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The One

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Im Banne der Paralleluniversen Dietmar Kesten 27.7.04 16:11

THE ONE

IM BANNE DER PARALLELUNIVERSEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, DEZEMBER 2002.

In "Einsteins Traum. Expeditionen an die Grenzen der Raumzeit" (1993), "Eine kurze Geschichte der Zeit" (1998) und "Raum und Zeit" (1998), ging der Kosmologe und Astrophysiker Stephen HAWKING davon aus, dass es rückläufige Verbindungen im Raum-Zeit-Kontinuum gibt –sogenannte Wurmlöcher. Die Gesetze der Physik sind demnach zeitsymmetrisch. ‚Schwarze Löcher’ z. B., in die Dinge hineinfallen und aus denen nichts entkommen kann, würden sich mit ‚Weißen Löchern’, aus denen diese Dinge wieder entweichen, verbinden, und so könnte man theoretisch eine Verbindung herstellen. Würde ein Mensch durch solche Wurmlöcher in der Zeit rückwärts reisen (nach Albert EINSTEIN ist dieser Raum vierdimensional, die er als sog. Raumzeit bezeichnet hatte), käme er allerdings nicht in seiner eigenen Vergangenheit an, sondern in jener eines Paralleluniversums, wo er dann auf seinen imaginären Doppelgänger treffen würde, quasi einer Inkarnation seiner selbst.

THE ONE nimmt diese Theorie auf und knüpft damit an zahlreiche Sci-Fi-Thriller ("Final Destination", "The Others", "The Matrix", "Akte-X") an. Energie im Universum verschwindet nie, behauptete EINSTEIN, sie wechselt nur in anderer Form. Und so befördert sich Jet Li, der den Bösewicht Yu Law verkörpert, selbst ins Jenseits, und führt dort als ‚Kopie’ ein anderes Leben. Ständig ist Jet Li auf der Flucht, vor den Reihen der polizeilichen Übermacht, vor den Agenten Roedecker (Delroy Lindo) und Funsch (Jason Statham), den Spezialisten des MBI, die die Energieströme der Wurmlöcher manipulieren, durch das Yu Law zu entkommen versucht. So endet seine ‚Zeitreise’ inmitten eines MBI-Gebäudes. 123 Menschen hat er in 123 Paralleluniversen auf dem Gewissen inklusive aller Doppelgänger, und hat durch diese Morde die gesamte Lebensenergie aus allen Universen in sich vereinigt.
Das ist spannend gemacht. Und dieser Quantensprung hat es in sich. Die Highspeed-Aufnahmen sind beeindruckend, die Videosequenzen sehr sehenswert und die computerisierten ‚Wurmlöcher’ mit dem zerfließen alles zeitlichen und menschlichen sehr mitreißend. Wenn Yu Law sich einfach auflöst, auf seltsame Art und Weise in kleinen Stücken entschwindet, dann staunt man einfach über die gelungenen Schnitte.

Wie in "THE MATRIX" brennt hinter der Schiebewand der Himmel. Und die Energiequellen, die in den Paralleluniversen die eigene und andere Welten als Traumwelt oder als Realität erscheinen lassen, passen sich dem heutigen Blendwerk der Science Fiction im Film an.
Überhaupt ist diese in "THE ONE" zu einer einzigartigen Energiemaschine geworden. Sie lebt nur noch von Spezialeffekten. Wenn auch Der Film manipulierte Energiemengen in einem aberwitzigen Spiel dazu benutzt, sich in halluzinierte Welten emporzuschwingen, in denen mühelos ‚Geist und Körper’ verschwinden und sich wieder vereinigen, so werden die guten Ansätze durch durch plumpe Actionseinlagen in das Gegenteil verkehrt. Alle Charaktere bleiben platt und steril. Die Spannung, die "THE ONE" durch die Vorgaben der modernen Kosmologie zu Anfang erzeugen kann, hält er nicht durch, und verkümmert letztlich zu einer martialischen Schlacht zwischen Yu Law und seinem Doppelgänger.

Wer "THE MATRIX" gesehen hat, dem kann man "THE ONE" nicht empfehlen. Natürlich versucht auch Jet Li ("Kiss of The Dragon")permanent die Schwerkraft außer Gefecht zu setzen und entgeht so mühelos Gewehrsalven und fängt die Irrationalität durch Karateschläge ab. Doch so kommt er an "THE MATRIX" nicht heran, und verkümmert in einer Blase, in der Plan, Handlung und Ausführung in einem Aufguss ohne Differenzierungen abgehandelt wird.
"THE ONE" ist dort beeindruckend, wo er Paralleluniversen und Multiuniversen in einem Handlungsstrang versucht zu verbinden, und sich mit der Frage der Raum-Zeit und den Theorien über sie zu beschäftigen. Nach dem Kinogang ist niemand erleuchtet. Der Film hinterlässt viele Bilder, Mythen, philosophische Ungereimtheiten, Weltfluchten, Geschichten, Figuren und Schein-(Realitäten). "THE MATRIX" entwarf eine Vision von virtuellen und computerisierten Welten, in deren Mitte die Megamaschine Mensch steht und ihn in ein komplexes Aktivitätsmuster als überzeitliche Energiemaschine darstellte.

Fazit:Bei "THE ONE" hatte ich eher den Eindruck, als ob sich seine Inkarnation nur in einer reinen Weltenspringerei, die mit hübschen Karateeinlagen garniert ist, auflöst.

Dietmar Kesten 27.7.04 16:11