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September

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(3/10)
SEPTEMBER

DIE PARANOAI DES TERRORS - DER KRIEG UND DAS LEBEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 26. AUGUST 2003.

In Deutschland erleben vier Paare aus verschiedenen sozialökonomischen
Verhältnissen die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf völlig
unterschiedliche Weise.
Für alle ist aber dieses Datum die Zäsur schlechthin, eine Erschütterung,
die ihre Lebensrhythmen bestimmen- mit unterschiedlichen Konsequenzen.
Nach langjähriger Abstinenz legt Max FÄRBERBÖCK („Aimee und
Jaguar“ 1998, „Jenseits“ 2000) einen Episoden-Film vor, der versucht, durch
fiktionale Handlungsstränge die Reaktionen und Auswirkungen der politisch
motivierten Attentate auf den privaten Bereich zu beleuchten.

Seit den Anschlägen des 11. September lebt die Welt mit
der Willkür der politischen Herrschaft, der Unsicherheit der
Zukunft und der Heimtücke der Diktatoren und der Terroristen.
Kein Mensch kann den Gedanken an diese Willkürtaten verdrängen, es
sei denn, man schenkt den Verschwörungstheorien über den
11. September (1) glauben.
Die Ereignisse sind heute immer noch allgegenwärtig.
Und mit dieser Katastrophe, die bei vielen Menschen aus dem Gedächtnis
verbannt erscheint, beginnt der Film, und versucht die Erinnerung wach
zu halten.
Die Welt der Moderne mag sich keine transatlantische Reise mehr
in Sachen Frieden vorstellen können. Der Protest verstummt und die
traditionelle Suche nach den Pfaden zum Paradies endet im Zwang,
in der Unterordnung, im Streit und Verleumdungen.

Das ist unsere Art über den feigen Mordanschlag zu philosophieren.
Es spricht nicht für die Kühnheit des Geistes, dass er den Drang
hat, Wahrheiten vorzutragen, an die sich andere noch nicht
gewagt haben. Unser bedrängtes Gemüt sperrt sich gegen
die Idee, dem Terror mit der Souveränität des Geistes zu begegnen.
Der Terror als die übliche ‚Begleitmusik’ zum Leben. Ob wir
begriffen haben, dass mit ihm die negativen Veränderungen
eingetreten sind, die jetzt die Welt bestimmen?
Sie befindet sich in einem rapiden Wandel, und der
Krieg, der Mega-Terror, den der Terrorismus der ‚One World’ oktroyiert,
ist nicht vorbei, sondern hat gerade erst begonnen.

Angesichts des Terrors eilen wir mit mächtigen Schritten
durch die Geschichte und sehen deren Scherbenhaufen, unseren
Hochmut, und stellen am Ende doch fest, dass die gemeinsame
Anstrengung, ihn aus dem Leben zu verbannen, nur zu Fehlschlägen
geführt hat. Große und symbolische Katastrophen sind in der Geschichte
der Menschheit immer wieder Anlass zu einer Besinnung gewesen
Hier setzt der Film an. Er entwirft ein Spiegelbild unseres Denkens
und Fühlens.
Er ist ein Aufruf, dem Verdrängen, dem Vergessen in uns die Stirn
zu bieten, der Verzweifelung.
Es bleibt der am Alltag ausgerichtete Verstand, den Schmerz und den
Protest in sich hineinzufressen und die Unglaublichkeit zu begreifen.

„September“ ist jedoch kein politischer Film.
Dazu hätte es mehr der Hintergrundinformationen bedurft, dem klaren
Ziel einer Aussage. Diente er nur einem Alibi, dann hätte er seine
Funktion verloren.
FÄRBERBÖCK verzichtet wohl bewusst darauf; denn sonst wäre der
Verriss ziemlich deutlich ausgefallen.
Das Zeitfenster, dass er in seinem Episodenfilm öffnet, spiegelt aber
die eigentliche Menschheitsbedrohung wider, die sich zwar schon lange vor
diesem Ereignis ankündigte, doch mit seinen fatalen Auswirkungen
erst mit diesem Datum (11. 9.) die gesamte Welt erschütterte.
Die gigantischen Türme des WTC, die so friedlich in den
New Yorker Himmel ragten und auf einmal zerstört wurden,
gehören zu jenem Trauma, die die grausigen Perspektiven künftiger
politischer Unwägbarkeiten herauskristallisieren.
Die Fürsten des Terrors, die Gotteskrieger, Clan-Milizen und
Selbstmord-Attentäter haben einen Totalangriff auf die Nervenzentren
der Weltgesellschaft gewagt. Ihr Terror entspricht aber auch
spiegelbildlich dem Terror der Ökonomie, dem alles aufsaugenden
Moloch, der ebenso über Leichenberge geht wie der Staat der
Moderne.

Roland EMMERICH hatte einst mit „Independence Day“ (1996)
einen Vorgeschmack dessen geliefert, was einige Jahre später kein
Kinoereignis werden sollte.
„We came in peace“, die Tafelinschrift auf dem Mond, die
ARMSTRONG, ALDRIN und COLLINS hinterließen, lieferte
alles, was man im Kino darf- man muss nur den richtigen Vorwand
dafür finden.
Der moderne Terrorismus, der an diese Science-Fiction Story
erinnert, hat die nie überwundenen Gemetzel der Geschichte auf
einmal ins Gedächtnis zurückgerufen.
Die Welt gebiert täglich den Terror neu, und jedes zu Unrecht
geopferte Leben bleibt wie ein Schrei in der Geschichte zurück,
der nie verhallt, auch wenn wir ihn nicht hören wollen.

Es sind die Schreie, die untröstlich sind, die die Erinnerung
beschäftigen, Todesschreie derer, die sich aus den Fenstern
stürzten, Schreie der Qual, des Grauens, der Erlösung, der
Gemarterten und Gefolterten, Schreie des Entsetzens und des
nicht edenwollenden Leids.
Für die Nachwelt bleibt nur die Trauer, der Kampf gegen das
Vergessen und die Perspektive, dass die Wirbelstürme auch
wieder einmal in ruhiges Fahrwasser kommen könnten.
Doch damit werden wir sicherlich dem 11. September nicht gerecht.
Auch damit nicht, wenn man beginnt aufzurechnen und abzuziehen.
Zum Töten geboren, zum Schauen bestellt!

Die Welt ist eben anders geworden. Der moderne Staat gebiert
täglich jenen Terror neu, der die Welt mit seinem Krieg überzieht.
Ihn zu ächten, zu verdammen, das hätte eine Aufgabe des
Films sein können, die er nur unzugänglich wahrnimmt.
Die Erkenntnis, dass der biblische Feuerwagen des Elias,
Gewitterwolken gleich, sich über die Hauptstädten der Menschheit
ergießt, ist, so banal des klingen mag, Vorwarnung dessen, was
unabänderlich auf die Menschheit zukommen wird.
Er nimmt zu sehr erzählerische Formen an und ist eine
abstrakte Ergänzung zur kurzatmigen Betroffenheit.
„Alle meine Mittel sind vernünftig, nur mein Zweck ist wahnsinnig“
ließ MELVILLE einst „Moby Dick“ sagen.
Die Mordbuben, die im Königsgewand stolzieren, obwohl sie nur
Bettler sind, haben nichts vernünftiges an sich, nur
wahnsinniges!

Das Geheimnis ihrer Perversion ist die Unterordnung unter
ihr Kalkül der Herrschaft, der Despotie und der Diktatur.
Das als Lektion zu begreifen hat wichtigen Stellenwert bekommen.
„September“ reflektiert als filmisches Experiment betrachtet,
jene Zusammenhänge sicherlich sehr unzureichend.
Als Dokumentarfilm hätte er mit allen Vorurteilen brechen
können.
Es bleibt aber nicht die Botschaft „Gemeinsam sind wir stark“, die
heute mehr denn je abgenudelt ist. „September“ hinterlässt
viel Leere im Kopf, jenes Trauma der amerikanischen Seele,
dass seit Vietnam bekannt ist und sich in den Köpfen eingeprägt hat.
Der Film rast mit den Flugzeugen, die sich in die ‚Twin Towers’
bohren, dem Ende entgegen.
Das gibt keine Hoffnung. Aber irgendwann ist auch dieser Traum
vorbei.

„Die Wahrheit reicht manchmal nicht aus
Oder ist sie wie
Jetzt einfach zu viel
Werfen wir sie fort, denn in
Diesem Kuss
Ist sie zu finden,
im Herzschlag,
Haut an Haut
Lasst uns hinein
Ihr Lebenden, eh’
Die Toten uns
Zerreißen.“ (Bruce SPRENGSTEEN)

Anmerkungen:

(1) Vgl. etwa die Bücher von:

Andreas von Bülow: Die CIA und der 11. September. Internationaler
Terror und die Rolle der Geheimdienste.

Mathias Bröckers: Verschwörungen, Verschwörungstheorien
und die Geheimnisse des 11. 9.

Insgesamt kreisen die Verschwörungstheorien um den 11. September um
die Frage, ob nicht die US-amerikanische Version von den Terroranschlägen
in Zweifel zu ziehen ist und ob an dem Massaker nicht ebenso die CIA
wie auch der israelische Geheimdienst Mossad beteiligt gewesen sein
könnten.
An diesen Spekulation haben sich jüngst u. a. beteiligt: Gerhard Wisnewski
(Buchautor, u. a. "Das RAF-Phänomen“), der Geheimdienstexperte
Michael Opperskalski, Andreas von Bülow (Bundesminister und
Staatssekretär a. D.), Mathias Bröckers (ehemaliger TAZ-Redakteur und
Autor des Buches "11. 9."), der ehemalige RAF-Anwalt Horst Mahler.
Dietmar Kesten 21.12.03 12:27

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