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Der Untergang

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ANMERKUNGEN ZU EINEM FILM Dietmar Kesten 17.9.04 21:02
DER ALLTÄGLICHE RASSISMUS Dietmar Kesten 10.10.04 10:38

DER UNTERGANG

ANMERKUNGEN ZU EINEM FILM

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 17. SEPTEMBER 2004.

Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino.
Eine alte Kinowerbung, die nichts von ihren
einstigen Glanz verloren hat.
In diesem Sinne kann man alles konsumieren, was
die heutigen Filmpaläste mit ihren Shops für
Süßigkeiten, Popcorn und Getränken offerieren. Man
kann nach dem Kinogang gemütlich in einer Bar
sitzen, oder sich anderweitig vergnügen.
Für alle ist immer etwas vorgesehen. Die moderne
Dressur des Menschen zum Kunden von Waren und
Dienstleistungen, vor allem zu einem Wesen, das seine
permanente Leistungsbereitschaft signalisiert und
sich dem Konsum, und nicht nur dem von Bildern,
hingibt, zeigt, dass unsere Bedürfnisse sortiert werden,
dass uns der Markt verplant, dass er unseren eigenen
Willen unterminiert und uns einflüstert, was wir tun
müssen, um unmittelbar zu ihm zugehörig zu sein.
Es scheint so, als ob wir keine Sicht mehr fürs Wirkliche
Haben. Die moralische Substanz ist dahin.

HITLER im Bunker, eine Abschiedsparty, ein Fest
auf die Dummheit!
Unmöglich! Wer meinte, dass das so sein, täuscht sich
in diesen Tagen.
Ein verschämter Blick ins Reichs des Führers. Wer wollte
ihn nicht erhaschen?
Jetzt kann man es tun. Oliver HIRSCHBIEGEL gewährt
ihn uns.
Die Lust am Entsetzen- das war schon immer der
Supergau der Medien, die wie Aasgeier das Niemandsland
des Vergessens betreten hatten, in dem jemand nicht mehr
lebte, aber auch noch nicht gänzlich tot war.
Und sie warteten darauf, dass sie ‚Ihn’ endlich aus seiner
sterblichen Hülle befreit konnten.
Eine Geisterfahrt in den Bunker, in den Kerker, ins
Gefängnis, ins Verlies, in die Abgründe- all das ist jetzt
auf der Leinwand zu bewundern. HITLER hat
Konjunktur. Und schon während der
GOLDHAGEN-Debatte, konnte niemand vernünftig erklären,
warum die Judenvernichtung einerseits verdrängt
und andererseits unerträglich vermarktet wurde.
Wir sahen die alten und die neuen Toten, die alten
Konzentrationslager inmitten von HITLER, hörten uns
ideologische Diskussionen über die „Einmaligkeit
des Genozids“ an, reflektierten über die Unterschiede
der Massaker von Auschwitz, Hiroshima und Uganda.
Wir sahen die Toten und löffelten unser Essen ungeniert
weiter.

Jetzt sehen wir die Endstation des Nazireiches
noch einmal frisch verarbeitet, bildhaft in Szene
gesetzt, Voyeurismus pur! Das ist die Grundlage
Hollywoods. Und wer wollte sich daran stoßen, dass
EICHINGER und HIRSCHBIEGEL dort weitermachen,
was ihnen seit Jahrzehnten oktroyiert wird?
Filme bieten alles, was man im Alltag nicht
unbedingt erfährt, sie bieten aber auch alles, was
man erfährt, nur besser aufbereitet, schauspielerisch
in Szene gesetzt, mit Licht und spektakulärer Action
unterlegt, und mit Dialogen, die geschliffener sind
als in unseren Gesprächen.
Bernd EICHINGER und Oliver HIRSCHBIEGEL
bekommen für ihren HITLER-Film jede Menge Geld.
Darin liegt auch die Hollywood-Gleichung:
Filmfaktor=Spaßfaktor. Spaßfaktor=Geldfaktor.
Nun ist es ist kein Spaß, der hier abgeliefert wird,
sondern ein schwarzes Kapitel der deutschen Geschichte.
Und dennoch bekommen beide Ruhm und Geld für
ihre Investitionen.
Damit nicht genug. Am 24. September wird auf
RTL „Hitler - Aufstieg des Bösen“ laufen. Wer
Am Shoah-business beteiligt ist, wittert Ruhm, Ehre
und Anerkennung, wenn sie öffentlich in irgendeiner
Form zu diesem Thema Stellung beziehen.

Je jämmerlicher dieses Geschäft wird, umso deutlicher
wird, was vor unseren Augen abläuft.
HIRSCHBIEGEL als Werkzeug der Geschichte.
Er begreift seinen Film als „historische Aufgabe“.
Ich musste mich „in eine ganze Welt, hineinversetzen“.
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 11. September
2004).
Hat Deutschland auf HIRSCHBIEGEL gewartet?
Warum schweigt er zu den Vorwürfen, dass er viel
Geld für den Film bekommen hat, und dass
deutsche Vorzeigeschauspieler (GANZ, FERCH,
HARFOUCH) offenbar dieses Spektakel alleine
durch ihre Namen retten sollen?

„Die Zeit“ ist zufrieden, der Produzent, in vielen
deutschen Zeitungen wird der Film als „eindringliche
Mahnung“ gelobt. Man soll sich ihn ansehen, um
„zu verstehen“.
Der Film soll HITLER „nicht vermenschlichen“.
Doch gerade das tut er durch GANZ.
Thomas MANN, Bertold BRECHT, Kurt TUCHOLSKY
und viele andere, gehörten zu denjenigen, die schnell
begriffen, dass HITLER in uns allen wohnt, dass der
Nazichef die uns allen innewohnende Verkommenheit
verkörpert.
„Mit wurde gähnend übel bei dem Gedanken als
unfreier Mann einst in einem Büro sitzen zu dürfen; nicht
Herr sein zu können der eigenen Zeit, sondern in
auszufüllende Formulare den Inhalt eines ganzen
Lebens zwängen zu müssen.“ (Adolf HITLER:
„Mein Kampf“, München 1925, S. 6).
Tatsächlich lässt sich fast das Leben der deutschen
Nationen in diese Sätze fassen, wenn sie denn nicht
deutlich machten, dass sich hierhinter der ganze
Wahn des Dritten Reiches und der eliminatorische
und diktatorische Antisemitismus verbergen würde.

HITLER wurde zum Diktator und zum Massenmörder,
weil die Deutschen es so wollten, weil sie ihn zu
ihrem Führer erkoren hatten.
Erst nach den Niederlagen des Kaiserreiches, des
Ersten Weltkrieges war es ihm möglich, seine Sätze
aus „Mein Kampf“ diabolisch einzulösen.
Der wirtschaftlichen Not, dem Elend und der hohen
Massenarbeitslosigkeit folgten Millionen Menschen,
weil sie in ihm die politische Alternative schlechthin
sahen.
Weil sie seinem Hass, seinen dumpfen Parolen und
seinem Antisemitismus folgten, bleibt die Schuld.
All diese Zusammenhänge werden in „Der Untergang“
verniedlicht: der Mord an den Juden, der katastrophische
Zweite Weltkrieg mit seinen Millionen Toten, zerstörte
Städte, zerstörtes Land.
EICHINGER und HIRSCHBIEGEL vertrauen der
Bildersprache, der morbiden Sprache des Diktators,
dem ansehnlich gestalteten Bunker.
Soll Magda Goebbels Mitleid erregen, die, die ihre
Kinder umbringt?
Wird das hier unterschwellig suggeriert? Denn diese
Bilder erscheinen besser als Geschichtswissen,
Geschichtsdaten, Literatur über den Faschismus und
die Zusammenhänge darüber.

So war es schon immer im Kino. Wer darauf vertraut,
taumelt dem Abgrund entgegen.
Und wer den Gemütszustand der Schauspieler auf
sein eigenes Leben übertrug, musste oft erkennen,
dass sich Schein und Sein oftmals radikale
widersprechen.
Hier allerdings ist die Traumatisierung Deutschland
Kinoprodukt.
Wenn die scheinbar ‚bereinigte’ Vergangenheit jedoch
in einem wahren Rausch wiedergeboren wird,
dann läuft hinter uns ein Schatten einer Vergangenheit
her, den wir nicht mehr loswerden.
Der Parteienforscher Richard STÖSS von der
Freien Universität Berlin, stellte 2002 in einer Studie fest,
dass zur Zeit in Deutschland „ungefähr jeder Zwanzigste ein
fest gefügtes rechtsextremes Weltbild aufweist“,
dann ist das mehr als beunruhigend.
Und: „Falls man ein weicheres Kriterium verwendet... beträgt
der Anteil von Personen mit relativ fest gefügter
rechtsextremistischer Weltanschauung in Deutschland rund
17 Prozent“, dann ist das unterschwellige rechte
Bewusstsein, das sich in Türken- und Judenwitzen,
Rechtsradikalismus in der Bundeswehr, niederschlägt, über
Abschiebepraxis bis zur offenen Gewalt gegen Ausländer geht,
tatsächlich Anlass dem aufkommenden braunen Mob zu begegnen.
Ein politisches Weltbild, das durch rechtsradikale Inhalte
geprägt ist, darf inmitten der Gesellschaft niemals und nicht
geduldet werden.

Fazit: Adolf Hitler wird weiter seine Hände nach
uns ausstrecken. Auch wenn wir es nicht wahrhaben
wollen: ihn und seine Familie werden wir wohl nicht
mehr loswerden.
Sie sind auf eine seltsame, gar eigentümliche
Art ins uns präsent.

Dietmar Kesten 17.9.04 21:02