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Alien - Director's Cut

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Schluss mit Lustig- Alien 3 Dietmar Kesten 30.6.04 17:12

ALIEN 3

VORBEI MIT LUSTIG: DAS ENDE EINER MONSTER-SAGA

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 29. JUNI 2004.

Viele Filmkritiker sind von einer Sucht besessen, die aus vielen
Gründen tragisch enden mag: sie interpretieren Filme frei nach
Karl KRAUS: „Der Gedankenlose denkt, man habe nur dann
einen Gedanken, wenn man ihn hat und in Worte kleidet.
Er versteht nicht, dass in Wahrheit nur der ihn hat, der das Wort
hat, in das der Gedanke hineinwächst.“
Bei „Alien“ schien das einmal mehr zuzutreffen. Was in den Film
nicht alles hineininterpretiert wurde, in Worte gefasst und nicht
in Gedanken gekleidet, kann hier nicht wiedergegeben werden.
Zu riesig wären die filmischen Abfallberge, die man hier
bewältigen müsste.
Da Filmkritiker das aber für ihren Job halten, müssen sie so tun,
als verstehen sie etwas von Filmkritik, müssen so tun, als wären
sie objektiv und subjektiv über alle anderen Kritiken und Kritiker
erhaben.

Eine besondere Fundgrube für hintergründige Interpretationen
lieferte der Weltraummonsterschocker des amerikanischen
Lichtspieltheaters, das „Alien“.
An dieser Entwicklung hatte Ridley SCOTT, der 1979 aus einer
eher altbackenen und dünnen Gruselgeschichte einen
Science-Fiction-Horrorfilm bastelte, einen wesentlichen Anteil.
Das Drehbuch zu „Alien - Das unheimliche Wesen aus einer
anderen Welt“ sah zunächst den heldenhaften
Monsterkiller, einen Mann, vor. SCOTT schrieb das Drehbuch
um. Und so kam Ellen Ripley (Sigourney WEAVER) zum
Einsatz.
Worum ging es bei dieser Story?
Ein Notrufsignal weckt die Besatzung eines Raumschiffs aus
ihrem Kälteschlaf. Bei der Suche nach der Ursache für das
Signal wird ein Besatzungsmitglied von einem fremdartigen
Monster überfallen, das nach und nach die ganze Mannschaft
vernichtet und als unvermeidbares Unheil die Erde ansteuert.
Nur eine junge Frau kann sich zur Wehr setzen.

Der Widerstand gegen diesen Film, der als Bedrohung durch
ein außerirdisches Lebewesen vermeintliche sexualpsychologische
Akzente setzte, ließ nicht lange auf sich warten.
Vor allem Feministinnen gingen auf die Barrikaden und
interpretierten den Film als „ekelig“; denn die Tatsache,
dass das „Alien“ zur Befruchtung seinen Rüssel nur in den
Mund des Probanden einzuführen brauchte, war
„bestialisch und grausam“ zugleich. Die platzende Bauchdecke,
aus der ein neues Monster zum Vorschein kam, rief den
Streit um eine natürliche Geburt vers. Kaiserschnitt hervor.
Viele Kritiker waren sich dann zumindest auch darin einig,
dass der Film von Schwangerschaftsängsten, deren
Überwindung und dem Mut der Fürsorgepflichtigen handelt,
Kinder zu behüten und zu beschützen.

1986 kam mit „Alien - Die Rückkehr“ eine Fortsetzung in die
Kinos.
Kein geringerer als James CAMERON inszenierte das
Schleimviech-Schockereignis.
In dieser Folge musste Ellen Ripley erste Mutter werden, bevor
sie stark und hart wie Krupp-Stahl werden konnte, dass selbst
Rambo oder der Terminator sie nicht aufhalten vermochte.
Massenschlachtungen von bestialischer Grausamkeit waren an
der Tagesordnung. Und niemand brauchte sich hier
Rechenschaft ablegen; denn bereits diese Folgen sollten als
SF-Horrormeilensteine in die Filmgeschichte eingehen.
Selbst „Der Spiegel“ meinte damals filmisch auf der Höhe der
Zeit zu sein.
Hielt der Rezensent es doch für möglich, dass das alles
„ein Stück amerikanischer Zeitgeschichte sei“. (Der Spiegel,
zitiert nach TAZ vom 3. 9. 1992).
Teil eins sei ein Beispiel für „funktionstüchtige High-Tech-
Sphäre“, Teil zwei solle die „Reagan Ära widerspiegeln“ und
„Alien 3“ erscheint als „apokalyptische Parabel auf das
Amerika des zweiten Jahrtausends“. (ebd.)
Was sich dann hier hervortat, gehörte zu jenen
Fehlleistungen, die als Legende über diese Saga bis
heute (leider!) Bestand haben.

„Alien 3“ sollte bereits zu Ostern 1990 in die Kinos
kommen.
Zunächst war für den Film der Finne Renny HARLIN
vorgesehen, William GIBSON sollte das Drehbuch
schreiben. Schließlich bekam David FINCHER den
Zuschlag.
Man sah in dieser Folge WEAVER mit einem
Sinead O’CONNER Haarschnitt und ihr weinerliches
Auftreten erinnerte auch sofort an „Nothing compares
To you“.
Die Geschichte war langweilig und obwohl auch diesmal
weltweit gelobt, muss man sagen, dass es eine richtige
Story nicht gab.
Ripley wurde auf einen Gefängnisplaneten gebracht, wo
sie sich auch mit Vergewaltigern und Mördern
auseinander zusetzen hatte. Der Film verlor sich überdies
in religiös verbrämte Metaphorik und die schicksalhafte
Verbindung mit dem Monster wirkte eher peinlich.
Sigourney WAEVER, die nun einen kahlrasierten Kopf hatte,
war hier Typusexemplar einer melancholischen
Skulptur. Ihr verweinerliches Auftreten schwankte immer
an der Grenze von Tragik und Komik.
Sie war hysterisch, unglücklich, widernatürlich, wurzellos,
grotesk bis pathologisch
Und FINCHER trat mit angesoffenen Dialogen, einer Mischung
aus Allmachtswahn und hilfloser Liebe auf den Plan, so als ob
er sich nicht wirklich mit den vielgesprochenen Texten
identifizieren konnte.

Die Kulissen waren grau, schwarz, das Outfit der Darsteller
bestand aus einem abartigen Braunton.
Die Kamerafahrten waren unansehnlich. Sie sollten zwar
Tempo und Dramatik suggerieren, brachten aber nur
blinkendes Geflacker, das man in den dunklen Ecken alter
Kirchen findet, wo die Gläubigen ihren Toten ein
Lichtlein aufstecken.
Davon wurde in „Alien 3“ niemand lebendig.
Hier bewegte sich bis auf die Langeweile, die bis zum Ende
anhielt, nichts.
Stagnation war angesagt. Und das Gruselkabinett stolperte
unwiderruflich von einer Verlegenheit in die andere.
Und wenn der Schleimtropf einmal durchs Bild huschte,
mordete, oder Ripley schwängerte, ist das dermaßen schlecht
ins Licht gesetzt, dass es schon dreist war, den Film als
Kunst zu bezeichnen, oder dem Film zu bescheinigen:
„In düsteren Kulissen stellt der Film die Frage nach den
Überlebenschancen der Menschen.“ (Lexikon des
Internationalen Films, Frankfurt/M. 2002, Bd. A-G, S. 69)
Der Schluss war nur noch eine kitschige
Selbstheuchelei und war ohne wenn und aber von
„Terminator 2“ abgekupfert.

Fazit: Die Mega-Monster-Saga war seit dem ersten Teil
symbolisch überfrachtet.
Der Versuch, dieser Serie eine sozialpolitische oder
gesellschaftliche Komponente abzuringen, kann getrost
als gescheitert angesehen werden.
Sie hatte weder etwas mit Kult oder einer Genre-Neuentdeckung,
dem SF-Horrorfilm, zu tun.
„Alien 3“ zielte einfach darauf ab, die Konjunktur des
Horrorgenres, das vom Aussterben bedroht war,
neu zu beleben und/oder sogar zeitgemäß zu interpretieren
zu wollen.
Doch niemand konnte sich mit dem Film sprichwörtlich aus
dem Hollywood-Sumpf befreien: die Regisseure nicht,
die Schauspieler nicht, die Drehbücher nicht.
Es blieben schmutzige, aufgeschlitzte und verstümmelte
Trivialitäten über.

Dietmar Kesten 30.6.04 17:12