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Pearl Harbor

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KRIEGSGESCHICHTEN OHNE ENDE. Dietmar Kesten 14.12.04 16:16
KRIEGSGESCHICHTEN OHNE ENDE. werner 16.12.04 12:30
KRIEGSGESCHICHTEN OHNE ENDE. Dietmar Kesten 16.12.04 19:34

PEARL HARBOR

KRIEGSGESCHICHTEN OHNE ENDE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 14. DEZEMBER 2004.

Zwei Freunde in New Jersey, die sich seit der Kindheit kennen,
melden sich im Zweiten Weltkrieg zur Luftwaffe.
Während einer von ihnen nach England geht und dort vermeintlich
ums Leben kommt, beginnt der andere eine Liaison mit
der Verlobten (einer Krankenschwester) des Totgeglaubten.
Kurz vor dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor kehrt der
Freund jedoch zurück.
Vor dem Hintergrund von angeblichen historischen Ereignissen
beginnt sich ein schwülstiges Liebesdrama zu entwickeln.
„Pearl Harbor“, das sei hier vorweggenommen, ist ein
blamables Kriegsgerassel mit patriotischen, heroischen und
kapitalistisch unterwürfigen Schlachtszenen.
Mit der Hand an den Waffen bietet dieser Film mehr als eine
nur dem Schein nach reaktionäre Kriegsvergangenheitsbewältigung.

Wer sich „Pearl Harbor“ nähern will, der kommt nicht darum
herum, sich mit der Vorgeschichte des Angriffs zu beschäftigen.
Zur Mitte der 1930er Jahren begann Japans Militärführung eine
immer wesentlichere Rolle in der japanischen Politik zu spielen.
Gegenüber China betrieb sie eine aggressive und imperialistische
Politik. Die Chinesen unter Mao TSETUNG antworteten darauf
mit einem langen Partisanenkrieg, den Mao u. a. in
Schriften wie „Strategische Probleme des Partisanenkrieges
gegen die japanische Aggression“ und „Über den langwierigen
Krieg“ (beide 1938) begründete.
Die Kontrolle über Asien sollte nicht nur eine ökonomische mit
sich bringen, sondern auch vor allem die Machtpositionen des
Kaiserreiches sichern.
Kaiser HIROHITO war als Marionette, der von der Bevölkerung
Gottähnlich verehrt wurde, dem Militär bedingungslos untergeben.
Am 7. Juli 1937 beginnt der Japanisch-Chinesische Krieg.
Peking fällt in die Hände der Japaner. Um Shanghai wird heftig
gekämpft. Auf chinesischer Seite entsteht u. a. die ‚Kommune
von Shanghai’ als ein wesentlicher Ort des Widerstandes.
Ab dem Herbst entsteht eine Einheitsfront der
Nanking-Regierung, den Nationalisten unter Tschiang Kai-scheck
mit den Kommunisten. Im Dezember 1937
wird ein amerikanisches Schiff von den Japanern versenkt, was
als Signal für die Amerikaner betrachtet werden konnte, sich
nicht in Asien einzumischen. Am 13. Dezember 1937 richten
die Japaner in Nanking ein Blutbad an, bei dem ca.
40. 000 Menschen brutal getötet wurden, 20. 000 Frauen
sollen vergewaltigt worden sein.
Die Japaner vergrößern ihr Einflussgebiet. Die seit dem
18. Februar 1932 besetzte Mandschurei wird von Japan als
selbständiger Staat erklärt (Mandschukuo).
Unterdessen kritisierte der amerikanische Präsident
ROOSEVELT die japanische Eroberungspolitik und verkündet die
Doktrin der USA. Danach würden die USA niemals
Gebietsveränderungen anerkennen, die auf Gewalt und Krieg
zurückgehen. Das vertiefte die internationalen
Spannungen zwischen den USA und Japan.

Am 1. September 1939 überfällt die deutsche Wehrmacht
Polen. Der 2. imperialistische Krieg hatte begonnen.
1940 folgen weitere Eroberungen Deutschlands: Holland,
Belgien, Dänemark, Norwegen, Frankreich. Mit dem
Überfall auf die Sowjetunion ( 22. Juni 1941) tritt der Krieg in
sein entscheidendes Stadium.
Die Japaner, die seit 1936 in der ‚Achse’ mit Deutschland
und Italien verbündet waren (‚Antikomintern-Pakt’) sichern sich
am 27. September 1940 in Berlin die Herrschaft über Asien.
Die USA verlegen ihre Pazifikflotte in Richtung Japan nach
Hawaii. In den Krieg treten sie aber nicht ein.
Nach der Eroberung Tonkings durch die Japaner 1940,
führte auch ab 1941 die von Ho Chi Minh gegründete
Befreiungsbewegung ‚Vietminh’ den Befreiungskampf gegen
die Japaner. Die USA weigern sich weiter den Handel mit
Japan zu betreiben.
Ab 1939 werden Japans Rohstoffreserven knapp.
Das Militär denkt an weitere Eroberungen der Inseln
Sumatra, Borneo und Java. Dies ist aber nur möglich, wenn
die US-Pazifikflotte nicht militärisch interveniert.
Als Reaktion auf die Besetzung Süd-Indochinas verkünden
die USA ein Öl-Embargo gegen die Aggressoren. Damit
wird Japan am Lebensnerv getroffen (1. August 1941).
Vermutlich wollten die USA so Japan in einen Krieg
hineinzwingen.
Am 6. September 1941 beschließt der japanische
Kronrat die Eröffnung des Krieges gegen die USA und
Großbritannien, wenn die Verhandlungen mit den USA
(Rückzug aus Süd-Indochina) nicht bis zum 10. Oktober
zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden
können.
Nach Umbildung des Kabinetts KONOYE bildet der
neue Kriegsminister General Hideki TOJO eine neue
japanische Regierung.
HIROHITO hebt dem Beschluss vom 6. September wieder
auf und lässt die Geheimverhandlungen mit den USA
fortführen. In den Rahmen der Kriegsvorbereitungen Japans
wird ein Überraschungsangriff auf die amerikanische
Flotte in Pearl Harbor für den Fall eines Scheiterns
der Verhandlungen mit den USA eingefügt (20. Oktober).
Admiral YAMAMOTO entwickelt auf Grund dieser Lage den
Plan eines Überfalls.

Mit einer Flotte von sechs Flugzeugträgern und
27 Begleitschiffen läuft die Flotte in Richtung nördlich von
Hawaii und damit außerhalb des amerikanischen Radars
aus. Dort rechnet niemand ernsthaft mit einem Angriff.
Es gibt keinerlei Warnungen, obwohl die Japaner
Funksprüche absetzten, die darauf schließen ließen, das
ein Angriff unmittelbar bevorsteht.
Am 7. Dezember 1941 gegen 8. 00 Uhr eröffnen die Japaner
den Pazifikkrieg mit dem Angriff auf die amerikanische Flotte in
Pearl Harbor, bei dem 19 amerikanische Kriegsschiffe
außer Gefecht gesetzt werden, darunter fünf Schlachtschiffe.
Die Angriffe laufen in mehreren Wellen ab. In der ersten
starten 183 Flugzeuge, in der zweiten 268 Flugzeuge.
Die japanischen Aufklärer melden, dass die Flotte im Hafen
liegt. Der Code für den Angriff lautet ‚Tora, tora, tora’.
Kurz vor der Flaggenparade trifft die erste Welle ein.
Die Amerikaner reagieren nicht, weil sie der Annahme sind,
es handele sich hierbei um eine Übung der US Air Force.
Zahlreiche Flugzeuge werden von StuKas und
Torpedos getroffen und sinken. Die amerikanischen
Flugzeuge können nicht aufsteigen, weil sie schon am Boden
vernichtet werden.
Auf See werden die US-Flugzeugträger attackiert, die
ebenfalls versenkt werden.
Eine geplante dritte Angriffswelle wird abgesagt.
YAMAMOTO zieht sich zurück.

Als Ergebnis des Angriffs kann festgehalten werden:
über 2. 000 Amerikaner werden getötet, die 18 Schiffe
und 188 Flugzeuge verloren haben. Die Japaner verlieren
rund 29 Flugzeuge und 200 Mann.
ROOSEVELT spricht von „einem Tag der Schande“ und
verkündet Vergeltung.
Die USA erklären Japan den Krieg (8. Dezember 1941).
Damit wird der Krieg global ausgeweitet. Er wird zum
Weltkrieg. Deutschland erklärt den USA den Krieg
(11. Dezember).
Mit den Atombombenwürfen auf Hiroshima (6. August 1945)
und Nagasaki (9. August 1945) machen die USA auch als
Folge von ‚Pearl Harbor’ diese Städte dem Erdboden gleich.

Vor diesem Hintergrund versucht Michael BAY („Bad Boys“, 1994,
„The Rock - Fels der Entscheidung“, 1995,
„Armageddon - Das jüngste Gericht“, 1998, „Bad Boys“ II“, 2003,
Produzent von „Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre“, 2003)
den historischen Ereignissen gerechte zu werden.
So scheint es auf den ersten Blick. Doch bereits die Vorstellung
des Stabes zu „Pearl Harbor“ verdeutlicht, das wahrlich nichts
gutes auf das Publikum zukommt.
Die Produzenten Michael BAY und Jerry BRUCKHEIMER,
der Drehbuchschreiber Randall WALLACE und die Regie,
Michael BAY, lassen mit der Produktionsfirma ‚Touchstone Pictures’
keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie einen Kriegsfilm
abliefern wollen, der die alten amerikanischen Werte im
Übermaß strapaziert.
Auf erschreckende und perfide Weise wird hier eine Story
gestrickt, die patriotisch, heroisch und einfältig zugleich ist.
Hier werden die alten Träume wiederbelebt, die seit der
„Titanic“ und James CAMERON (1997) durch das amerikanische
Kino huschen. Hier werden Kindheitsträume wahrgemacht,
Freundschaften geschlossen, Feinde vernichtet.
Inmitten einer Liebesgeschichte wird rührig auf die Tränendüse
gedrückt. Man lässt keinen Zweifel daran aufkommen,
dass das Spektakel als Inbegriff des amerikanischen
Heldentums zu gelten habe. Dem Kino wird kurzer Prozess
gemacht. Es wird einfach umfunktioniert, in ein hehres
Heldenabenteuer im großen Kinokrieg um Pearl Harbor.

Rafe McCawley (Ben AFFLECK) und Josh Hartnett (Danny WALKER)
verkörpern hier das Heldentum und die Ideale, die seit
Vietnam verloren gingen. Der zerbrochene amerikanische
Traum wird in einem Klischeereigen fad gestreut. Das Kino
zeigt hier, dass man nur mit ein paar Blessuren aus Vietnam
zurückgekommen ist. Hier darf man nun frei nach der Devise
dass man geläutert, aber nicht gebrochen ist, die alten
Dramatiken im Flugzeugkampf Mann gegen Mann, die
Vorstellung der Zivilisierten gegen die japanischen
Untermenschen neu beleben.
Immer noch ringt Amerika mit Pearl Harbor. Und noch
immer verbreitet das Kino darüber Trost und Schrecken.
Kein anderer Überfall auf amerikanische Schiffe hatte eine
ähnliche Faszination ausgeübt.
Das Bildergedächtnis ist Ersatz für alle guten
und schlechten Erinnerungen. Hier können sich vor allem
auch noch einmal die Veteranen des Krieges ins gute
Licht setzen. „So haben wir es gemacht“, hört man sie
rufen. Und sie feuern aus allen Rohren, wenn sie
die Stakkato-Helden die Front abschreiten sehen.

Der Krieg im Pazifik ist zum Filmereignis geworden.
Danny stirbt den Heldentod und Evelyne Johnson
(Kate BECKINSALE) heult die Kissen voll. Gegen die
japanische Übermacht in den Lüften lässt sich
der harte Mann, der übrigbleibt, von ihr verzehren.
Die Liebe und der Krieg: eine strikte Trennung gibt es
für das Kino nicht, wenn es sich diesen Themen widmet.
Er ist sogar unabdingbar mit ihr verknüpft. Für beide
gilt: der Krieg macht strahlend schön und majestätisch.
Denn wenn die Wolken bunt sind, dann ist auch das
Kriegsspektakel ein thrill.
Schauder und Rendezvous- noch nie hat das im Kino
so perfekt gepasst. Noch nie hat ein Film ein solches
falsches Mitgefühl ausgelöst. Und noch sind so
verquert und eindimensional Figuren dargestellt worden,
die mit dem eigentlichen Krieg auch gar nichts zu tun
haben wollen.
Hier ist alles glatt inszeniert. So glatt, dass man die
Geschichte um Pearl Harbor fast wirklich vergisst.

„Pearl Harbor“ hat mit der eigentlichen Ablauf gar
nichts zu tun.
Die Wahrheit um diesen Angriff wird beiseite geschoben.
Geschichte interessiert nicht, so wie es bei Großspektakeln
der amerikanischen Blockbuster schon immer der Fall
war.
Dieses Kino ist ein Kino der Befindlichkeiten. Fast 3 Stunden
lang kommt auf den Zuschauer ein Trommelfeuer zu.
Die Verletzungen, die einem beigebracht werden sind nicht
mehr zu zählen.
Es bleibt zu erwähnen, dass der Film auf der Ebene der
Behäbigkeit des Denkens bestens funktioniert.
Im wesentlichen kann man nur mit Abstumpfung und
Weigerung reagieren.
Der amerikanische Horizont mutiert in diesem Streifen zu
einem abgetakelten ideologischen Weltverständnis.
So unpolisch der Film, so politisch ist er.
Da es hier um ein Lebensgefühl einer ganzen Generation
geht, um Ehre, Kampf, Durchhalteparolen, patriotischer
Gesinnung und gebieterischer Ehrfurcht, ist er gleichermaßen
häutend und gefährlich.
Weil es im Kino nicht um Meinungen geht, sondern um
Bilder, so sind es diese die Bewegungen und Rhythmen
hinterlassen. Fast perfekt wie ein Werbefilm hantieren
Produzenten und Schauspieler zugleich. Dieser Film ist
ein Hochglanzprospekt des Krieges, wo Wehrertüchtigungen
und Manöver ebenso einen Platz haben wie Kasernierung,
militärische Übungen und Kriegsspiele.

Fazit:

Hier passt nichts zusammen. Die ganze Geschichte
ist eine eklige Nahrung. Der Film enthält kein wirkliches
Bild, sondern nur Illustrationen.
Die Bilder sind Fundstücke und Erfindungen. Doch
vielmehr ist er der unbändige Sieg der amerikanischen
Werte über die restliche Welt. Selbst in Niederlagen
werden sie stolz empor gehalten.
Hier kann bewundert werden, dass die einfachsten
Zeichen des Kinos Bilder sind, die im Gedächtnis
haften bleiben.
Am Anfang war das amerikanische Kinobild!

Dietmar Kesten 14.12.04 16:16