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Catwoman

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DIE KATZE OHNE KRALLEN Dietmar Kesten 18.8.04 15:07

CATWOMAN

DIE KATZE OHNE KRALLEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 18. AUGUST 2004.

Was das Kino anbelangt, so hat es nicht mehr zu bieten
als die Illusion. Eine rasch anwachsende Armee von
immer neuen Kinohelden taucht aus der Künstlichkeit
auf und versucht, den Kinobesucher zu faszinieren.
Übermenschen wie der „Terminator“, der digitale Agent
Smith auf „The Matrix“ treten uns mit phantastischer
Überzeugungskraft entgegen. Die virtuelle Verführung
geht einher mit dem Verschwinden der Fähigkeit, sein
fiktives Gegenüber zu identifizieren. Und in Wahrheit
sind sie bloße Objekte, die erfüllt sind von der lakonischen
Leere der Dinge.
Das Maß des Hollywoodmarktes ist Kauf und Verkauf,
der Todessprung des Selbst, oder die kalte Isolation, mit
der Hollywood Filme auf die Beine stellt.
Das macht nicht nur uns zu bloßen Konsumatomen, sondern
auch diejenigen, die dem Showdown der eigenen Verwertung
unterliegen.
Das endgültige Reich dieser ‚Ersatz World’ kann in einen
Großfilm einmünden, worunter sich nicht nur alle
amerikanischen, europäischen und asiatischen Filmstudios und
Verleihe nebst den größten Fernsehkonzernen und den
weltweit operierenden Softwareanbietern (global player)
zusammenfinden, sondern womöglich auch Schauspieler
jeder Couleur.
Jedes abgelieferte Bild, das für diesen Weltmarkt zur
Verfügung steht und aus einem Computer herausgefiltert
würde, unterläge womöglich einem Bilderaustauschgesetz.
Das beste Bild wird zum Kinobild, gut bezahlt, getestet,
abgeschmeckt, geschnitten, von Marketingstrategen,
der PR und der Kulturindustrie verbrauchergerecht
vermarktet.

Das gigantische mediale Verdauungssystem zeigt bereits
heute diesen gewaltigen Schnitt. Der BMW aus der
James Bond Reihe wurde durch den Mercedes in
„Men in Black“ (Regie: Barry SONNENFELD, 1997)
ersetzt und dieser wiederum durch den standfesteren
Audi aus „I Robot“ (Regie: Alex PROYAS, 2004).
Diese simplen Beispiele sind neue, aber keineswegs
ungewohnte Bilder geworden.
Sie dringen in die Köpfe und nisten sich ein, die
wiederum durch tausend Kino- und Fernsehstunden
erzeugt wurden, sich in der Ideologie eines kalten und
zynischen Machtinteresses widerspiegeln.
Die aufkommende Gefahr ist die Zerstörung des
Schauspieler-Ich. Irgendwann muss diese/r um sein
eigenes Images bangen.
Wird er ersetzt durch die digitale Kreatur, die
Steven SPIELBERG mit der Person David aus seinem
Film „A. I.- Künstliche Intelligenz“ (2001) vorzeichnete
und die mit Gollum aus dem „Herrn der Ringe“
(Regie. Peter JACKSON, 2001-2003) ausgebaut wurde,
dann entspräche dies dem völlig computererzeugten
Schauspieler.
Am Ende der Computergrafik könnte der Schauspieler
stehen, der nicht nur dem digitalen Held zum Verwechseln
ähnlich sieht, sondern dieser bereits in persona ist.
Und das glatte Maschinenwesen, die künstlichen Kinogeschöpfe
sind dann vielleicht keine Ausnahme mehr, sondern
Hollywoodstandard.

Wiederum kommt jetzt mit „Catwoman“ (Regie: PITOF, 2004)
ein Film in die Kinos der diesem Augenblick der neuen
Verwandlung zu folgen scheint.
Vom Neuen im Kino fasziniert zu werden ist ohnehin auf
Dauer nicht mehr möglich. Die Katze Cat Woman, die im
übrigen in der Gestalt von Michelle PFEIFFER
bereits in „Batmans Rückkehr“ von 1991 (Regie:
Tim BURTON) auftrat und dort feminin und passender
war, betritt hier den Raum der Unverbindlichkeit.
Das Staunen über einen neuen Qualitätsschub bleibt auf
der Strecke. Neues altert bekanntermaßen im Kino
schneller als man öfter annimmt.
Das Neue mag sich für einen Moment erheben, um die
Langeweile zu verdrängen, um dann aber auch die
Unsterblichkeit des Alten hoffähig zu machen.
Beides ist aber nicht unbedingt ein Widerspruch. So kann
es sein, dass die Muster der alten Abläufe und die neuen
Datenbestände noch eine Zeit gleichberechtigt nebeneinander
rangieren, um dann endgültig in die Special Effects
aufzugehen.

„Catwoman“ gehört mit Sicherheit dazu. Früher haben
Kunst und Magie den Filmbesucher in Staunen versetzt.
Heute sind es Technik und Wissenschaft. An den
modernen Spezialeffekten bestaunen wir nicht mehr das
Übersinnliche, sondern die meisterliche Technik, die
einen gewaltigen Standard erreicht hat. Es mag hier
ein gewisses erotisches Spiel sein, dass herausfordert,
das Spiel der Neugierde. Das Kino versucht zu
verführen, zu becircen, zu bezaubern. Und es will,
dass wir die Unterscheidungen zwischen Wahr und Falsch,
zwischen Echt und Künstlich, zwischen Gut und Böse,
zwischen Make up und bloßer Haut aufgeben.
Das Wettrennen um das Überangebot von Trickaufnahmen
und Special Effects geht munter in die nächste Runde.
Wenn die Phantasie in immer perfektere Bilder umgesetzt
wird, dann bleibt das wirkliche Kinobild auf der Strecke.
Das bedeutet aber auch, dass die Spielräume für den
Zuschauer enger werden, nämlich unterscheiden zu
können, was nur Effekte sind und was sinnbildliche
Wahrnehmung.
Verschwindet die individuelle Imagination?

Bilder vom einstürzenden Word Trade Center sind in
der Zwischenzeit so vertraut wie die Flutwellen
aus „The Day After Tomorrow“ (Regie: Roland EMMERICH, 2004).
Ob “Superman - Allein gegen alle“ (Regie: Richard LESTER, 1979),
„Batman“ (Regie: Regie: Tim BURTON, 1988),
„Hulk“ (Regie: Ang LEE, 2003) oder
„Spider Man II“ (Regie: Sam RAIMI, 2004)- jede Comic Figur und
jede Realität wird im digitalen Schnitt von Hollywood restauriert
und dem Zuschauer präsentiert.
So huscht Oscar Preisträgerin Halle BERRY als Katzenfrau durch
die Kinos.
Schon seit Jahren galt es für Hollywood diese Amüsierwut auf
die Spitze zu treiben.
Die ästhetische Beglückung nimmt die Formen eines
improvisierten Wandertheaters an, wo nur noch Groschenromane
aus den fünfziger Jahren verfilmt werden.
Wie bei allen anderen Comicverfilmungen, so ist es auch
hier der elektronische Verwandlungstrick, das
Hollywood Kostüm, das künstliche Geflecht aus einem
Überangebot von programmierten Bildern, die dem
Zuschauer verabreicht werden.

Ist diese Geschichte erzählenswert?
Die schüchterne Künstlernatur Patience Philips
(Halle BERRY) scheint in einer Identitätskrise zu stecken.
Permanent muss sich anscheinend dafür entschuldigen, dass
sie überhaupt noch existiert.
Sie versucht, es immer allen recht zu machen. Vor allem
in ihrem Job (Grafikerin beim Kosmetikriesen Hedare Beauty)
muss sie sich ständig gegen Demütigungen wehren.
Ihr Boss, der despotische George Hedare (Lambert WILSON)
setzt ihr ständig zu und dessen Frau, das Supermodel
Laurel (Sharon STONE) ist ihr ebenfalls nicht freundlich
gesinnt.
Patience erfährt mehr durch Zufall von dunklen Machenschaften
im Zusammenhang mit einem kurz vor der Markteinführung stehenden, revolutionären Anti-Aging-Mittel und steckt auf einmal plötzlich
mitten in einem lebensgefährlichen Verschwörungskomplott.
Im letzten Moment der Katastrophe wird Patience gerettet, und neu
geboren: mit der Kraft, Schnelligkeit, Agilität und extremen
Wahrnehmungsfähigkeit einer Katze.
Ophelia Powers (Frances CONROY) nimmt Patience unter ihre
Fittiche.
Patience soll so Gelegenheit gegeben werden, ihren ungewohnten
Mut ebenso wie ihre katzenhafte Intuition zu testen. Sie findet heraus,
dass schon vor ihr viele Generationen von Frauen solch
außergewöhnliche Fähigkeiten erhalten haben.
Es kommt das, was kommen muss: sie verwandelt sich in
„Catwoman“, in ein Raubtier, in eine starke und geschmeidige
Katze mit schier übermenschlichen Kräften- ständig wandelnd
auf dem schmalen Grat von Gut und Böse.

„Catwoman“ ist eine synthetische Puppenschau. An diesem
Film bleiben nur die überstürzenden Bilder haften, die Art des
exzessiven Kinos akkumulative Beschleunigungen der
Künstlichkeit in Szene zu setzen.
Die Bewegung der Bilder ist hier nichts. Ein Bild widersetzt sich
dem anderen.
Haarsträubend ist die Geschichte, die zudem noch erzählt wird.
Hier wird man entweder blind, oder droht zu erblinden.
Mit jeder Szene wird das erbitternde Geflecht aus der
künstlichen Kontrolle und den aberwitzigen Balanceakten
in eine kopflose Beschleunigung hineingepresst.
Hier wurden Bilder hergestellt, die im Verlauf der Geschichte
wieder über den Haufen geworfen werden.
Etwa dort, wo „Catwoman“ das Licht der Welt erblickt, wo
sie auf Möbeln balanciert, in der Disco als Katzenfrau
mit der Peitsche wedelt, oder sich auf einem
Motorrad räkelt.

Der Kinogänger begegnet hier der kalten Unendlichkeit
des Kinos, was oben angedeutet, sich über diesen ganzen
Film zu stülpen scheint.
Die Szenen entstammen aus der digitalen Kampfmaschine
Hollywoods: schnelle Schnitte, denen man kaum folgen kann.
Das erscheint beabsichtigt; denn die Computergrafik
ist die Zukunft des Kinoweltmarktes. Auch wenn sie hier
permanent abstürzt, so gibt sie auch zu erkennen, dass
diese elektronisch aufgezeichneten Filme dem provisorischen
Videokino vor dem Fernseher entsprechen.
Dieses Kunstkino ist fatal geworden. Bei dem Versuch,
fotorealistische Darsteller mit aller Macht im Computer
herzustellen, tauchen jene Hindernisse auf, die man nur
mit einer ungenügenden Levelabspeicherung in einem
Computerspiel bezeichnen kann.
Ist Halle BARRY eine authentische Person oder eine
computeranimierte Dame?

Dass sie sexy aussehen muss, steht außer Frage.
Ihr Körper hat aber damit gar nichts zu tun.
Denn in den Comics sind Körper eh bemalt. Und so
bemalt sie sich hier auch. Push-up-BH, zerschlissenes
Outfit, hochhackiges Schuhwerk. Maske. Das Resultat ist
mehr sexistisch als sexy, peinlich und ohne Biss.
Sie bewegt sich ordinär und nuttenhaft und folgt
dem erschreckenden Drehbuch, das vermutlich für sie
nur diese eine Spielweise zuließ.
Halle BARRY, die schon in ihren letzten Filmen nicht zu
überzeugen wusste (vgl. etwa: „Password: Swordfish“,
Regie: Dominic SENA, 2001, “Stirb an einem anderen
Tag” (Regie: Lee TAMAHORI, 2002, „X-Men 2“ (Regie:
Bryan SINGER, 2003) lebt nur von ihrem Körper, den
sie in Szene setzt. Doch dabei fehlt es auch an jeder
Magie und es fehlt ihr, wenn man denn schon, eine
Katze mit Sex ausstatten muss, an Sexappeal.
Man bekommt den Eindruck, dass sie gerade aus
einem Domina Studio kommt und auf den
nächsten sadomasochistischen Clinch wartet.

Fazit: Catwoman ist ohne jede Attraktivität. Der Film ist
eine Attraktion zweiten Ranges. Schlimmer kann ein/e
Comic-Held/in nicht enden.
„Das Gesicht ist das Leben jeder Puppe“, heißt es
in alten japanischen Weisheit. Wenn der Puppe kein Atem
eingehaucht wird, dann bleibt sie eine Marionette.
Schlimmer ist es nur noch, wenn niemand die Fäden zieht.

Dietmar Kesten 18.8.04 15:07