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Thirteen Days

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DIE KUBA-KRISE IM FILM Dietmar Kesten 28.11.04 13:47

THIRTEEN DAYS

WIR WOLLEN ZU LAND AUSFAHREN - DIE KUBA-KRISE IM FILM

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 28. NOVEMBER 2004.

In „Thirteen Days“, einem Drama, geht es um die 13 Tage
während der Krise um Kuba im Oktober 1962.
Allgemein gilt diese Krise als Höhepunkt des ‚Kalten Krieges’,
und nicht selten wurde sie als die Zeit bezeichnet, in der
die Welt am Rande eines Atomschlages stand, die den
3. Weltkrieg hätte auslösen können.
Der Film, der ausschließlich die Politik der USA jener Tage
reflektiert, handelt von moralisierender Selbstgerechtigkeit,
der Überlegenheit und des Konkurrenzgeistes, jener Außenpolitik,
die sich zu angeblich großherzigen Idealen aufschwang, von
einem Präsidenten, der seine politischen Absichten verschleierte
und die Welt an jene jugendliche Aura gewöhnen sollte, die die
Selbstglorifizierung und das nationale Eigeninteresse als
konträre Position zum ‚Reich des Bösen’ in den Mittelpunkt
stellte.
Ob „Thirteen Days“, der vom Inner Circle der amerikanischen
Administration handelt, einen bleibenden Eindruck hinterlässt,
soll hier nicht hinterfragt werden; denn es geht um
staatliche Moral der USA, die in der Sowjetunion der damaligen
Zeit die Brutstätte einer weltweiten Verschwörung sah.
Diese Scheinheiligkeit, die nur als egozentrischer
Chauvinismus bezeichnet werden konnte, die alles, was die
Sowjetunion zu jeder Zeit tat, als abgefeimtes Komplott
betrachtete, war jenseits jener Wahrheit.

Notorisch ist dieser (politische) Mangel an Objektivität
auch im Film vorhanden.
Von einem Tag auf den anderen bricht auf einmal die
Kuba-Krise los, die mit dem Flug amerikanischer
Aufklärer beginnt, sich mit den gewöhnlichen alltäglichen
Begegnungen im Oval Office, mit offiziellen diplomatischen
Kontakten fortgesetzt und mit dem Abzug der
Sowjetunion aus der von den Amerikanern verhängten
Speerzone rund um Kuba endet. Es gibt keine Vorgeschichte.
Diese allerdings könnte erst den Blick auf die tatsächlichen
Ereignisse lenken.
Dazwischen liegen Dialoge, Dramaturgien, Provokationen,
Herausforderungen, Androhungen und bittersüßer
Schmerz, wenn Kenneth P. O'Donnell (Kevin KOSTNER)
um die Familie bangt.

Wieder einmal ein Präsidentendrama, dass unverblümt
mit jenem amerikanischen Patriotismus unterlegt ist, der
sich als gravierender Mangel durch den gesamten Film
zieht.
Waren schon „J. F. K. Tatort Dallas“ (Regie: Oliver STONE, 1991),
„Nixon“ (Regie: Oliver STONE, 1995), „Absolute Power"
(Regie: Clint EASTWOOD, 1997) und „Air Force One“
(Regie: Wolfgang PETERSEN, 1997) mit jenen tragischen
Rollen unterlegt, die uns teils als gewalttätige Rhetorik,
teils als bewusste Politik der Stärke, Kraft und
Rechtschaffenheit des amerikanischen Denkens verkauft
wurden, so ist „Thirteen Days“ mit John F. KENNEDY
(Bruce GREENWOOD) und Robert KENNEDY (Steven CULP)
ein kitschiges von Filmbildern okkupiertes Drama.
Immer noch scheint der amerikanische Mythos zu wirken:
zwischen Verklärung und Enthusiasmus verwischt der
Film jene Realität von 1962.
Faktisch waren die Amerikaner dazu bereit, für ihre Ideale
einen Atomkrieg zu führen.
Das Hadern und Zaudern, wie im Film dargestellt, entsprach
kaum dem Denken der amerikanischen Außen- und
Sicherheitspolitik, die mit Robert McNAMARA (Dylan BAKER)
über einen Scharfmacher höchstens Ranges verfügte.
Die Oberkommandieren der amerikanischen Streitkräfte,
Richard BISELL und Allan DULLES waren mit der CIA
dazu bereit, die Invasion Kubas durchzuführen und sie
konnten sich der Unterstützung des amerikanischen
Präsidenten sicher sein.
J. William FULBRIGHT schrieb zur damaligen
Kuba-Krise die bemerkenswerten Sätze:
„Sinn und Zweck der ganzen Aktion sei es, den
Kommunisten Castro, wie sie ihn nannten, loszuwerden.“
(J. William FULBRIGHT: “Wahn der Macht.
US-Politik seit 1945“, München 1989, S. 224).
Es gibt zudem kein geschichtliches Dokument, dass daran
zweifeln ließe, dass KENNEDY seine Zustimmung zu
diesem Plan verweigert habe.
Im Gegenteil: auch ihm ging es augenscheinlich darum,
von Kuba Besitz zu ergreifen.

Die Politik der amerikanischen Administration lief darauf
hinaus, sich in die Angelegenheit anderer Länder
einzumischen, in denen Revolution stattgefunden hatten,
oder stattfinden.
In Kuba sollte einem anderen politischen System zur
Macht verholfen werden. Deshalb verschweigt auch der
Film die Tatsache, dass die Amerikaner und der
Verteidigungsminister seit Jahren Exilkubaner technisch
und militärisch ausrüsteten (die damalige Summe
belief sich auf etwa vierzig Millionen Dollar), um zur
Stunde Null mit militärischem Übergewicht losschlagen zu
können. Bewies doch das Schweinebuchtdesaster im
April 1961, dass die USA zu jeder Aktion bereit waren.
Die drei wesentlichen Streitpunkte waren 1962:
1. Eine Invasion Kubas könnte die Sowjetunion weniger
provozieren, als eine Blockade ihrer Schiffe auf hoher See.
2. Kuba war nicht sowjetisches Territorium. Eine Landung
der Amerikaner auf Kuba ermögliche es der Sowjetunion,
sich herauszuhalten, während Amerika sich mit den
Kubanern auseinander setzten.
3. Falls die sowjetischen Schiffe bei einer Blockade nicht
kehrtmachten, sollten sie aufgebracht oder versenkt
werden.
Niemand wusste damals allerdings welche Briefwechsel es
zwischen KENNEDY und CHRUSTSCHOW gab.
Letzterer schien die Situation noch mit den Worten
zu verschärfen:
„Wir werden euch begraben“. Die Amerikaner interpretierten
das als Herausforderung, als ungeheuerliche Provokation.
Sie drohten, wie bekannt, mit einem Atomschlag.
Die Formulierungen des Kreml-Obersten konnten natürlich als
angeberisch und aufgesetzt interpretiert werden. Die
USA ließen das nicht gelten und ihre Idee, als
Leuchtfeuer für die Menschheit dazustehen, bekam durch
die Kuba-Krise nachträglich eine ganz andere Dimension.

„Thirteen Days“ von Roger DONALDSON
(“Die Bounty”, 1984, “Cocktail”, 1987, “No Way Out”, 1987,
“Cadillac Man”, 1989, “The Getaway”, 1993,
“Species”, 1995, “Dante’s Peak”, 1996) ist deshalb absolut
verwaschen und unehrlich.
Es wird so getan, als ob sowjetische Schiffe keinerlei Recht
hatten, Kuba anzusteuern. Sie befanden sich allerdings
auf hoher See, wozu sie das Recht hatten.
Die Option, sowjetische Schiffe zu versenken, wäre
verbunden mit eine Ultimatum eine Kriegshandlung gewesen,
und nach geltendem Recht eine Kriegserklärung.
Dass KENNEDY und McNAMARA diese Option überhaupt für
überlegenswert hielten, zeichnete sie gerade nicht
als Friedensstifter aus.
Im Film verschwimmen diese Tatsachen. Nur der
moralischen Überlegenheit - so der Trugschluss - der
Amerikaner ist es zu verdanken, dass die Welt nicht in
einen neuen Krieg gestürzt wurde. Wie absurd!

Die USA waren 1962 völkerrechtlich nicht dazu legitimiert,
überhaupt ein Embargo durchzuführen.
Im Film ist es eine Tatsache, eine Geschichtsklitterung
sonders gleichen, die suggerieren soll, dass man sich im
Recht fühlt, und das alle damit einverstanden sind.
Der Präsident hatte den Entschluss gefasst. Mit
teils schmerzverzerrtem Gesicht gibt er zu erkennen,
dass davon auch seine politische Karriere abhängen wird.
Welch ein Sarkasmus. Der Präsident balanciert auf
einem Nadelöhr und hält die Weltkugel in der Hand.
KENNEDY konsultierte nach Aussagen FULBRIGHT
nicht die Kongressführung über sein Ansinnen.
In „Thirteen Days“ wird natürlich alles ausdiskutiert,
jeder Schritt miteinander besprochen, jede Strategie
abgewogen und alle Zweifel vorgetragen.
Vor lauter Krisengipfel weiß niemand mehr, welche
Schleusen geöffnet und welche geschlossen werden
müssen. KENNEDY missbrauchte seine Machtbefugnisse
dadurch, weil er nach altem amerikanischem Brauch
am Prinzip regieren ohne diskutieren festhielt.
Die Höflichkeitsfloskeln im Film, die den Anschein
erwecken, es sei anders gewesen, sind nur Hülle
und Verpackung.
Als KENNEDY seine Entscheidung bekannt gab,
liefen auch schon die Vorbereitungen für das Embargo.

Kuba hatte 1962 den Amerikanern einen vertretbaren
Grund zur Invasion geliefert.
Immer waren die Sowjets Schuld, für die natürlich
hier keine Lanze gebrochen werden kann. Bevor ihre
Unschuld nicht erwiesen war, waren sie von vornherein
auf der Anklagebank.
Wie immer ihre Vorschläge auch aussahen, sie waren
nichts anderes als Bestandteil heimtückischer
Weltherrschaftspläne.
Die Welt zu unterwerfen, um sie kommunistisch zu
machen. Das war allgemeiner Tenor. Und die Berlin-Krise
ließ daran auch keine Zweifel aufkommen.
So schafft man Skeptiker, die allesamt in „Thirteen Days“
auftreten dürfen.
Mit versteinerter Mine ringen diese Herren um den
Weltfrieden.
Dass die eigentliche Basis des Film die politische
Unterstellung ist, ist schwer durchschaubar, aber Fakt.
Man konnte mit der Sowjetunion nicht so umgehen,
und dabei insgeheim darauf hoffen, dass sie
klein beigaben, Ordnungen stabilisieren helfen oder
abzurüsten.
Das schlimmste aller Szenarien war indes, dass die
nationale Sicherheit der USA durch die Stationierung
russischer Raketen auf Kuba gefährdet war.
Dass auch amerikanische Raketen jedes Territorium
erreichen konnten, wird verdrängt.
KENNEDY tritt in „Thirteen Days“ als gemäßigt auf.
Er war aber Hardliner wie alle anderen. Als Staatschef,
der persönlich Verantwortung trug, konnte er sich
kaum eine Schwäche erlauben. Es wäre fahrlässig gewesen.

Warum letzten Ende die Kuba-Krise friedlich über die
Bühne ging, die Sowjets sich bereit erklärten, die
Raketenstellungen auf Kuba am 28. Oktober 1962
zu räumen, mag indes nur eine Frage des diplomatischen
Verhandlungsgeschicks gewesen sein; denn
KENNEDY und CHRUSTSCHOW standen ja in
permanenter Beratung. Und der schlechte
Tausch- Raketenabzug gegen Räumung der US-Stellung
in der Türkei und Mittelamerika - wirkte nur als Brise
der Ernüchterung; denn bereits im Dezember 1962
forderte McNAMARA die Stärkung der konventionellen
Rüstung der USA und der NATO, um „flexibler
auf östliche Aktionen reagieren zu können“.

Fazit: Ein Film mit Heroisierung in allen Facetten.
Die Männerbünde feilschen um den Frieden. Wie
geschmacklos kommen die daher, die sich als Erbe
der wahren Menschlichkeit ausgaben, aber insgeheim
den Super-Gau planten.
Vielleicht war es mehr Glück als Verstand, dass
es im Oktober 1962 nicht zum atomaren Showdown
kam.
Die amerikanische Sichtweise der Situation von
1962 ist in „Thirteen Days“ eher ein Beweis dafür, dass
die vielgerühmten Maßstäbe der USA, Vorbild für andere
zu sein, politische Paranoia war.

Dietmar Kesten 28.11.04 13:47