filmz.de
Closed

Hero

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
BRILLANT Dietmar Kesten 23.1.06 16:17

HERO

BRILLANT

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 11. SEPTEMBER 2005.

Bevor Zhang YIMOU „ House of Flying Daggers“ (2005) drehte, setzte er sich mit “Hero” (2002) bereits ein Denkmal. Im Mittelpunkt des Films steht die Geschichte eines namenlosen Kriegers (Jet LI), der am Hof des Königs (Chen Dao MING) von Qin schildert, wie er drei gefährliche Feinde des Königs getötet hat.

Man hat dem Film nachgesagt, dass er in einem Farbenmeer versinken würde, dass seine gesamte Farbpalette eher störend wirkt, und dass sie den Film überfrachten würde. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. „Hero“ ist ein blitzendes Feuerwerk der Farbenprächtigkeit, die jede Szene ausleuchtet, eine Bilderorgie, traumhaft schön, fotografisch bestens inszeniert und beispielhaft für die unheimlichsten Metamorphosen. Zhang YIMOU entfaltet ein Kino des Sehens, aus dem sich perfekte Bilder herausschälen, die von unbestechlicher Ehrlichkeit sind.

„Hero“ ist wie eine Fotografie, die sich in artifizielle Höhen erhebt, und die im gleichen Moment wie eine Kamera wirkt, die den Figuren direkt in die Herzkammern blickt. Der Film ist eine Oper, eine Farbdramaturgie, ein Spiel mit Farben, Licht und Kontrasten, farbigen Traumlandschaften mit unbegrenzten Möglichkeiten, langsamen, sachten Veränderungen, dann wieder schnellen Schritts die Hügel stürmend. Mit einem Wort: das farbenprächtige Daherfliegen knistert ständig auf der
Leinwand. Und wenn vom Westen die dunklen Regenwolken anreisen, werden sie durch weiße Schneewolken, die vom Osten kommen, schnell vertrieben.

In der Mitte des Geschehens treffen sich die farbenprächtigen Wolkenzüge wieder.: Schwarz, Rot, Blau, Weiß, Grün, Gelb- ein einzigartiges Seherlebnis. Selbst trostlose Landschaften erstrahlen hier urplötzlich im stimmungsvollen Farbambiente. Doch es sind nicht nur die Farben, die die gesamte Aufmerksamkeit von „Hero“ verlangen; denn das Rad der Geschichte, dem sich auch Zhang YIMOU unterwirft, will weiter gedreht werden. Freiwillig oder unfreiwillig. Von Geschichte zu Geschichte, Drama zu Drama, Überraschung zu Überraschung.

Der Film ist daher auch ein Kinoereignis mit Schwertkämpfern, der Geliebten Moon (Zhang ZIYI), einem Herrscher, den Feinden des Königs, die hoch oben in den Baumwipfeln ein Feuerwerk von Gefühlen, Bewegung, archaischer Einfachheit und romantischem Ballett abbrennen. Man ahnt, dass dieses vollkommene Öffnen aller Sinne dem Zuseher ein wirkliches In - der - Welt - Sein, In - der - Nähe - Sein
vermittelt.

Das Drama ist ein Märchen, das alle Sinne aus den tiefsten Abgründen herausholt und in luftige Höhen der Leidenschaftlichkeit und der Sinnlichkeit emporhebt. Viele Legenden scheint es in „Hero“ zu geben, die sich alle bis auf die chinesische Reichsgründung im 3 Jahrhundert vor Christi zurückführen lassen. Eine drängt sich jedoch mit Beharrlichkeit auf: es geht um den Versuch einiger Attentäter, den Herrscher zu töten. Der Unbekannte spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Er kommt an den Hof des Königs und offeriert diesem, dass er seine gefährlichsten Feinde getötet hat. Als Beweis zeigt er die Waffen, die er ihnen abgenommen hat vor. Ihm scheint dafür eine Belohnung sicher, zu der auch die Gunst gehört, sich dem Machthaber bis auf zehn Schritte nähern zu dürfen. Der König verlangt eine detaillierte Schilderung der Abläufe der Kämpfe. Zhang YIMOU erzählt nun in Rückblenden immer andere Geschichten, die in sich verzahnt sind, wieder aufgehoben werden, verschachtelt, widersprüchlich, absurd, ergänzt, initiiert, zerrissen, gebrochen und sprießig sind. Immer neue Versionen, die er erzählt, konfrontieren den Zuschauer mit den Fragen: was ist Wahrheit, was Lüge, was ist authentisch, was ist greifbar und was ist letztlich von bleibendem Wert?

Das Geschehen in „Hero“ ist deshalb nicht so einfach zu entschlüsseln. Die zeitlosen Szenen, Parabeln, die ins Zeichenhafte übersetzt sind, dürften eher symbolisch darüber Auskunft geben, mit welchen Unberechenbarkeiten im Leben das Individuum
zu rechnen hat. Macht, Verrat, Liebe, Wahrheit, Unwahrheit, Selbstbehauptung, Selbstbewusstsein, Geborgenheit und Glück scheinen bei Zhang YIMOU hier im Mittelpunkt zu stehen.

Was man dem Staat schuldig ist, das möchte er nicht unbedingt beantwortet haben; denn dieser hat sich selbst ins Abseits gestellt. Wiewohl die Fabel jedoch auch viel über Widerstand aussagt, den Kampf mit sich selbst, und den Kämpfen, die da
Draußen ausgetragen werden. Zhang YIMOU lässt seine Helden fliegen. Atemberaubendes Kino! Die verhaltenen Martial - Arts - Kämpfe sind getragen von einer umwerfenden Schönheit. Sie sind bildgewaltig choreographiert. Und durch das Farbenspektrum bekommt alles einen dementsprechenden Anstrich. Masken, Kleidung, Ausstattung, die Szenarien- hier entstehenden Bilder von überragender Bedeutung für das Kino. Sie sind hier überschwänglich gezeichnet.

Jede Körperlichkeit der Darsteller verändert Zhang YIMOU auch durch die Farben. Das ist das entscheidende Quentchen der filmischen Veränderung: Rot für Leidenschaft und Liebe, Blau für die Entsagung und Romantik, Weiß für die Farbe der Trauer und Schwarz für den Tod, die auch am Anfang und am Ende des Films steht. Und Gelb für die Farbe des Herrschers. Sollte man von einer politischen Botschaft absehen wollen, dann bliebe das Plädoyer für ein menschliches Dasein ohne Anbiederung und Unterdrückung übrig.

Fazit:

Hero ist ein brillant erzähltes Meisterwerk voller Schönheit. Er konzentriert sich auf Gesten, auf Opulenz, auf die Leichtigkeit des Fliegens. Der Film ist ein prächtiger Farbentraum voller Bewegung und Anmut, handwerklich perfekt, ein einzigartige zeitlose Zauberei.

Dietmar Kesten 23.1.06 16:17