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Dreamcatcher

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SCHOCKER FÜR DAS UNTERBEWUSSTSEIN Dietmar Kesten 4.9.04 14:38

DREAMCHATCHER VERSUS DÜSTERE LEGENDEN

HOORORSCHOCKER FÜR DAS UNTERBEWUßTSEIN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 4. SEPTEMBER 2004.

Es fällt in der Tat schwer, den Gedankengängen
der Horrorschocker zu folgen. Bei diesen Filmen lebt
die hier vorgetragene Paranoia im Unterbewusstsein
weiter fort.
Die dargestellte Apokalypse greift daher, um den
irrationalen Urelementen noch mehr Nahrung zu
verschaffen, auf einen simplen Trick zurück: wenn
Führertum und Gewalt fast aussichtslos erscheinen, seine
Gedanken sich abgelebt haben, tritt die gewaltige Sinngebung
ein, die Rückentwicklung zur Bedrohung, zur Leiderfahrung
und Traumatisierung.
Die Schreckensfratzen, ihre Wiederkunft und die Darstellung
der Totenbilder durchschreiten die totale Dunkelheit, alle
Untiefen- quasi übersinnlich-metapherhaft.
Sinnfluten, Feuersbrünste und Todesahnungen bedeuten hier
kein Rückzug, aber Befreiung von den unbequemen Elementen
der Gesellschaft.
Die objektive Funktion dieses Denkens ist klar: die Welt der
Menschen ist eine verkehrte Welt, auch wenn die
Horrorschocker sie verändern will, bleibt alles falsch; denn sie
muss gerettet werden.

Hatte schon „Dawn of the Dead“
(Regie: George A, ROMEREO, 1978, „Dawn of the Dead“,
Regie: Zack SNYDER, 2004) mit einer merkwürdigen
Decodierung der Sprache versucht, eine Revolte gegen die
Gesamtheit kultureller Konventionen zu starten, die allerdings
in der radikalen Überspanntheit des Konzepts gipfelte und
zum Scheitern führte, weil der geschichtslose Mythos
in der vollkommenen Illusion aufging und die Urheber der
Gefahr aufgesetzt und konstruiert anmuteten, so waren die
psychologischen Parallelitäten zu „Dreamcatcher“
(Regie: Lawrence KASDAN, 2003) und
„Düstere Legenden“ (Regie: Jamie BLANKS, 1998)
unübersehbar.
Die drohenden Katastrophen treten hier überraschend und
ohne Vorwarnung ein. Verhaltensregeln werden oktroyiert
und im Schmerz, der Vergnügen bereitet, macht sich ein
latenter Lustgewinn breit, der die Macht der Zerstörung
in sich vereint, miteinander verbindet und nach Möglichkeit
niemanden verschont.
Sündenböcke müssen gefunden werden.
Die Gewohnheit, Männer und Frauen abzuschlachten,
macht keinen Unterschied; denn es ist für die Täter
„köstlich“ unter diesen Verbrechen Menschen leiden zu
sehen.

In „Düstere Legenden“ (Regie Jamie BLANKS, 1999)
geht ein Mörder in einem amerikanischen College um.
Es gilt als die sicherste Schule des Landes. Doch ein
Psychopath „verändert" schlaglichtartig die heimische Ruhe
und knüpft bei seinen ekelerregenden Morden an eben jene
Urban Legend an, die sich vor langen Zeiten zugetragen haben.
Die Hinrichtung und das Quälen wird zum Genuss.
Für einige Augenblicke macht sich hier dieses Scheusal zu
Gott. Die ganze Erde wird auf einmal eine reine Wonne.
Kein einziges Wesen leistet ernsthaft Widerstand. Die Welt
wird verwüstet. Und aus der Möglichkeit, sich aller Verbrechen
dieser Welt zu bedienen, verhundertfachen sich die Greuel.
An seinem privaten Unglück und Misserfolg ist jeder selbst
schuld.
Dabei kommt es dem Horrorschocker nicht in den Sinn, darüber
zu reflektieren, dass gesellschaftliche Krisen und Katastrophen
das eigentliche Menetekel sind. Hier kann nie das Systems
selber der Fehler sein, sondern immer wieder hat irgend jemand
Fehler oder sogar Verbrechen begangen.
Der perverse Thrill ist der, dass sie den Menschen bei der Angst
packen, letztlich bei der Furcht, sich sozial zu isolieren und
ausgestoßen zu werden.
Daher ist der „Sündenbock“ schnell gefunden. Wenn es um die
„Reinigung der Seele“ geht, ist Mystifikation, Teufelsfilm,
Besessenheit und Triebabfuhr, seit „Rosemaries Baby“
(Regie: Roman POLANSKI, 1967) bekannt, der psychologische
Mechanismus, der wirkt.
Diese irrationalen Einstellungen belegen, dass er an das
tiefe psychotische Bewusstseins des Massenkonsums und
der Massenkultur anknüpft. Die kulturelle Industrie, die hier
für die lustvolle Untergangsstimmung sorgt, ist kollektive und
individuelle Neurose, sogar Massenpsychose, da der Alltag
voll von dieser Eintrübung ist
Das Dunkle an sich ist dort der gewaltige Schritt nach vorn,
der die kommenden Mysterien in den Schatten stellt.

In „Dreamcatcher“ treffen sich vier gealterte Jugendfreunde
zu einem Ausflug in ihre alte Lieblings Waldhütte.
Als sie dort eingeschneit werden, nehmen sie die Radiomeldungen
über seltsame Lichter am Himmel nicht weiter ernst, bis eine
Megafonstimme aus einem Hubschrauber die Gegend zum
Sperrgebiet erklärt.
Von einer geheimnisvollen Epidemie ist die Rede, und aus
der Ferne ertönen Schüsse, eine Explosion dröhnt durch
den Wald. Für die vier Freunde beginnt hier ein Albtraum,
der sie in die Vergangenheit führt, sogar bis an die Grenzen ihres
Vorstellungsvermögens.
In diesen simplen Prophezeiungen verfehlen die Blut- und Schockeffekte
trotz der billigen Machart nicht ihre eklige Wirkung.
Auch dieser Film führt uns auf die Spur seiner gesellschaftlichen
Funktion.
Im Wirkungszusammenhang der modernen Ware schließt.
sie privatistische Hoffnungen, Wünsche, und vor allem Ängste
der Menschen kurz.
Damit das System weiterfunktionieren kann, müssen sie hier
auf die gesellschaftliche Reproduktion zurückwirken.
Und sie erweisen sich somit als wichtiges Medium des Verblendungszusammenhangs, den die Bewusstseinsindustrie,
hier das Kino, produziert.
Insofern sie den Menschen eine Identität anbietet, in die sie
hineinschlüpfen kann, ist es egal, ob der Retter auf der Strecke
bleibt, oder als Sieger aus der konterkarierten „Willensfreiheit“
hervorgeht.
Hauptsache ist, dass immer Verursacher gefunden werden, die
sich der zugrundegehenden Moralität und den politischen
Wertvorstellungen des Staates anpassen.
Für den statischen Horrorschocker sind die Aufgaben klar
und deutlich abgesteckt: Fluch, Unglück, Tod, Intrige,
Mord, ungelöste Geheimnisse.
Davon haben „Düstere Legenden“ und Dreamcatcher“
viel. Sie rühren in vielfältiger Weise an die Gefühle von
Ohnmacht, Schwächen, physischen Handicaps und
psychischen Behinderungen, die sich aus der politischen
Vergangenheit, den aktuellen ökonomischen Erfahrungen,
und/ oder aus den aktuellen Gebrechen ergeben, die
sich insgesamt im Unterbewusstsein sedimentiert haben und
durch die faktische Ohnmacht der Protagonisten im Film aber
doch nur in der Warengesellschaft unablässig reproduziert
werden.

Die Kultgeschichte der Horrorschocker liefert die
Verhaltensschemata für eine kommende Entwicklung.
Hier haben Menschen kein Selbst mehr. Ihre Ideale versinken.
Die Entpersönlichung geht mit stetigem Schritt dem Abgrund
entgegen. Hier versinkt alles und löst sich alles auf.
Paranoide Projektionen und Persönlichkeitsstörungen münden in die
nackte Angst ein; denn ein Menschenleben bedeutet nun mal nichts.
Die Krisenangst bringt ihn um. Der „Retter“ wird unsterblich
gemacht, oder verschwindet, so wie er gekommen war.
Selbst dann, wenn man sich „angemessen“ verhält, schlägt der
Killer, der Mutant, der Bringer aus dem Jenseits zu.
Die Monster halten sich nicht an die individuelle Umkehr: sie
zerstören und morden schon beim ersten Auftauchen.
Auch von dieser Seite her wird die Produktion in Gang hält.
Der kriegerische Terminus ist: was zerstört wird, muss wieder
aufgebaut werden.
Daher gibt es diese Verdopplungen mit immer neuem Aufguss.
Es ist auch die Idee, jene Apokalypse aufrecht zu erhalten,
die sich aus dem Kino nicht mehr entfernen wird.

Wenn an „Dawn of the Dead” gedacht wird, dann ist es
die naive Welt der Ortlosen, die nur darauf wartet von den Zombies
mit dem Weltgeist des Kulturschubs erschlagen zu werden.
Offenbarer kann der Dilettantismus nicht sein. Er schlägt sich immer
dort nieder, wo er scheinbar auf den Schutz der Schwachen
verpflichtet ist damit er im Film siegt und dann wenigstens einige
gerettet werden. Nur der Verfolgungswahn nimmt kein Ende.
Wenn das Unheil naht, dann soll man nicht der Norm widersprechen;
Und überall sind satanische Kräfte am Werk, die eine zusätzliche
Quelle von Beunruhigungen und Ängsten hervorrufen: hier
ein entstelltes dämonisches Monster, dort als Teufel im Tier.
Hier als Weissagung, dort als rastlose Existenz.
Diese Welteroberung mit teuflischen Anlagen und Handlungen sind
in sich der Schlüssel zur Dunkelheit der Warenproduktion.
Die Formel der Horrorschocker ist Anfang und Endpunkt des
geisterhaften Echos der Mystik.

Fazit: Letztlich sind es die Untertöne der irrationalen kulturellen
Wüste, jene Hinterlassenschaften einer dekadenten Kulturindustrie,
die wir seit Jahrzehnten mit uns herumschleppen, der Tagtraum
einer Gesellschaft, in der Trend auch im Cinema größer und
größer wird, Mystik, SF, Apokalypse und Esoterik miteinander
zu vermengen und schleimig-surreal fortzusetzen.

Dietmar Kesten 4.9.04 14:38