filmz.de
Closed

alaska.de

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
alaska.de Christian, Meckl.-Vorp. 2.11.02 15:48

"Alaska.de", Rezension bezogen auf die Erstausstrahlung im ARD Fernsehen, 24.10.2002
"Alaska.de" ist ein deprimierender, ein grausamer, ein herrlicher Film, ein cineastisches Kleinod. Mit beinahe dokumentarischer Akribie, Sinn für (Tiefen-)Psychologie und einer ganz eigenen Ästhetik thematisiert er die Lebensentwürfe Jugendlicher in den riesigen Plattenbauvierteln Ost-Berlins. Diese spezifische Ästhetik schafft es in perfekter Weise, Emotionen zu evozieren. Die Verwendung von Farbfiltern(häufig: gelb- und ockertöne) unterstreicht die allgemeine Depression, selbst die Sonne scheint den Helden von alaska.de kein richtiges Licht mehr zu spenden. Mit der emotionalen Wüste korrespondiert in beeindruckendster Weise die Darstellung der Umwelt, lebensfeindlicher Beton, der keine Luft zum atmen läßt, Atomisierung, Isolation und Einsamkeit schon von außen andeutet. Was "alaska.de" nun über alle Einzelheiten hinaus so bedeutsam macht, ist das anpacken des heißen Eisens "soziale Mißstände" im deutschen Kino, in einer im Grunde verlogenen Zeit, in der das klare aussprechen des Unbequemen kaum noch erwünscht ist. Welch eine Differenz zu den auf Unterhaltung abzielenden Tendenzfilmchen des Kommerzkinos- und Fernsehens, in denen die Akteure fast immer der Mittel- und Oberschicht entstammen, über Geld nicht nachdenken müssen und egozentristischste Nabelschau betreiben ! Der Schriftsteller Erich Mühsam forderte einmal von den Dichtern, sie müßten in ihrem Schaffen äußeres Erleben von Mißständen reflektieren und damit, wie er schrieb, "soziale Lyrik" schaffen. Vielleicht kann man im Bereich des Films ähnliches für "alaska.de" konstatieren. Groenenborns Werk verdient das Attribut "sozialer Film" im vollsten Umfange. Groenenborn instrumentalisiert das Kino, um eine message rüberzubringen, nicht um die Bequemlichkeit der Zuschauer zu unterstützen, wie es die Kulturindustrie so oft zu tun pflegt. Damit schafft Gronenborn "reinstes Kino", das seine Zuschauer in Einsichten um zutiefst menschliches bereichert. Getragen wird das Ganze durch die Schar der "Laien"schauspieler- "Laien" hier bewußt in Anführungszeichen, da die emotionale Echtheit der Figuren die Identifikation des Zuschauers mit ihnen nur erleichtern kann. Keine artifzielle Überzüchtung, keine übertriebene Effekthascherei, ein Spiel, wie man es in dieser Form schon immer vermisst hat. Für den Mut, in "alaska.de" "Gesellschaft von unten" ungeschminkt auf die Leinwand zu bringen, ihren vielfältigen Problemen ins Auge zu blicken, das oftmals Tabuisierte klar zu benennen, gebührt Esther Gronenborn allergrößter Dank.

Christian, Meckl.-Vorp. 2.11.02 15:48