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Mr. Brooks - Der Mörder in Dir

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Was macht man mit einem Franz Witsch 1.10.07 16:52

Was macht man mit einem Schauspieler, der einen Serienkiller spielen soll, ohne dass er dafür die entsprechende Präsenz auf die Leinwand bringen kann, weil ihm das Gutmenschentum aus allen Poren spritzt? Man konstruiert sich einfach einen familienfürsorglichen Killer (Kevin Costner als Mr. Brooks), stellt ihm überdies ein Alter Ego an die Seite (William Hurt), mit dem sich dann innere Bewegtheiten über das gesprochene Wort austauschen lassen. Diese muss er dann nicht mehr, wie es zum Job eines guten Schauspielers gehört, nonverbal in Gestik und Mimik zum Ausdruck bringen. Eine Stimme aus dem Off oder die des Schauspielers selbst, die seine Umgebung nicht hört, würde dabei nur stören. Oder anders herum: hinter viel gesprochenem Text lassen sich Schwächen visueller Präsenz und Inszenierung gut verbergen, eine Methode wie sie der Film “Das Parfum” (Regie: Tom Tykwer) regelrecht zelebriert.

Kevin Costner mordet in Serie, als sei verstehbar, gar unmittelbar verstehbar, was ihn antreibt, als gäbe es wunderbar nachvollziehbare Verknüpfungen zwischen Mord und (sozialer) Realität. Ja, es muss ausgerechnet die sogenannte Normalität in ihrer spießigsten Ausprägung sein, die ihn verstehbar macht: der Killer liebt seine Familie über alles, versetzt sich liebevoll hinein in die Schwangerschaftsprobleme seiner Tochter. Nach dem ersten Schock Verständnis: Ich und Mutti freuen uns ganz, ganz doll darauf, dass wir Omi und Opi werden. Wir wollen als Familie für dich und das Baby sorgen. Und dann weiß der Killer noch einen trockenen Scherz vor sich hin zu murmeln: muss halt wieder jeden Tag eine Stunde früher aufstehn.

Es ist nicht das fürsorglich Normale auf altbewährt thrillige Art, bei der Zuschauer hinter der Banalität des Bösen (Hannah Arendt, † 1975) den unverstehbaren Wahnsinn wittern. Im Gegenteil, der Killer freut sich grundgütig, wie es sich für einen Daddy gehört, eben so wie Costner es kann, ohne im geringsten von der erdabgewandten Seite des “Normalen” angefressen zu sein, der nicht unmittelbar im Gesicht geschrieben steht, dass ein Normalsterblicher sie nicht verstehen kann. Im Gegenteil, wie jemand nicht verstehen, wo er doch sprechen kann wie jeder normale Mensch, gar die gleiche Sprache spricht? Steht nicht hinter jedem gesprochenen Wort eine entschlüsselbare Bedeutung, die dem Sprecher zukommt? Ja, es gilt das Unverstehbare verstehbar zu machen in der Art wie Bruno Ganz glaubt, das Menschliche in der Figur Hitler im Film “Der Untergang” verstehbar machen zu müssen, zu erklären, wie es passieren konnte, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen ihren Führer so anhimmeln konnte.

Als gehöre es zu den grundnatürlichsten Eigenschaften eines Volkes (resp. eines Menschen), dass es (resp. er) gut sei – im Kern, versteht sich, ein verborgener Bereich, wo man nicht hingucken kann. Dann ist ein Volk halt eben (nur) verführt, oh Schreck. Anders gefragt: warum nicht einfach nur verstehbar machen, dass man nicht verstehen kann? Wieso alles und jedes auf Kausalität reduzieren müssen? Warum nicht neben ausländischen Mitbürgern friedlich leben können, ohne sie – alles glattbügelnd – im Multikultigewäsch zu verstehn, unproblematisch immerzu gut finden zu müssen? Will man sich vielleicht nicht eingestehn, dass Menschen, selbst ausländische Mitbürger, einfach nur unverstehbar, gar widerlich sein können? Das darf selbst auf Hitler nicht zutreffen; schließlich gibt’s da ja auch noch die Autobahnen. Die hat er uns allen geschenkt. Etwas, was nicht einfach so unerklärt stehen bleiben darf.

Kevin Costner ist als Schauspieler viel zu durchsichtig, zu gut erklärbar, um das Unerklärliche wahrhaftig zu mimen. Einfältig wie er ist, braucht er die unmittelbar und direkt nachvollziehbare Verknüpfung zur Realität, ohne die sein Spiel zur unfreiwilligen Komik gerönne. Dieses Defizit versteckt der Film hinter aufdringlicher Inszenierung und Action. Der Zuschauer soll sich am grausamen Artefakt und Knalleffekten schadlos halten: Opfer röcheln ihr Leben aus, zumeist mit durchtrennter Kehle, aus der das Blut immer so schön spritzt. Der zu starke Reiz, in wohl dosierten Abständen über die Zeit verteilt, scheißt alle Differenzierungen zu, dahinter das schauspielerische Können – unabhängig vom wirklichen Können – allemal zur Nebensächlichkeit schrumpft.

Auf ein bisschen Realitätsbezug muss der Zuschauer dennoch nicht verzichten – der Form halber, so im Vorbeigehen. Der Killer leidet wie ein Hund. Ich muss morden, sagt er. Ich leide unter Mordsucht, darunter, dass ich das Morden genieße; ich bin süchtig. Und schließlich: ich möchte meine Sucht unbedingt los werden. Mit diesen Worten, so viel Rationalität muss sein, stellt er sich einer Gruppe der “Anonymen Alkoholiker” vor, die bei so viel Betroffenheit ganz gerührt applaudieren. Nicht einmal unfreiwillig komisch bringt der Film den Suchtkranken mit der Mordbestie auf gleiche Augenhöhe.

Und schließlich leidet der Killer darunter, dass er sein Herz nicht ausschütten kann, dazu verurteilt, mit sich und seinen Mordmotiven ganz und gar allein zu leben. Ja, er besitzt wie jeder normale Mensch – der Künstler mag sich darauf was einbilden – einen privilegierten Zugang zu dem, was er im Inneren ist. Indes der Künstler im Kunstwerk vielleicht entschlüsselbar ist, bleibt der Kennerblick des Kunstkritikers im Falle unseres auf Kunstsinnigkeit getrimmten Mörders leer: Auskunft ist nur als Fake – sprich: Genußsucht als Platzhalter für irgendwie was – erwünscht. Alles andere, vor allem Nichtverstehbarkeit oder Nichtwissenkönnen, würde den Zuschauer vielleicht verwirren – eine Zumutung, die nicht nur Filmemacher sich immer weniger leisten.

nachzulesen in www.film-und-politik.de

Franz Witsch (Homepage) 1.10.07 16:52