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Pans Labyrinth

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Tiefsinniges Meisterwerk 28.2.07 19:58

„…Meine Überzeugung ist, dass alle Fantasy politisch ist, ausnahmslos. Sie kann sich zwar in die eine oder andere Richtung entwickeln, hat aber immer einen politischen Unterton…“

…kommentierte Regisseur Guillermo del Toro seinen Fantasyfilm „Pans Labyrinth“ in einem Interview.
Der 1964 in Mexiko geborene Visionär ist Produzent, Drehbuchautor und Regisseur zugleich.
Bereits mit seinen ersten Filmen „Cronos“ und „The Devils Backbone“ verschaffte sich del Toro Anerkennung von der internationalen Kritik. Mit „Pans Labyrinth“ hat er nun den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere erreicht.
Als Inspiration für seinen aktuellen Geniestreich, der inhaltlich im Rahmen des spanischen Bürgerkrieges angesiedelt ist, diente del Toro sowohl seine eigene Biografie, wie auch die kulturelle Geschichte seines Landes. Denn zweifellos ist Mexiko eines der Länder, das die Auswirkungen des Spanischen Bürgerkrieges stark zu spüren bekam. Viele republikanische Flüchtlinge und Künstler fanden in Mexiko ein neues Zuhause und veränderten die kulturelle Landschaft nachhaltig.
Guillermo del Toro, aufgewachsen in einem katholischen Umfeld, suchte schon als Kind die Nähe und Lebenswelt dieser Kunstschaffenden, machte auch in einem jungen Alter seine ersten Erfahrungen mit Politik, Gewalt und Tod.

Sein Film „Pans Labyrinth“ erzählt die Geschichte der 12-jährigen Ofelia, deren hochschwangere Mutter den brutalen Hauptmann Vidal geheiratet hat.
Wir schreiben das Jahr 1944. Vidal hat sich in den Bergen Nordspaniens einquartiert, um den Widerstand der Partisanen zu brechen.
Ofelia hat den Verlust ihres Vaters noch nicht verkraftet, ihre Mutter wird schwer krank, und fortan lebt das Mädchen mit der Angst, allein und einsam in der Obhut ihres Stiefvaters bleiben zu müssen.
Eines Tages wird das junge Mädchen, das Märchengeschichten liebt, von einer Fee in ein Labyrinth gelockt.
Der Pan, dem sie dort begegnet, bewacht ein mystisches Königreich und erkennt in Ofelia die mögliche Reinkarnation einer Prinzessin.
Ofelia muss drei Aufgaben bestehen, um sich ihrer Rolle würdig zu erweisen, einen Fluch zu brechen und der Welt zu neuem Leben zu verhelfen.

Del Toros Fantasydrama ist erstrangig eine metaphysische Analyse darüber, wie eine düstere Welt, die ein junger Mensch nicht kognitiv begreifen und verarbeiten kann, in die Seele des Kindes eindringt und ihm seine kindliche Unschuld raubt. Gleichermaßen erkundet der Film aber auch die Macht, welche in der Unschuld und Phantasie begründet liegt.
Mitunter sehr tiefenpsychologisch entfaltet del Toro eine märchenhafte Welt, welche jedem Kind die Möglichkeit bietet, in einem von Gut und Böse geprägten Universum Ängste und die fremde Welt der Erwachsenen zu ergründen und zu bewältigen. Nicht nur einmal schimmern symptomatische und typische Erscheinungsformen dieser Prozesse in Form von Symbolen und diversen Kreaturen auf.
Metaphorisch und voller bildhafter Symbole ist grundsätzlich der gesamte Film. Schön ist dabei, dass jedes dieser Symbole sich fernab jeglicher Gradlinigkeiten einen vieldeutigen Raum bewahrt. Auf diese Art und Weise ermöglicht der Regisseur dem Zuschauer, seine Geschichte in unterschiedlichen Zusammenhängen zu begreifen. Eine Geschichte, die generell sehr viele thematische Aspekte beinhaltet.
„Pans Labyrinth“ ist auch eine deutliche Stellungnahme zum Thema Krieg und Faschismus. Die Figur des Hauptmanns Vidal ist selbst schon eine Metapher, welche die Unmenschlichkeit dieser Ideologie personifiziert. Guillermo del Toro verleibt dieser Figur bewusst keine komplexe Menschlichkeit, sondern inszeniert den Hauptmann als eine exakt tickende Maschinerie, wie es die Symbolik der Uhr, die er permanent bei sich trägt, unterstreicht. Der Regisseur lässt keinen Zweifel über die Abgründigkeit des faschistischen Prinzips und Systems zu.
Ferner beschäftigt sich „Pans Labyrinth“ mit dem Erwachsenwerden, Sehnsüchten, Ängsten, der Bedeutung von Vaterfiguren, der Geschlechterordnung, Unsterblichkeit der menschlichen Seele und der Ambivalenz zwischen Kirche und Religion.
Die religiösen Symbole und Parallelen durchdringen den gesamten Film und bereichern ihn um mehrere Subtexte in Parabelform, die wiederholt moralische Fragen aufwerfen. Es geht um Lebensphilosophien und Entscheidungen. Entscheidungen und Konsequenzen, die definieren, wer wir sind.
Die Lesemöglichkeiten der Geschichte sind natürlich noch weitaus vielfältiger. Und dass diese Vielschichtigkeit so ausgezeichnet im Film funktioniert, ist ein Verdienst von del Torros raffinierter Verdichtung. Zwischen den beiden Ebenen der Handlung –der realistischen und der märchenhaften- herrscht ein konsequenter Gleichklang. Die Märchenwelt findet jederzeit ihre Entsprechung in der realen Welt und umgekehrt.
Ja, „Pans Labyrinth“ ist ein Märchen, weil der Film, oberflächlich betrachtet, gezielt den einfachen Mechanismen des Märchens folgt. Visuell und emotional betrachtet ist der Film jedoch eindeutig ein tiefsinniges und mehrdimensionales Märchen für Erwachsene.
Gerade Gewalt spielt in del Toros Inszenierung eine wesentliche Rolle. Sie veranschaulicht die Brutalität des Krieges und des Faschismus. Ist für den Regisseur ebenso ein Ausdruck der Aufarbeitung seiner individuellen Erfahrungen mit den Themen Brutalität und Tod. Und führt das Genre zu seinen Ursprüngen zurück – der Zeit, als Märchengeschichten noch düster, blutrünstig und keineswegs Geschichten für Kinder waren.
Auch stilistisch erfüllt die Gewaltdarstellung ihren Zweck. Denn konsequent sucht der Regisseur die krasse Gegensätzlichkeit von Schönheit und Grauen, und dementsprechend krass ist der visuelle und emotionale Effekt für den Zuschauer, der sich aus den Kontrasten ergibt.

Überhaupt ist die Form von „Pans Labyrinth“ schlichtweg meisterhaft.
Mit der Präzision eines großen Ästheten arrangiert del Toro die Versatzstücke seiner Bilder wie Licht, Farben, Figuren und Ausstattungselemente zu künstlerisch suggestiven Kompositionen, angesiedelt zwischen Magie und Realismus, die zeitweise sehr deutlich an Kunstwerke von Arthur Rackham oder auch Goya erinnern.
Del Toro beweist zudem ein intuitives Gespür für stille, melancholische und lyrische Töne. Er nimmt den Zuschauer an der Hand und mutet ihm keine selbstzweckhaft-schockierenden Eindrücke zu. Sein Film ist beseelt von einem langsamen, eindringlichen Rhythmus.
Kameramann Guillermo Navarro fängt auf genauso meisterhafte Art und Weise Toros Kompositionen ein. Seine Bilder sind geprägt von einer genauen Beobachtung, subtiler Dynamik und langsamen, geradezu epischen Bewegungen.
Die daraus resultierende Atmosphäre hat eine ganz eigene, ungeheure Intensität. Unterstützt von einer sanften und gefühlvollen musikalischen Untermalung.
Die Kreativität des Filmes schlägt sich auch in den Kreationen innerhalb der Fantasiewelten wieder. Guillermo del Toro verzichtet weitgehend auf Computeranimationen und bietet Handgemachtes mit viel Liebe zum Detail. Sein Film ist erfüllt von greifbarem Leben fernab von hollywoodtypischen Spezialeffekten.
Erwähnenswert sind an dieser Stelle das aufwändige Make Up und die Besetzung des Pantomimen Doug Jones in den Rollen des Pan und Pale Man. Überwiegend mit seiner ausdrucksstarken Körpersprache erweckt Jones beide Figuren unvergleichlich und faszinierend zum Leben.
Überzeugend ist aber auch der übrige Teil des Ensembles – allen voran Ivana Baqueros zurückhaltend eindringliche Interpretation der tragenden Protagonistin Ofelia.

Mit „Pans Labyrinth“ ist Guillermo del Toro schlichtweg ein seltenes, politisch humanes Gesamtkunstwerk gelungen. Eine meisterhafte, sehr persönliche, religiös philosophische und psychologische Fantasyerzählung von enormer Tiefgründigkeit.
Ein tieftrauriger und doch ergreifend schöner und leidenschaftlicher Film, der zurecht mit drei Oscars, drei BAFTA Awards, sieben Goya Awards, zahlreichen weiteren Kritikerpreisen weltweit und einer Nominierung für die Goldene Palme in Cannes geehrt wurde.

Auch eine poetisch-düstere Hommage an hintersinnige und subversive Märchenerzähler wie Lewis Carroll und H.C. Andersen - getragen von del Toros beeindruckend feinfühliger und zutiefst sensibler Handschrift.

28.2.07 19:58