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Stirb an einem anderen Tag

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Stirb an einem anderen Tag Johannes Miesen 30.11.02 15:18

Wenn man sich einen James Bond-Film ansieht, sollte man eigentlich wissen, was man zu erwarten hat. Hübsche Frauen, schnelle Autos und technische Spielzeuge machen den smarten britischen Agenten aus. Das war immer so und das wird sicher auch immer so bleiben. Leider haben sich die Macher auf jene drei Punkte beschränkt und eine 120 Minuten lange Explosionsszene geschaffen, in der Bond durch computeranimierte Wellen surft und in einem unsichtbaren Aston Martin Jagd auf einen genmanipulierten Nordkoreaner macht. Herzlichen Glückwunsch! Tatsächlich ist es traurig, was der Zuschauer in „Stirb an einem anderen Tag“ vorgesetzt bekommt, denn wenn dies der neue Bond sein soll, dann hätte man ihn ehrlich gesagt lieber vor langer, langer Zeit sterben lassen sollen.

Das Debakel beginnt eigentlich schon mit der legendären Einführungssequenz. Wenn James Bond hier den Abzug betätigt, färbt sich nicht mehr nur die Leinwand rot, nein dem Zuschauer fliegt nun sogar eine computeranimierte Kugel entgegen. Eine Neuerung, die man eigentlich unbeachtet lassen könnte. Leider ist sie aber eine Vorausdeutung auf all das, was den Zuschauer noch erwartet, nämlich eine gnadenlose Vernichtung von all dem, was uns am britischen Geheimagenten so sehr fasziniert.
In der ersten Szene des Films erreicht Bond durch meterhohe Wellen auf einem Surfbrett die nordkoreanische Küste, wo er schließlich gefangen genommen wird und 14 Monate in einem Kerker wartet, bis er glücklicherweise freigelassen wird. Mit diesem Vorspann ist der Mythos eigentlich schon zerstört. Die sagenhafte Unbesiegbarkeit des 007 wird auf einen Schlag weggewischt und Bond und Surfen, das passt so gut zusammen wie Wodka-Martini und Triple X. Früher spielte Bond Golf, Polo oder ging ins Casino. Heute ist er als Beachboy in Nordkorea unterwegs, eine traurige Entwicklung.
Ich verzichte an dieser Stelle darauf, den weiteren Handlungsverlauf zu schildern. Um einen Gesamteindruck von „Stirb an einem anderen Tag“ zu bekommen, braucht man sich eigentlich nur den Trailer anzuschauen. Ob Film oder Trailer, was übrig bleibt, ist ein einziger Feuerball mit dummen Sprüchen. Viel lieber widme ich mich der Frage, warum der neue Bond auf ganzer Linie scheitert, sei es nun als Bond- oder als Unterhaltungsfilm. Die Gründe hierfür sind so zahlreich, dass man eigentlich gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Beginnen wir mit dem quasi nicht existierenden Drehbuch. Der Film besitzt im Endeffekt keine Erzählstruktur, es gibt keine Spannungskurve, es gibt keinen Höhepunkt, also absolut nichts was irgendwie im Entferntesten Spannung erzeugen könnte. Was die Besetzung betrifft, so kann man ebenfalls nur mit dem Kopf schütteln. Natürlich stellt Brosnan äußerlich einen perfekten Bond dar, doch was er schauspielerisch in seinem 4.Abenteuer abliefert ist einfach nur traurig. Brosnan spielt 007 durchgehend mit solch strenger Miene, als wolle er aller Welt zeigen, dass er eben nicht nur Remington Steele, sondern eben auch James Bond sein kann. Die Ironie an der Sache ist allerdings, dass er ein ungleich besserer Bond wäre, wenn er die Rolle so spielen würde wie Remington Steele. Er schafft es nicht ein einziges Mal, seiner Figur ein wenig Witz oder vor allem Charme einzuhauchen. Der Bonddarsteller, der diese Kunst wohl am besten beherrscht hat, war Roger Moore. Seine Ironie und Überlegenheit werden wohl für immer unerreicht bleiben, ganz zu schweigen von seinen absolut genialen One-Linern. Letztere sind im neuesten Streifen übrigens auf allerunterstes Niveau abgerutscht. Platter geht es wirklich nicht mehr. Um das Debakel schließlich abzurunden, passt sich Halle Berry, noch vor kurzem mit dem Oscar als beste Schauspielerin ausgezeichnet, nahtlos dem Niveau des Films an. Ihr Auftritt als amerikanische Top-Agentin, die Bond den Sex seines Lebens beschert, und ihm nebenbei mehrfach das Leben rettet, ist nicht nur unglaubwürdig, sondern einfach nur noch höchst peinlich. Hinter der Kamera stand diesmal Lee Tamahori. Der Neuseeländer hat mit „The Edge“ erst kürzlich einen hervorragenden Abenteuerfilm gedreht und nach eigener Aussage, ist „Liebesgrüße aus Moskau“ sein Lieblingsbondfilm, die Effektfeuerwerke mit Roger Moore hätten ihm dagegen weniger gefallen. Eine Aussage, die man so eigentlich unterschreiben könnte. Schaut man sich danach allerdings Tamahoris fertiges Meisterwerk an, muss man sich wirklich fragen, ob er diese Aussage denn tatsächlich jemals gemacht hat. Kein Film der Bond-Reihe ist vom Charme des zweiten Abenteuers mit Sean Connery soweit entfernt wie das Effektfeuerwerk „Stirb an einem anderen Tag“. Wahrscheinlich liegt die Schuld daran aber gar nicht beim Regisseur, sondern vielmehr bei den Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson. Mit dem Ausscheiden von Albert Broccoli, haben sich die beiden drauf und dran gemacht, das Image von 007 zu modernisieren. Die Figur James Bond sollte realistischer werden, allerdings nicht auf Handlungs-, sondern auf emotionaler Ebene. Meiner Meinung nach, ein Widerspruch in sich. Bond sollte menschlicher werden und anfangen an seiner Arbeit zu zweifeln, gleichzeitig aber ohne Fallschirm einem abstürzendem Flugzeug hinterher springen. Das kann so einfach nicht zusammenpassen. Entweder man zeigt das Bild eines realistischen Geheimagenten ohne viel Glanz und Glamour, oder man macht eben einen James Bond-Film. Zu letzterem gehört ein Held, der weder verwundbar, noch realistisch erscheinen muss. Im Gegenteil, die Faszination von Bond liegt in seiner Überlegenheit begründet. Bond ist immer und jederzeit Herr der Lage. Er beherrscht seine Gegenspieler ebenso wie seine Frauen, die ihm reihenweise zu Füßen liegen, er hat die Lizenz zum Töten und raucht zwei Schachteln Zigaretten am Tag. Natürlich ist eine solche Person heutzutage in Zeiten der political correctness und Gleichberechtigung unvorstellbar, aber James Bond war schon immer mehr Mythos als Realität. Es gibt genau eine Stelle in „Stirb an einem andern Tag“, die genau das dokumentiert. Es ist die mit Abstand beste und lustigste Szene des Films, die einzige, in der Brosnan den Hauch von Charme versprüht. Es ist jene Szene, in der sich Moneypenny und James Bond zum ersten Mal wirklich näher kommen. Vielleicht ist es ja Ironie des Schicksals, dass genau jene Szene eine Traumsequenz ist, und eben nicht Realität. Anscheinend ist der James Bond, den wir alle so sehr mögen, tatsächlich schon vor langer, langer Zeit gestorben.

Zu Beginn dieses Artikels habe ich gefragt, was man von einem Bond-Film erwartet. Sicher, es sind die hübschen Frauen, es sind die technischen Spielzeuge und auch ganz sicher die schnellen Autos. Doch zum Abschluss frage ich noch einmal. Was fasziniert uns tatsächlich an James Bond? Die Antwort: Sein tadelloses Auftreten, sein unvergleichlicher Charme und seine einzigartige Überlegenheit. Nichts davon besitzt „Stirb an einem anderen Tag“ auch nur im Ansatz.

Johannes Miesen

Johannes Miesen 30.11.02 15:18