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Tomb Raider

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MACHT UND WAHN Spoiler! Dietmar Kesten 31.7.04 14:48

TOMB RAIDER

MACHT UND WAHN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 31. JULI 2004.

Wer kennt nicht Lara Croft?
Die Superheldin zahlreicher Computerspiele ist jetzt auch
im Film zu sehen. Keine geringere als
Angelina JOLIE ( „Hell’s Kitchen“, Regie: Tony CINCIRIPINI,1998,
„Nur noch 60 Sekunden“, Regie: Dominic SENA 1999,
„Der Knochenjäger“, Regie: Philipp NOYVE, 1999), die an der
Seite von Winona RYDER („Beetlejuice“, Regie: Tim BURTON, 1988,
„Bram Stoker’s Dracula“, Regie: Francis Ford COPPOLA, 1992,
„Alien“, Regie: Jean-Pierre JEUNET, 1997,
„Celebrity“, Regie : Woody ALLEN, 1998,
“Edward mit den Scherenhänden„, Regie: Tim BURTON, 1990,
„Lost Souls“, Regie: Janusz KAMINSKI, 2000) in „Durchgeknallt“,
(Regie: James MANGOLD, 1999) spielt, und dafür einen
fragwürdigen Oscar bekam, spielt jene Figur, die die Freaks an
die Computer zieht, und die mit ihr zahlreiche Abenteuer erleben
dürfen.
Die Computerspiele um Lara Croft sind nicht neu.
Wie fast alles auf diesem Sektor, hatten auch sie ihre
Entsprechung.
Man erinnere sich nur an die „Indiana Jones“ Reihe.
Indy, ebenfalls Held zahlreicher Aktions-Spektakel schlüpfte
dort in die Rolle des Abenteurers, des Gelehrten, des mythischen
Helden, der mir nichts, dir nichts, alle Rätsel im Handumdrehen
löst, ohne dass ihm etwas ernsthaftes zustieß.

Wer „Indiana Jones“ gespielt hat, für den ist „Tomb Raider“
nicht neu. Allenfalls der Hang zur Gewalt ist auffällig, und das ist
es auch, was den Film charakterisiert, ihn in Längen von
„Indiana-Jones“ unterscheidet.
Die Story ist simpel, wie simpel nur etwas sein kann.
Schon in den ersten Szenen wird klar gestellt: wer gewinnen will,
der muss kämpfen!
Und schon ist Lara Croft bereit, die Welt zu retten. Hatten wir
das nicht schon mal?
Erinnern wir uns an „Die Mumie“ (Regie: Stephen SOMMERS, 1998),
an „Tank Girl“ (Regie: E. LATHEY, 1995), “Armageddon” (Regie:
Michael BAY, 1998), “Das Relikt” (Regie: Peter HYAMS, 1997) oder
den „Wüstenplanet“ (Regie: David LYNCH, 1984).
Oder einfach an die Gewalt und Action-Sequenzen, die
das moderne Kino auszeichnet.
Letztere sind dann auch der Höhepunkt des Filmes. Der Rest ist
ein wenig ‘Indy’-Folklore, 007-Talk um Geheimnisse und
Diplomatie, Freund-Feind Denken und andere diverse
Füllmaterialien.

Und es darf, wie auch im Spiel, mitgerätselt werden.
Rätsel in Hülle und Fülle, die natürlich von Lara Croft in gewohnter
Manier gelöst werden.
Sie ist auf dem richtigen Weg, den bösen Bäckerburschen das
grausige Handwerk zu legen.
Was hat es mit der mysteriösen Uhr auf sich, die Lara findet
und die eine chiffrierte Nachricht ihres verstorbenen Vaters
enthält? Bald erkennt Lara: die Uhr ist der Schlüssel zu einem
kristallenen Symbol aus grauer Vorzeit, dessen Teile an den
verschiedenen Winkeln der Welt versteckt wurden.
Zusammengesetzt kann es alle 5.000 Jahre seine
Wirkung entfalten.
Auch ein Geheimbund will das Relikt an sich bringen, und
die Jagd danach kann jetzt erst richtig starten.

Kino der Moderne wäre kein Kino ohne diverse Botschaften,
die dem Zuseher- und Hörer suggeriert werden.
Wenn es um die Botschaft geht, dann ist die Quintessenz immer
gleich: „Krieg bedeutet Frieden, Freiheit ist Sklaverei und
Unwissenheit ist Stärke.“(Georg. ORWELL).
Auf merkwürdige Weise hat mich „Tomb Raider“ an jenen
ORWELL erinnert, der in seiner „Farm der Tiere“ Macht,
Herrschaft und Rachegelüste so eindringlich verdeutlichte:
wenn du überleben willst, dann beuge dich der Herrschaft,
dem autoritären Zwang und der diktatorischen Unterwerfung.
Von all dem hat „Tomb Raider“ etwas. Und das sollte einen
mehr als nachdenklich machen. Vor allem deshalb, weil
die Kids ins Kino strömen, um ihrer Heldin mit Sexappeal zu
begegnen.

Ein pädagogisch unbrauchbarer Film, wie viele andere,
die das Spektakel um Blut, Horror und Ekel auf ihre Fahnen
geschrieben haben.
Doch anscheinend interessiert das wenige.
Hauptsache es knallt; die 3-D-Virtuosen haben ihren Spaß.
Laras samtweicher Killerblick bleibt hängen (so sehen Killer mit
Stil und einer Prise Moral aus!), und ihr sündiger Schmollmund
lässt der Fantasie freien Lauf.
Das ganze ist gewürzt mit peppen Sprüchen, die niemanden
mehr besonders tangieren sollten, und die sogenannte Cleverness
entpuppt sich bei näherem Hinsehen als heuchlerisch.
Jedes Wort, jeder Satz und jede Geste: kein Treffer.
Da unterscheiden sich Computerspiel und Film tatsächlich
voneinander.
Während man im Spiel die Level abspeichern kann, bricht der
Film diese Regeln.
Die Szenenfolgen sind so schlecht geschnitten, dass man
alle Mühe darauf verwenden muss, die richtigen Übergänge
heraus zu filtern.
Das ist eine mühselige Arbeit. Man muss im Kino immer auf
der Höhe sein, sonst entgehen einem die schlampigen
Schnitte. Etwa dort, wo Lara sich direkt am Anfang der
Killermaschine stellt, oder später am Pendel, das ins
Innere des kristallenen Symbols einschlägt.

Simon WEST, der Regie führte, macht aus „Tomb Raider“
einen Animationsfilm für Debütanten, aus Lara Croft eine
hyperaktive Figur, die nur ihre Stimme anzuheben braucht,
und schon geschehen Katastrophen. Sein Einfallsreichtum
bleibt quasi beim Sprung über jene Brücke im „Verlorenen Tal“
aus „Tomb Raider“ stehen, über die man nur mit
geschickten Tastenbewegungen hinüber kommt.
Die gelobte Originalität des Filmes ist verseuchtes
Hollywood-Kino.
„Alles nur geklaut“ haben mal die Prinzen gesungen.
Und um noch eines draufzusetzen: warum muss dieses
Genre-Kino immer die alten Facetten neu aufwärmen?

Kann da „Tomb Raider“ noch Botschaften vermitteln?
Simon WEST versucht es. Diese Versuche sind sehr kläglich
und somit gescheitert.
Durch eine mystische Kraft kann Lara zur Mitte des Filmes
mit ihrem verstorbenen Vater Kontakt aufnehmen, sich mit
ihm austauschen und beratschlagen.
Für Esoteriker, Seher, Grübler und andere Enthusiasten mag
das der Hinweis schlechthin sein: es gibt eine Wiederkehr.
Die Schau in die Vergangenheit, der Blick in die Zukunft und
das Sehen in der Gegenwart - das ist wahres Heil,
Gottesfurcht und Leben nach dem Tod.
Wer diesen Unsinn in dieser Form immer wieder in unsere
Köpfe hämmert, der muss sich die Frage gefallen lassen: wem
will er damit nützen? Sicherlich, einer ganzen Filmindustrie, die
schon danach giert, eine nächste Folge von zu konzipieren,
doch auch all denjenigen, die im Unheilvollen, Irrationalen
und mystischen Hoffnung und Abwehr des irdischen Leids
meinen erblicken zu können.

Das Leben, ein Film mit allen Facetten.
So banal diese Weisheit auch klingt, sie hat sich
mit „Tomb Raider“ einmal mehr bestätigt.
Schlimm ist, das wir alle unsere Rollen in diesem Film spielen.
Und im übertragenen Sinne will jeder von uns eine Lara Croft
sein, die noch nicht einmal nach liquidierten Gegnern transpiriert.
Hatten wir mit CAMERON die „Titanic“ (1997) im Kopf, so
hat uns jetzt die ‘saubere’ Killermaschine ins Herz
getroffen.
Überleben werden nur die, die reines Herzens sind.
Da kann man schon mal über Leichen gehen und blutrünstig
zum nächsten Angriff mit Maschinenpistolen und Granatwerfern
das Halali blasen.
Hauptsache ist: Das Ego bleibt stark im Kampf Frau gegen
Mann, Mann gegen Frau, der Gesellschaft gegen das Individuum.

Fazit: Leider hat die Moderne sich auch mit Film und Kino ein
Medium geschaffen, das verzweigt, durch viele Netze das
Denken der Menschen steuern und beeinflussen kann.
Dies meistens auf negative Weise. Wir gehen vordergründig
ins Kino um unterhalten zu werden.
Darin steckt bereits der Pferdefuss. Wenn die Vordergründigkeit
in planvolles Handeln der Individuen umschlägt, dann ist
es immer wieder Hollywood, dass die Kunst der Manipulation besser
versteht und in die Tat umsetzt als jeder Staat und jede
Gesellschaft zusammen.
Für die Zukunft verheißt das nichts gutes: die Propagandafilme der
Nazis hatten es bestens verstanden, den Geist zu wecken
und das Herz anzusprechen. Wenn auch das Kino der Moderne
davon noch weit entfernt ist, solle jedoch jeder, der sich mit
Film und Kino beschäftigt, ein waches Auge auf die
Monumentalschinken haben, die wöchentlich neu geboren werden,
um uns alles zu verzücken.

Dietmar Kesten 31.7.04 14:48