filmz.de
Closed

Die Träumer

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
Die Träumer Marilyn 29.2.08 03:07

Ein Film, der gesehen werden Christoph Eckernkemper 2.7.07 23:24

empfehlenswert andre 16.5.05 22:55

einfach genial St.Si 25.3.05 13:04

Großartiger Film von 11.2.05 22:22

Bertolucci zum Wiederverlieben Spoiler! Christian 30.1.05 04:57
Bertolucci zum Wiederverlieben Dietmar Kesten 30.1.05 10:54

Ich finde das der film einen 5.1.05 20:08

(10/10)
Seit Pianist von Polanski das ist der beste Film, den ich gesehen habe.
Bravo mister Bertolucci
Lioustik Mikhail 15.2.04 00:37

(1/10)
DIE TRÄUMER

DIE LETZTE AFFÄRE VON PARIS

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 31. JANUAR 2004.

Bernardo BERTOLUCCI sagte:
„Dies ist mein persönlicher Film... er drückt meinen Wunsch
nach einem Neuanfang aus. Wenn wir uns im Jahr 1968 ins Bett
gelegt haben, dann haben wir es mir der Vorstellung getan, dass wir
am nächsten Morgen in der Zukunft aufwachen. Nicht am nächsten
Tag, sondern in der Zukunft.“ (Zitiert nach: „Die Zeit“ Nr. 22,
22. Januar 2004).
BERTOLUCCI, der den „Letzten Tange von Paris“ (1972) drehte,
wusste damals noch, welche Leidenschaften, Konflikte und
Sinnlichkeiten der Film dem Entdecker bietet, wusste noch,
was ringsherum im Kino geschieht, wenn man der Industrie
und dem Publikum Träume bietet.
Über 30 Jahre nach dem „Tango“ träumt er wieder, und er möchte,
dass wir „in der Zukunft aufwachen“, nicht „am nächsten Tag“. So
bewegen sich denn Traum und „Die Träumer“.
„Die Träumer“ ist ein Rückblick in das Paris des Jahres 1968,
wo sich zwei Geschwister mit einem US-Boy vergnügen.
Sie lernen sich während einer Protestaktion im Mai 1968 kennen,
als der Direktor und Gründer der Cinemathek Henri LANGLOIS
vom Kulturminister Andre MALRAUX entlassen wurde.
Das alles ist umrahmt von der Revolte der studentischen Jugend.

Es sind die alten Träume im Kino, wovon alle Geschichten zehren.
Egal wie lange ein Film dauert: einhundertzwanzig Minuten, neunzig
oder hundertachtzig Minuten. Man darf das nicht spüren, sonst
zerbricht die Suggestion.
Im Kino gibt es zwei Ausgänge, einen in der Realität und einen
im Schlaf. Erst wenn die reale Zeit, die von beiden Seiten auf sie
einstürmt, vernichtet ist, wird sie zu einem Reich, in dem man
wohnen kann.
Der Traum ist nur eine schwache und mitunter auch lästige Metapher
für diesen Zustand, in dem die unglaublichsten Dinge glaubhaft
erscheinen.
Und doch sind Träume im Kino die klaustrophobische Kulisse, mit
deren Hilfe sich Filme verwandeln können: statt der Leichtigkeit
der Bilder das Bleigewicht der Reflexion.

Das ist der Unterschied zwischen Bild und Nachbild im Traum.
Nachbilder sind Bilder, die etwas hervorrufen und zeigen, was man auf
der Leinwand nicht sehen kann.
„Die Träumer“ ist voll von solchen Nachbildern, Leerstellen, an denen
die Geschichte stockt und zum Abklatsch verklumpt.
Dazwischen gibt es Momente, in denen eine andere Logik sichtbar
wird, in denen das Kino über seinen Gegenstand triumphiert.
Beides zusammen ergibt noch keinen gelungenen Film.
Ein solcher Hintergrund gibt manchmal sogar die Einsamkeit und die
Entrückung des Filmemachers preis, wenn dieser vor diesem einen
konventionellen Film stellt.

Nun hat auch „Die Träumer“ in der gehobenen Filmbesprechung
die Lobpreisungen bekommen, die man auf einer anderen Ebene vom
„Herrn der Ringe“ kennt.
Georg SEESSLEN hat sich in „Der Zeit“ langatmig zu BERTOLUCCI
geäußert. Seine Hommage an ihn und „Die Träumer“ deckt sich in etwa
mit den Filmbesprechungen von Daniel KOTHENSCHULTE in der
„Frankfurter Rundschau“ vom 31. Januar 2004 und der von
Fritz GÖTTLER in der „Süddeutschen Zeitung“ selbigen Datums.
„Die Träumer“ von Bernardo BERTOLUCCI erhält dort eine Würdigung,
die schwerlich nachvollziehbar erscheint, und die ihn als Rebell
und weniger als Traditionalisten erscheinen lassen, der er aber eigentlich
auf filmischer Ebene immer war.
Erinnert werden soll an seine Filme „Der letzte Kaiser“ (1986),
„Himmel über der Wüste“ (1990), „Little Buddha“ (1993).
Seine ziellosen Reisen durch die konkret-sinnliche aber auch
metaphysischen Ebene der Träume und der Sinnfragen in diesen
Filmen, spiegelt auch seine eigensinnige Realität wider, die durch
und durch von Klischees durchsetzt ist, und die nun eine Entsprechung
in seinem neusten Film findet.

BERTOLUCCI hat eine Ewigkeit an seinem Prophetendasein gebastelt.
Große Würfe sind ihm außer „Der letzte Tango von Paris“ kaum gelungen.
Und nun dreht er einen Film, der sich mehr mit Neigungen als mit
Obsessionen, eher mit der Hingezogenheit zu einer Epoche, als zu
einem Thema, und eher mit Figuren beschäftigt, als mit einem
politischen Traum.
Die BERTOLUCCI Darstellung über den Mai 1968 gehört mit zu den
seltsamsten Filmen, die ich über diese Zeit gesehen habe.
Eigentlich kommt Politik darin überhaupt nicht vor, wenn man von den
Eingangsszenen und des immer noch fliegenden Pflastersteins, der die
jungen Menschen jäh aus ihrem Liebesspiel zum Ende des Films
reißt, absieht.
Dazwischen gibt es eine Diskussion über den Vietnamkrieg
und einen Disput über Jimmy HENDRIX und Eric CLAPTON.
Ansonsten dümpelt der Film zwischen Geschlechtsorganen der
Protagonisten, die DIE entscheidende Rolle spielen, aufgeknöpfter
Kleider, Schamhaaren, Masturbation, Geschwisterliebe, eines Dreiers
in der Badewanne und Geschlechtsverkehrs vor sich hin.
BERTOLUCCI als Spanner? Und das alles zum Wohle und im Namen
des Kinos und seiner ihm eigenen Schaulust, versteht sich.

Auch wenn BERTOLUCCI seine Helden (wie bei TRUFFAUT)
über eine Brücke rennen lässt, oder GODARD reanimiert (Sprint durch
den Louvre), so sind seine vergangenen Utopien nichts anderes
als ein morscher Hochsitz, auf dem es sich gut altern lässt.
Von dort aus lassen sich die Träume seiner Helden bestens ertragen,
lassen sie sich von der Symbiose zwischen Kino und Leben, von dem
Versuch politischer und sexueller Revolution miteinander zu vermengen,
prächtig vereinnahmen und mit nostalgischer Etikettierung ins Reich
der „Männerphantasien“ (THEWELEIT) überführen, und zwar auf einer
Ebene, die weit über die ödipale Konstruiertheit und inszenierte
Liebesgeschichte hinausgeht, die nur hier und da die Politik atmet und
über die Subkultur nicht hinauskommt.

BERTOLUCCI und seine flotierenden libidinösen Energien verlieben
sich in sich selbst.
In einem wahren Beziehungsrausch bewegen sich seine
Figuren Matthew (Michael PITT), Isabelle (Eva GREEN) und ihr
Zwillingsbruder Theo (Louis GARRE). Ihre Individualität besteht aus
autoerotisierenden Ersatzhandlungen und einem ausgeprägten
Gefühl von ‚sexueller Befreiung’, die bei näherer Betrachtung nichts
anderes als eine adoleszente Verklemmung ist.
Der 68er Versuch, die Lust und die Sexualisierung aus ihrer
Agonie herauszuholen, beschrieb der Philosoph
THEWELEIT so:
„Nicht um Liebe und Erotik ging es demnach bei der ‚sexuellen
Befreiung’, sondern vor allem um den forcierten Versuch, sich
vom ‚naziverbundenen Elternkörper’ loszureißen und die durch
elterliche Berührung per Ansteckung übertragenen
‚faschistischen Verbrechen’ aus dem eigenen Leib und der
eigenen Psyche herauszuwaschen.“
Ein Akt der psychohistorischen Hygiene oder rituellen Reinigung
also, in dem die Objekte der Sexualität, der sexuellen Begierde
und der sexuellen Berührungen austauschbar waren und damit
sekundär.

Dieses hypochondrische Weltgefühl der damaligen Zeit, wenn man
ihm denn zustimmen sollte, das nur ein paar Sekundenbilder die
Pariser Nacht erleuchtet, endete dann auch vielmehr in der
‚sexuellen Repression’. Denn sich von der kontaminierten Welt der
Eltern abzunabeln und sich zu ‚entidentifizieren’ um dann sozusagen
als ‚befreites Individuum’ wieder aufzuerstehen und sich selbst zu
verwirklichen, sind die persönlichen Traumata dieser Bewegung,
die selbst ein BERTOLUCCI höchst unzureichend reflektiert.
Er konstruiert an der Handlung, werkelt am Licht, biegt und fummelt
sich eine Geschichte zurecht. Das hat nun alles nichts mit dem
politischen Diskurs, sexueller Befreiung und der Zeitgeschichte
zu tun.

Der Pariser Mai 1968 brachte das Land an den Rand eines
Ausnahmezustandes. Linksradikale aufgeputzte Mythen der
Revolte und der Resistance trafen auf konservative Mythen
der Republik und Nation. Gerettet wurde die Republik nicht
durch Charles De GAULLE, sondern von dem Millionenaufmarsch
Klein-Frankreichs, das im Sonntagsstaat auf dem Champs Elysees
auftrat, um mit der Trikolore seinen bescheidenen
Nachkriegswohlstand zu verteidigen.
Und endgültig endete die Revolution im Millionen-Stau der
Familienkutschen, die wie von GODARD filmisch verdichtet- ins
„Weekend“- in die verlängerten Pfingstferien fuhren.
Die (sexuelle) Anarchie der Jugend wurde so am Ende durch die
verbissene Anarchie der Kleinbürger gebrochen.

Man staunt nicht schlecht, wenn etwa SEESSLEN formuliert:
„Es ist, als würde man mit dem Erfolg auch die Süße vereinnahmen
wollen. Es ist verboten, lustvoll von 68 zu sprechen. Die Botschaft,
wenn man denn schon eine suchen will, in „Die Träumer“ liegt in
der Offenheit, der Freiheit, der Leichtigkeit, mit der sich der
Regisseur zugleich in seinem eigenen Kosmos und in der
Geschichte der Revolte bewegt. Vielleicht muss man eben doch einen
gewissen Reifegrad haben, um an diesen magischen Ort vor der
Revolution zurückzukehren.“
SEESSLEN formuliert hier ungeschminkt ein Bild, das man vielleicht
von BERTOLUCCI und der damaligen Zeit sehen möchte.
Doch beide sind sich hier ziemlich selbstgerecht.
Und sie reißen die Abgründe noch tiefer auf. Der Nachlass der
68er Bewegung: das ist der vergiftete Strom der Geschichte, der
immer noch weiterfließt.
Bei BERTOLUCCI schiebt er sich qualvoll neuen, trüben Ufern zu.

Facit: Die Träume und „die Träumer“ lagen damals auf der Straße.
Es ist an der Zeit, das sie auch dort begraben bleiben.
Träume verschwinden aus der Geschichte, sie tauchen unter und
machen sich davon.
Das Leben findet sie dort, wo man sie vielleicht nicht vermutet.
Das ist das Wahre. Etwas über sich selbst lernen, das ist der
Traum, der sich durch die Geschichte zieht: denn der Traum nach
der Wahrhaftigkeit im Leben ist traumhafter als jedes andere
Geschwätz darüber.
Dietmar Kesten 31.1.04 14:58

(10/10)
Toller Film, super Soundtrack (Jimi Hendrix, Big Brother & the Holding Co. usw.). Passend zum Soundtrack: Gerade ist die erste Biographie über Big Brother & the Holding Co. erschienen. Infos unter www.bbhc-die-biographie.de
Michael (Homepage) 25.1.04 08:56

Kommentare geschlossen