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Der Anschlag

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IM SPIEL MIT DER ANGST. Dietmar Kesten 12.2.05 14:34

DER ANSCHLAG

IM SPIEL MIT DER ANGST

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 12. FEBRUAR 2005.

Bereits in den James-Bond Filmen waren die Täter klar eingekreist.
Russen, Chinesen, Nordkoreaner. Ihre Aufträge bestanden stets
darin, die Menschheit in den Abgrund zu treiben.
Ob es sich dabei um Weltherrschaft handelte, todbringende Atomwaffen oder um die Stationierung von Raketen, die kurz vor
der Zündung standen. Stets war der Held zur Stelle; denn es
galt, den gegenläufigen Tendenzen des Kapitalismus den Garaus
zu machen.
So konnte es niemanden verwunden, dass in Gestalt des Mister Bond
der Versuch gestartet wurde, eine gewisse Kanonbildung im Film zu
erreichen. Denn wer Action und Politik miteinander verbinden wollte,
der musste den ‚Staatsfeind Nr. 1’ dort schlagen, wo man ihn traf.
Bond beeinflusste diese Filmentwicklung, mit der versucht wurde,
alle politischen Ebenen zu durchschreiten, wie kein zweiter im Kino.
Selbst die Mittelstreckendiskussion, der NATO-Doppelbeschluss
von 1979, die entsprechende ‚Nachrüstung’, die sowjetische
Intervention in Afghanistan (1979), der Beginn des Baus der
Neutronenbombe, den US-Präsident Ronald REAGAN 1981
verkündete, sowie die Pläne, den Atomkrieg in den Weltraum zu
verlagern (SDI-Programm 1985), konnten nicht verhindern, dass
James Bond direkt oder indirekt in die Auseinandersetzungen und
Darstellungen von Gewalt, Bedrohung, Angst und Katastrophenszenario
verstrickt war. Bond war erhaben. Über alle Schranken hinweg, hat
sich sein Mythos nicht von ungefähr bis heute gehalten.
Die brutalen Gewaltorgien, die mit dem für Bond typischen Wortwitz
unterlegt waren, machten klar, dass nur ein unbesiegbarer
Superhelden die Welt wieder ins Lot bringen könnte.
Merkwürdig und anachronistisch überholt erschien er immer wieder
auf der Filmoberfläche. Und bis in die jüngste Zeit hinein galt
er sozusagen in vielerlei Hinsicht als Vorbild, wenn auch seine
gesellschaftliche Wirkung zu Beginn des 21. Jahrhunderts
mehr und mehr abnimmt.

Nun sind im Film keineswegs die Bösewichte für alle Zeiten
gestraft. Und die Helden sind weiter aus Kurs. Die Superhelden-
Zentrierung darf somit nicht isoliert betrachtet bei Bond stehen
bleiben.
Die schematisch-gleichbleibende Weltperspektive ist den
Filmen, die sich mit politischen Inhalten beschäftigen eigen.
Zusätzlich haben sie das Manko, als politischer Actionsfilm
auftreten zu wollen, obwohl das im Kern nicht stimmig ist, weil
der politische Film kein Actionsdrama als solcher ist, sondern nur
dazu dient, ihm eine zusätzliche Faszination zu verleihen.
Im Sieg des Guten über das Böse scheint immer noch das
Gute zu triumphieren, obwohl die Welt zwei gleichrangige
Gegenüber besitzt.
Im Kontrast zu den unterschiedlichen Wertesystemen
garantiert der Allmachtstraum des Helden unverändert
das Ideal mit einem filmisch hohen Actionsanteil, selbst wenn
die Realitätsferne für jedermann offensichtlich ist.
Chauvinismus, Brutalität, Draufgängertum und
Unwiderstehlichkeit bilden ein gewisses Ganzes, das wohl für
alle Kinozeiten unumstößlich ist. Sollte man daran rütteln
wollen, würden diese elementaren Bestandteile des
Kinos sich wie von selbst auflösen.

Im „Anschlag“ ist die gewalttätige und brutale vermeintliche
Realität einmal mehr auf die Spitze getrieben.
Ob sie zur tragischen Wirklichkeit werden könnte, sei dahingestellt.
Eine terroristische Vereinigung plant hier während des
US-Super Bowl eine nukleare Bombe zu zünden. Der Anschlag
soll den Russen in die Schuhe geschoben werden.
Wieder einmal werden die alten Klischees bemüht, die
Bipolarität von Gut und Böse, die sich etabliert.
Ein unerfahrener CIA-Analyst Jack Ryan (Ben AFFLECK)
soll die Zündung der Bombe verhindern.
Im Unterschied zu Bond erscheint diese Geschichte nur aus
dem subjektiven Blickwinkel interessant. Die Wirklichkeit ist
nicht annähernd exemplarisch aufbereitet wie in den Bond-Filmen.
Man nimmt von der russischen Politik keinerlei Notiz.
Während Bond mehr im Geheimauftrag Diversantentätigkeiten
auf seine Fahnen schrieb, sitzt Jack Ryan eines Tages in
Begleitung des CIA-Direktors im Flugzeug, um todernst
in der Sowjetunion die neuen Machthaber in Augenschein zu
nehmen.
Bei dieser Gelegenheit stattet die US-Delegation einer russischen
Bombenfabrik eine Stippvisite ab. Hier fallen Ryan Fehler dreier
Atomtechniker auf.
„Der Anschlag“, eine Bond-Episode?
Wenn auch konträr angelegt, so lassen sich doch Gemeinsamkeiten,
feststellen. Das gesamte Auftreten von Ryan, die Recherchen,
Gestik und Mimik und selbst seine Beobachtungsgabe soll
bald dazu beitragen, das Überleben der Menschheit in letzter
Sekunde zu sichern.
Auch die abwesenden Bösewichte sind anderswo im Privatauftrag
damit beschäftigt, die Aktivierung des Sprengkopfes einzuleiten,
die Russen und Amerikaner in den Dritten Weltkrieg führen
könnten.
Eine eigentliche Revision des Bond-Mythos, wenn man davon
sprechen sollte, wird nicht eingeleitet.
Nun kann sich der Held Ryan profilieren.

Die Erzählkonvention, die nun folgt, ist trivial.
In dem Bemühen, dem Publikum im Spiel um die Zeit Aufmerksamkeit
abzuverlangen, lassen die weiteren Ereignisse erahnen, dass die
Einbindung in den Bond-Kontext, die Welt zu retten, konventionell
und albern ist.
Die Welt der sechziger Jahre ist in diesem speziellen Angebot
nichts anderes als ein Spionagethriller aus dem Reich des
Kalten Krieges, der unverhohlen mit den Ängsten der Menschen
spielt. In Zeiten selbstzerstörerischer Aktionen von Terroristen,
Attentaten mit ‚schmutzigen Bomben’, Nukleardrohungen und
weltweiter Barbarisierung, lässt dieser Film Ängste Gestalt
annehmen. Wenn die Bombe gezündet wird, dann ist dieses
Inferno kühl berechnend.
Bei „James Bond jagt Dr. No“ (Regie: Terrence YOUNG, 1962)
war es Doktor No der amerikanische Raketen durch fehlgesteuerte
Wellen umlenken und sie über Wohngebiete explodieren
lassen wollte, um dadurch die Welt in ein Chaos zu stürzen
Nun wird mit der Drohung Ernst gemacht. Die Bombe frisst sich
wie ein Flächenbrand durch die zugespitzte Handlung.
In diese sind auch die undurchsichtigen Geheimdienste der
ehemaligen Blockmächte involviert.
Mit der Hand am Zünder spielen sie immer noch eine mehr als
undurchsichtige Rolle im weltweiten nuklearen Spiel.
Hier entwickelt der Film, der nach dem 11. September 2001 entstand,
eine schauriges Szenario.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir am Abgrund leben.
Dass aber filmisch jedes Szenario noch mehr aufbereitet
werden muss, die Auswirkungen der Detonationen in hellen und
grellen Farben erscheinen, der Fallout suggeriert, dass die
tödliche Bedrohung bereits unterwegs ist, und dies alles
genüsslich ausgemalt wird, ist geschmacklos und muss
demoralisierend wirken.
Allerdings ist es denkbar, „dass jemand auf dem Bahnhof
In New York einen Koffer mit einer Atombombe aufgibt.“
(Carl Friedrich von WEIZSÄCKER)

Fazit: „Die Atombombe wird erst dann unmöglich,
wenn Gewalt unter dem Recht steht... Wir lassen uns
allzu leicht verführen durch das Quantitative.
Eine Niedertracht, durch die ein einzelner zutode
gequält wird, ist qualitativ das gleiche, als wenn es
Millionen geschieht.
Solange wir die quantitativ scheinbar geringere
Niedertracht vergessen oder als geringfügig behandeln,
werden wir dem quantitativ Ungeheuren im Grunde
widerstandslos verfallen.“ (Karl Jaspers)

Dietmar Kesten 12.2.05 14:34