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Die 120 Tage von Sodom [WA]

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Perversion und Disziplin nienna 25.4.05 19:21

Die Langsamkeit, der artifizielle Gestus, mit dem Pasolini die Verkehrung von Normen und Werten Bild für Bild vorbereitet und durchführt, strahlen eine Faszination aus, die Schuldgefühle unvermeidlich macht. Hier gibt es keine Grenzen von Ekel und Anstößigkeit, der Zuschauer hat keine Möglichkeit, erschüttert Abstand zu nehmen, denn er tappt in jene uralte Falle, die Faschismen, die die Institution Gewalt schlechthin so schwer entrinnbar macht: Das Grauen kleidet sich in derart zivilisiert und reglementiert erscheinende Rituale und Zeremonien, hat solch spielerische Facetten, dass hochprozentigste Macht destilliert werden kann - die sozio-politischen und psychologischen Mechanismen des Totalitarismus finde ich in keinem anderen Film dermaßen eindrucksvoll offengelegt. Und bei allen Pathologien, bei allen Unmenschlichkeiten und Monstrositäten, denen die Szenerien Raum geben, wird der Inhalt stets von der strengen symmetrischen Form gebrochen: Manche Bilder wirken freskenhaft, das Diner, bei dem Exremente serviert werden, kommt wie ein pervertiertes letztes Abendmahl daher. Und dieses künstlerische Kalkül, diese Gefangennahme durch den klaren Rhythmus der Aufnahmen ist die eigentliche Leistung Pasolinis, der mit diesem Film sein Vermächtnis vertieft und bereichert: Bald nach der Erstaufführung 1975 wurde er auf offener Straße erschossen...

nienna 25.4.05 19:21