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Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm

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nicht schlecht, hatte mehr erhofft! dörnchen 22.3.05 02:17

(2/10)
JAZZCLUB - DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DEN WURM

SATIREN AUS EINEM BÜRGERLICHEN LEBEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 4. APRIL 2004.

Helge SCHNEIDER legt mit seinem dritten Kinofilm, für den
er selbst das Drehbuch schrieb und Regie führte, ein
weiteres Projekt seiner Kleinkunst vor.
Teddy, der Fischverkäufer ist Jazzmusiker, genauer: Pianist.
Seine Frau (Susanne BREDEHÖFT) interessiert
sich nicht besonders für Musik und tyrannisiert Teddy, wo sie
nur kann.
Weil sie sich anspruchsvoll gibt, arbeitet Teddy zusätzlich noch als
Zeitungsausträger, als Fischverkäufer und als Mann für gewisse
Stunden.
Im Jazzclub, in dem allabendlich musiziert wird, versucht sich eine
Band, die aus Teddy Schu (Helge SCHNEIDER), Steinberg,
dem Bassisten (Jimmy WOOD) und Howard Risk (Pete YORK)
besteht, vor einem leeren Saal.
Willi, der Besitzer des Clubs (Horst MENDROCH) hat große
Geldsorgen; der Club wird wohl seine Tore schließen müssen.
Als Hoffnungsbote tritt der Musikmagnat
Mies van de Kalb (Nico van RIJN) auf den Plan.
Nach dem Tod des Jazzclubbesitzers überstürzen sich die
Ereignisse und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Helge SCHNEIDER, der in die Rubrik Comedy einzuordnen
ist, gehört zu jenen Komikern, zu denen man ein besonderes
Verhältnis haben kann: er ist Musikclown, Entertainer, Komponist,
Filmschauspieler, Theaterkünstler und Schriftsteller.
Wer sich dort mit ihm arrangieren kann, für den ist Helge sicherlich
ein Gewinn, der in gewisser Weise an ‚Insterburg & Co.’ und ihre
Anarcho-Kalauer Art erinnert.
Als Pianojazzer, der am Duisburger Konservatorium studierte,
und dort zahlreiche Instrumente erlernte, ist er in diesem Genre
schon fast genial. Ob Helge sich in die Tradition des
Sprech- und Musikgenres in Deutschland einordnen lässt,
muss eine offene Frage bleiben.

Diese hat allerdings eine lange Tradition.
Bevor Chefblödler Ott WAALKES (zu Anfang der 70er Jahre)
auf den Plan trat, war es Heinz ERHARDT, der seine wortwitzelnden
Bonmots populär auf die Bühne und ins Kino brachte.
Dieser wurde von Wolfgang GRUNER, Wolfgang NEUSS, später
Peter FRANKENFELD und viele anderen abgelöst.
Das Nachkriegsdeutschland lechzte förmlich nach Abwechselung
Das war auch daran abzulesen, dass etwa ab 1951 eine Reihe
neuer Kinobauten entstanden, die mit raffinierter Ausstattung
einen psychologischen Reiz auf die Kinogänger ausübten.
Gedacht ist hier etwa an das ‚Alhambra’ (Mannheim),
das ‚Atlantik’ (Nürnberg), der ‚Metro-Palast’ (Berlin) oder die
‚Kaskade’ (Kassel).
In edel verpackten Räumen traten dort die Comedys der ersten
Stunde auf, um dort Harmonie einer wirklichkeitsentrückten
Welt zu gaukeln.
Ob ein Loriot (Vicco von BÜLOW) sich dort wohl gefühlt hätte,
der zu Beginn der 80er Jahre mit seinen zuweilen brillanten
Satiren aus dem bürgerlichen Leben („Mein Name ist Lose, ich
kaufe hier ein“) bekannt wurde, ist sehr zweifelhaft; denn er
stand für eine konträre Comedy, die sich nicht so einfach
einordnen ließ.

Doch im allgemeinen werkelte diese Kunst, wenn man vom
politischem Kabarett, das von den ‚Stachelschweinen’,
der ‚Lach- und Schießgesellschaft’, dem ‚Kommödchen’,
POLT und seinen ‚Biermösl-Blosn’ oder auch den
‚Wühlmäusen“ (HALLERVORDEN) verkörpert
wurde, ein Jahrzehnt auf Kleinkunstebene.
Erst zu Beginn der 90er Jahre eroberte eine neue Generation
von Wort- und Musik-Komikern die Szene, die nicht zuletzt wegen
der niedrigen Produktionskosten auch im Privatfernsehen rasch Fuß
fassen konnte.
Die Vertreter des am US-Vorbild der ‚Stand- Up Comedy’
geschulten Clowneristen, verstanden es, auch ohne Bilder vor das
Publikum zu treten.
Zu dieser Zeit war dieses Genre bereits dermaßen abgenutzt,
dass die in einer immer größeren Anzahl nach oben aufrückenden
und flächendeckende Akteure zum Abklatsch des
Mediengaus der Fernsehanstalten wurden.
Stellvertretend sind zu nennen: Michael MITTERMEIER,
Dieter NUHR, Herbert KNEBEL und sein Affentheater, Werner OLM,
Diether KREBS, Kaya YANAR, Atze SCHRÖDR, Otto WAALKES,
Piet KLOCKE, Ingo APPELT, Mike KRÜGER, Tom GERHARDT,
Harald SCHMDT, Hape KERKELING, Anke ENGELKE und viele
andere.

Allerdings verdankt auch Helge SCHNEIDER seinen kometenhaften
Aufstieg dem Fernsehen. Doch zunächst blödelte er als
‚singende Herrentorte’ ab ca. 1977 im Halbdunkeln,
bis er seine Musik und Tourneen im Fernsehen einem größeren
Publikum offerieren konnte.
1986 ist er Hauptdarsteller, Komponist und Musiker in
„Johnny Flash“. (Regie: Werner NEKE)
Kurze Zeit später spielte er die Kurzfilme „Stangenfieber“
und „Gummimann“ ein.
1993 bringt er das Doppelalbum „Es gibt Reis Baby“ heraus.
„Katzeklo“, „Telefonmann“ und „Fitze, Fitze, Fatze“ werden je nach
Sichtweise zu ‚Klassikern’.
Mit den Kinofilmen „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem“ (1993)
„00 Schneider - Die Jagd auf Nihil Baxter“ (1994)
und „Praxis Dr. Hasenbein“ (1997) liefert er seine bekannte
Sketche mit Musikeinlagen ab, die platt sind und sich mit
endlosen Wiederholungen über die Zeit retten.
In der Spielzeit 2003/2004 ist SCHNEIDER auch mit dem
Musical „Wendy: das Wusical“ am Bochumer Schauspielhaus
zu sehen.

“Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm“ ist Nonsens
Blödelei.
Fast hat man schon den Eindruck, als ob der Realität des
Alltags um jeden Preis Humor abgerungen wird.
Die Zuschauer im Kino durchleben unlösbare
Verständigungsprobleme, eine Vielzahl von Katastrophen,
hilflose Rettungsversuche, die den Untergang der Story,
die keine ist, vorantreiben.
Standup und Slapstick weiß SCHNEIDER indes mit seiner
Skurrilität des eigenen Körpers zu inszenieren.
Hier hat der Film dann auch seine besten Szenen: wenn er
etwa mit Musikbegleitung eine lange Treppe heruntergeht,
dann ist das köstlich. Und noch köstlicher, wenn er bei
strömendem Regen Zeitungen austrägt.
Das scheint zeitübergreifend zu wirken, bleibt aber kritisch
betrachtet televisionäre Volkshochschulveranstaltung.

Die von SCHNEIDER und anderen besetzte Komikformen
bringt heute nur noch neuere Varianten ein und derselben
Spielform hervor, was erheblich mit der Kommerzialisierung
der Medien zu tun hat.
Die Dramaturgie des Klackklacks einer fallenden Lottokugel
muss diese Wiederholungen, wofür das Fernsehen
steht, in die Kritik nehmen, und muss sich auch die Frage
gefallen lassen, ob es nicht in erster Linie Illusionen erzeugt,
die als bewegende Bilder verkauft werden.
Dass Fernsehen und Kino das Freizeitverhalten der
Deutschen verändert haben, steht außer Frage.
Dass der direkte Konkurrent des Fernsehens, das Kino,
allerdings die Geschehnisse der Welt ein zweites Mal
wiederholen muss, ist Inszenierung und Theateraufführung
auf reproduzierbarer Ebene.
SCHNEIDER, der das audiovisuelle Medium ganz nach
Belieben verwaltet, schafft nur wenig Raum für Innovation
und Herausforderung.
Wie im Alltag, so stellen Fernsehen und Kino einen
Fluss des Lebens dar: die Bilder sind flüchtig,
die Comedysierung kündigt die nächsten Ereignisse an,
die sich mit häuslicher Gemütlichkeit bestens
konsumieren lassen.

Fazit: Der Film ist tatsächlich nur etwas für
SCHNEIDER Fans. SCHNEIDER ist ein perfekter
Jazzpianist. Ob sich primär deshalb der Kinobesuch lohnt?
Dietmar Kesten 4.4.04 12:10

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