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Hulk

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RAGE AUF RATEN Dietmar Kesten 15.8.04 12:21

HULK

RAGE AUF RATEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 4. AUGUST 2003.

Comicverfilmungen haben etwas.
Das Genre ist so alt wie die Comics selbst.
Wer erinnert sich nicht an „Akim“, „Tarzan“, „Fulgor“, „Batman“
„Godzilla“ oder „Spiderman“, die für die Filmindustrie nahezu geschaffen waren.
Mit „Hulk“ feiert nun ein weiterer Comic die gnadenlose Ausschlachtung und seine Auferstehung durch Hollywood.

Dr. Banner, der verstrahlt wurde, verwandelt sich bei Stress in eben jenen übermenschlichen „Hulk“, der seine Umgebung mit Amokläufen terrorisiert.
Noch nie konnte ein Film auf diese einprägsame Formel
gebracht werden, es sei denn man interpretiert ihn als eine atemberaubende Mischung aus griechischer Tragödie, zwischenmenschlicher Fallstudie, Metamorphosendrama und High-Tech-Spektakel.

Wer in Rage gerät, der findet oft keinen Halt mehr. Man wird zur wandelnden Bombe, die sich und andere mit der Herausforderung schlechthin konfrontiert sieht und seine eigene Seele der
vermeintlichen ‚feindlichen Welt’ ausliefert.
Regisseur Ang LEE („Tiger&Dragon“, „Der Eissturm“, „Sinn und Sinnlichkeit“) versucht diesen psychischen Ausnahmezustand auf die Leinwand zu bannen. Dabei herausgekommen ist ein
widersprüchlicher Film, der einerseits zum porösen Geflimmer neigt, andererseits aber die tragische Entwicklung eines pubertierenden jungen Menschen versucht realistisch zu schildern.

Die eigentliche Verwirrung beginnt schon mit dem Vorspann.
Hier wird deutlich, dass LEEs filmische Experimente primär sind,weniger seine Versuche, die immer wiederkehrenden Neurosen,die Eitelkeiten im menschlichen Leben, Perversionen um Einsamkeit,
Vater- oder Mutterkomplex oder überzogene Selbstbilder zu beschreiben.
„Hulk“ ist deswegen keine Geschichte aus dem Kindergarten. Obwohl am Ende der Vater lauert und mit dem Sohn die Selbstzerstörung zelebriert, baut Ang LEE seinen Film über Verwirrtheit, Illusionen in der
Kindheit mit Anteilnahme bis zur totalen Verstörung auf.

Die Kamera begleitet das Monster perfekt auf diesem Digitalritt.
Das alleine ist schlichtweg sehenswert. Wenn Knöpfe bersten, der Brustkorb überdimensional anschwillt, wenn Panzer an den Händen durch die Luft geschleudert werden, dann bekommt man einen Eindruck
davon, wie Bilder entstehen, welche Wechselwirkung es zwischen dem Schneidetisch und den abgespeicherten Daten am Computer gibt.
Das Kinobild, das entsteht, entfaltet so eine Kontrolle über den Raum, in dem wir uns befinden, und uns den Streifen ansehen.
Bruchstück um Bruchstück wird zusammengefügt, die alle
Unzugänglichkeiten vergessen machen lässt.

Und doch nicht: dort wo Ang LEE seinen Superhelden sprechen lässt, ist der Bruch vorprogrammiert. Die Sprache wirkt gekünstelt und vom Gesamtzusammenhang losgelöst.
Sie findet keinen Zugang zum eigentlichen Animateur.
Die Quelle der Wut im menschlichen Leben liegt sicherlich nicht nur im Verdrängten.
Wer das begreifen will, der wird sich mit den Bildern anfreunden können.

Fazit: Wer über das Ausleben des Aggressionstriebes in uns und mit dieser Verschiebung der Wahrnehmung sich an Filmfiguren wie „Hulk“ erfreut, der lernt, wie widersprüchlich die Illusionsmaschine
Film doch ist.

Dietmar Kesten 15.8.04 12:21