filmz.de
Closed

Dawn of the Dead

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
KEIN LECKERBISSEN Dietmar Kesten 24.8.04 11:24
KEIN LECKERBISSEN vivi 25.8.04 19:56

DAWN OF THE DEAD

KEIN LECKERBISSEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 24. AUGUST 2004.

Keine Frage, dass der Horror als eigenes Genre
auch eine eigene Sichtweise verlangt.
Vielleicht hat er gerade deswegen, als SF-Märchen
konzipiert, einen (enormen) Zulauf.
Es mag sein, dass , „Alien“, „Dawn of the Dead”,
„Scream“ und viele andere mehr Innenansichten
als Außenansichten zeigen, und dass hier
das unverhohlene Spiel mit der Angst, den Gegner
zu überrumpeln, bewusst inszeniert wird.
„Dawn of the Dead“ sollte hier eingereiht werden.
Der Einbruch in die scheinbar geordnete Welt,
die eine neue Physiognomie enthüllt, vollzieht
sich nach dem Prinzip des plötzlichen
Überfalls, mit denen sich das Publikum identifizieren
soll, unvorbereitet, weil sie vorher nichts getan
haben, das all die kommenden Exesse
rechtfertigen könnte.

Hinter der bürgerlichen Maske tarnen sich die
skrupellosen Mörder (in Gestalt der Zombies)
und die Verschwörungen.
Die Kulisse für das Entsetzliche und das Böse
(das Kaufhaus) und die Existenzverformung
erlaubt hier keine Versöhnung.
Beides muss im Showdown aufgelöst werden.
ROMERO als Traditionalist macht das durch
eine provokative Gegenoffensive.
Er gibt nämlich zu erkennen, dass das
Schmutzige und Sündhafte eine reinigende
Wirkung haben kann, wenn dem „Konsumterror“
getrotzt wird.

Dass das durch einen Film, durch einen Filmansatz
bewirkt werden kann, halte ich für eine fatale Illusion.
Der Film hat keinerlei dokumentarischen
Charakter. Dafür fehlen ihm alle Voraussetzungen.
Gerade das ist ein Maßstab, um „Dawn of the Dead“
in ein hysterisches Genre einzuordnen, wo
brutale und wilde Filmmorde mit einer
depressiven Grundstimmung ausschließlich
dazu benützt werden, die Traumatisierung
des Geistes voranzutreiben.

Wie ich schon bemerkte, ist dies eine Sichtweise,
die sich mit anderen nicht zu decken brauchen.
Da Filmbesprechungen in der Regel subjektiv
sind, und es keine allgemeingültigen
objektiven Kriterien gibt, hat „Dawn of the Dead“
auch lange Zeit ohne Widerspruch überleben
können. In „gehobenen Filmbesprechungen“
sind die Autoren voll des Lobes über diesen
Film. KILB, EVERSCHOR, SEEßLEN,
oder etwa BINOTTO vertreten da ihre eigene
Sichtweise, die ihnen unbenommen
erscheint, weil sie prinzipiell dem neuen
Horrorfilm etwas positives abgewinnen können.
„Dawn of the Dead“ ist leider nur ein Zeuge dafür,
dass im Übermaß der eigentliche Blutfetischismus
der 70er Jahre aufgewertet wurde, und dass
Hollywood bewusst auf diese Streifen setzte,
die wie später „Kill Bill“ und andere das Blut extrem
fließen lassen.

Hier geht es auch nicht um eine Allgegenwart des
Todes, auch nicht darum (s)eine eigene Sterblichkeit
zu erkennen, oder sich sogar damit auseinander zusetzen
Bei diesem Genre geht es schlicht und ergreifend darum,
mit Blut und Gewalt eine Marktlücke aufzustoßen,
die ROMERO ja auch unverhohlen in einem Interview
benannte.
Die „eigene Sterblichkeit zu erfahren“ kann man nur,
wenn man sich der Philosophie nähert, zu
erkennen, dass es seit der Geburt ständig bergab,
also dem Sarg entgegen geht.
Das kann kein Film vermitteln. Schon gar nicht
dieses Genre.
Denn das wäre auch die Scheiterhaufenkonsequenz:
in den Feuersbrünsten, in Tod und Verderben erkennt
der Mensch sein „wahres Ich“.
Aber die Zwänge des bürgerlichen Lebens können
nicht durch ROMERO und seinem Erstlingswerk
aufgehoben werden. Man kann sie nur durch eine
Alternative jenseits von Markt und Staat definieren.

Da „Dwan o the Dead“ diese Frage noch nicht
einmal anschneidet und sich im Rot des
Farbfilms verheddert, stößt er kein Tor zur
Abgründigkeit auf, sondern bleibt mit samtigen
Glanz und ohne Alternative im Vorhof eines
Staates stehen.
David LYNCH hat andere weitreichendere Wirkungen
gezeichnet, die einem ROMERO völlig entgleiten.
Denn sein Theatervorhang war einer, der
die Abgründe der Seele durchleuchtete, wenn
auch, wie ich zugeben muss, äußerst abstrakt.
Aber anders als ROMERO zeichnete er ein
psychologisches Drama.
ROMERO dagegen bleibt mit seiner Kaufhauskritik
den bürgerlichen Verhältnissen treu.
Um im Kino rot zu sehen, bleibt manchmal schon
die Vorstellung.

„Kampf dem Konsumterror“ lautete eine Parole
der 70er Jahre. Dieser, in zig Filmen auf die
Fahnen geschrieben, war nur eine Tendenz der
Moderne. Und in ihnen wurden nun nicht die
Mechanismen und die Funktionsweise des
Kapitalismus aufgezeigt.
Hollywood verstand es schon immer, aus
gesellschaftlichen Krisen Profit zu schlagen.
„Dawn of the Daed“ hat mit bemerkenswerter
Treffsicherheit diesen aktuelle Ängste Nahrung
verschafft.

Das Ergebnis konnte auch nur beunruhigend sein.
Leben wir doch in einer Welt, in der die
Funktionsweise der Bilder zeigen, wie das Leben
selber davon überwuchert und das öffentliche
Leben, wozu auch Kino, Fernsehen etc. zählt,
zusehendst davon beeinflusst wird.
„Dawn of the Dead" war im übrigen ein
Intellektuellenfilm.
Er diente spezifisch ideologischen Zwecken,
ein Bilderwerk in Umlauf zu bringen, dass als
symbolische Prothese einen Kaufhausbrand
in sich trägt.
Das erschien mir damals schon sehr
merkwürdig. War es doch der deutsche
Terror der ersten Stunde, der mit einem
Kaufhausbrand in Frankfurt./M. ein „Fanal
setzen wollte“.

Nun sollte man Romero nicht unterstellen,
er hätte sich filmisch mit Baader, Meinhof
etc. auf eine Stufe gestellt, jedoch ist sein
Film so etwas wie eine Werbebotschaft.
Wenn wir erst die Zombies vertrieben haben,
die in Wirklichkeit Vertreter der Warenkultur
sind, werden wir das Licht am Ende des
Tunnels sehen.
Doch ich gebe zu bedenken, dass der
penetrante Charakter der Waren sich auch
im vervielfältigten Bilderkonsum widerspiegelt.

Welches Bedrohungspotential sich hier verbirgt,
ist hinreichend bekannt.
Und ROMERO lässt es auch gar nicht zu
(s.o.) dass darüber reflektiert wird.
Sein Misstrauen gegenüber der Kulturindustrie
folgt den Gesetzen des Massenfilms.
Man wünscht abgelenkt zu werden, einen
Augenblick der Absurdität des Alltags
entfliehen zu können.
Davon ab, dass das niemand bewerkstelligen
kann, versuchen es aber gerade die
Massenmedien mit einem großen Aufwand.
Sie lassen Selbstbestimmung und
bewusstes Handeln in regressiven Konformismus
und bedrohliche Passivität untergehen.

„Dawn of the Dead“ will so auch den Augenblick
der Tragik vergessen machen lassen, die Grausamkeit.
Doch ist er nur mit audiovisuellen Massenmedien
unterlegt, die er unvermittelt kritisieren will.
ROMERO kann diesen Widerspruch nicht auflösen.
Im Gegenteil: der Sektor der Kulturindustrie hat
ihn kontrolliert. Und: er ist keine spezifische
Antikulturkritik. Dafür fehlen dem Film auch alle
theoretischen Voraussetzungen.

Dietmar Kesten 24.8.04 11:24