübung kommt.
Der Terror liegt darin, dass hier alles in eine quasi-naturgesetzliche
Unaufhaltsamkeit des Kriegsgeschehens einmündet.
„Jedes Volk muss einen Krieg mitgemacht haben“ (HITLER),
scheint sich im Kino unvermindert fortzusetzen.
Umso schwerer ist die heldenhafte Einäscherung Vietnams
zu ertragen: der Krieg erscheint als Verhaltensform zwischen
den Geschlechtern.
Der Kampf gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus
ist nur mit der Aufklärung zu gewinnen und nicht gegen sie.

Die Kulturindustrie verfremdet das menschliche Denken
und verhilft der Anschauung zum Durchbruch, dass man sich
nichts sehnlicheres wünscht, als zu Überleben und zu Entkommen.
Im Kino gilt es, diesen Anspruch einzulösen: schauen und
den Kinosaal verlassen.
Hier hat jede/r Anspruch auf universelle Gültigkeit; denn
Filme bringen es fertig, dem Lachen des Folterers ins Gesicht
zu sehen ohne Schamröte aufkommen zu lassen. Man
registriert nur seine eigene Affiziertheit.
Obwohl man sie radikal zurückweisen müsste, bleibt man
doch passiv. Es gibt kein Aufstand im Kino, höchstens hier
und da ein höhnisches Lachen, wenn eine spezielle
Foltertruppe Dorfbewohner massakriert.
Man möchte weinen, doch die Guerillabekämpfung verlangt
den ganzen Einsatz und mit dem Hauptmann tritt der
Kinobesucher unwillkürlich den Rücktritt an.
Klaus THEWELEIT nannte diese Gewaltausübung im
Kino einmal „Universal-Faschismus“ (Klaus THEWELEIT:
Deutschlandfilme, Frankfurt/M. 2003).
Hier wird absolut klar, dass wir unser Leben angesichts
dieser Szenen verlieren. Und so wie das Leben in den
Folterer einströmt, strömt der filmische Tod als Zustand
fortdauernden Todes in uns hinein.

Die globalen Ausmaße des Kriegskinos haben neue
Helden hervorgebracht, die sich wie trojanische Pferde
aufmachen, um in unserem Innersten ein planetarisches
und militärisches Übergewicht zu erzeugen.
Das setzt das stillschweigende Einverständnis, die Seelen
der Menschen zu domestizieren, sie gefügig zu machen und
sie zu unterwerfen.
In „Windtalkers“ sieht man die Darstellung eben dieses
grausamen Schlachtengetümmels, eine Aneinanderkettung
von Kampfszenen
Der Patriotismus-Taumel setzt sich ungebremst fort.
Hier bleibt nichts übrig.
Es geht um einen speziellen Code, der im Pazifikkrieg des
Zweiten Weltkrieges nicht in die Hände des Feindes gelangen
darf.
Hier kommen uns die Bilder als eine Art Kompresse entgegen.
Krieg ist ein Feldzug, der von Feinden und anderen
finsteren Mächten ausgelöst wird, in den wir unschuldig
hineingeraten.
Der Krieg ist ein Naturereignis, ein Aggressionsventil, das
geöffnet wird, wenn wir das Hasspotential entleeren wollen.
Die Gewaltbereitschaft, die uns hier entgegentritt,
zeigt, dass am Ende der Geschichte alle Angelegenheiten
der Welt stets mit Gewalt unterlegt sind und sie immanent
in uns angelegt ist.

Mel GIBSON oder Nicolas CAGE: die Helden legen die
Mittel ihres Kampfes selber fest.
Sie sind selber Krieger. Und wenn es um die Verteidigung
von Freiheit und Ehre geht, um die Verteidigung der Moral,
dann positionieren sie sich in bester Stummfilm-Manier:
gerührt, lächelnd, nonchalant, untötbar in allen auswegslosen
Situationen.
Hollywood und der Krieg. Das ist die Bestie Krieg, die sich
in die Ethik des Kampfes bis zum Tod mit ideologischen und
intellektuellen Dimensionen einer westlichen Militärkultur
verwandelt.
Man kann diese Sichtweise Hollywoods in die Formel
packen: der Krieg muss weiter gehen, die Politik nicht.
Am Ende verliert hier jede Politik ihre Unschuld; denn die
scheinbar legitimierte Eskalation der Gewalt entspricht
einem Ideal, dass in der westlichen Kultur weit verankert
erscheint.

Es ist schon merkwürdig, dass man das konsumiert.
Und noch merkwürdiger ist es, dass dieses Kino der
Verrohung ungeschoren davon kommt.
Hier wird ein Heldenmythos erzeugt, der von der Öffentlichkeit
wenig wahrgenommen mit der Sprachgewalt und den
Bilderströmen hantiert.
Was dieses Genre so verlogen macht, ist die Bilderwelt der
Angst, die erzeugt wird, die Orientierungslosigkeit, mit der
Zuseher inmitten von abgesprengten Extremitäten,
auslaufenden Hirnen und quellenden Eingeweiden
entlassen wird.
Aufgrund der untergründigen Verwandtschaft mit den
Wirtschaftskrisen ist die Kriegskultur im Kino
zu einer einfachen Erzählform der Krise geworden.
Immer wieder gelingt es Panik, Angst, Kopf- und
Ratlosigkeit zu erzeugen, immer wieder geling es, diesem
Kino, sich am Schrecken zu weiden und ihn zu
exorzieren.

Fazit: Wenn jetzt reaktionäre Remakes ein Loblied
auf militärische Abenteuer, Massenvernichtungswaffen
und hehre Helden singen, dann ist das nicht nur schwer zu
ertragen, sondern ruft in Erinnerung, dass Hollywood
jedes Humanmaterial aus der Weltmarktmenschheit
herausnimmt und allgemeine Menschenrechte nicht mehr
zählen.
Die Leere dieses Kinos dokumentiert die Entartung, die
merkwürdigen Abenteuer, die sich in den Vordergrund
drängen und leider auf viele Kinobesucher eine
berauschende Wirkung ausüben.

Dietmar Kesten 29.8.04 14:36