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Standing in the Shadows of Motown

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(10/10)
STANDING IN THE SHADOWS OF MOTOWN

MUSIK IM BLUT

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 17. SEPTEMBER 2003.

Der Dokumentarfilmer Paul JUSTMAN hat einen Film über eine
Gruppe Detroiter Studiomusiker gemacht, die unter dem Namen
‚Funk Brothers’ den musikalischen Backbeat der Soulmusik
aus dem Hause ‚Motown Records’ bestimmt haben, ohne jemals
selbst in Erscheinung getreten zu sein, oder sich auf Platten oder
CD verewigt zu haben.
Sie komponierten gemeinsam mit ‚Stevie Wonder’, ‚The Temptations’
‚Diana Ross&The Supremes’, ‘Marvin Gaye’, oder den ‘Four Tops’, die
in den 60er und 70er Jahren zahlreiche Hit-Singles hatten.
Maßgeblich waren sie von Barry GORDON (auch Barry Gordy, d. Vf.)
und seinem Plattenlabel bestimmt.
Der Film beschäftigt sich mit einem Stück Musikhistorie und ist
eine Hommage an die vielen unbekannten Studiomusiker, die
bei Aufnahmen im Hintergrund agieren und auch auf der Bühne
den Musikern ihren charakteristischen Sound verleihen.

Der ‚Motown-Sound’ ist eine Mischung aus Vokalgruppe, Bläsern,
und Streichern, die mit der geglätteten Interpretation der Solisten
jene eigenartige Wiederholung von Motiven bringen, die für den
diesen Sound charakteristisch ist, der überdies für eine ganze Generation
Sinnbild und Ausdruck wurde. Die Songs begleiteten die amerikanische
Bürgerrechtsbewegung, den Protest gegen den Vietnamkrieg,
Martin-Luther KING und Ali.
Weniger bekannt ist z. B. dass diese Gruppe mehr Nr. 1 Hits hatte,
als Elvis, die Rolling Stones, die Beach Boys und die Beatles zusammen.
Unter Mitwirkung eben jener hochqualifizierten Studiomusiker
und Techniker konnte sich dieser Sound weltweit verbreiten.
Aus den ‚Motown-Studios’ stammten alleine 1966 36 von
100 US Hit-Singles.
Zwischen 1960-1970 landeten 357 von 535 ‚Motown-Singles’ in
den Popcharts.
Diese von simplen Harmonien und Melodien geprägten Hits, die mit
großer technischer Perfektion gespielt waren, werden für alle
Zeiten unvergesslich bleiben.

Die ‚Funk Brothers’ arbeiteten oft 22 Stunden am Tag und produzierten
fast stündlich einen Hit
An der Spitze standen ‚The Supremes’ und ihre Leadsängerin Diana ROSS.
Hits waren u. a. ‚You Keep Me Hanging’ On’, 1966, ‚Stop! In
The Name OF Love, 1965, der junge Stevie Wonder mit:
‚A Place In The Sun’, 1966, ‚I Was Made To Love Her’, 1967,
‘My Cherie Amour’, 1969, ‘I Was Made to Love Her’ 1967, oder auch
jene ‘Temptations’, deren Ohrwürmer ‚My Girl’, 1965,
‚You’re My Everything’, 1967, oder ‘Get Ready’, 1969 heute noch von
den Radiosendern gespielt werden.
Die ‚Funk Brothers’ waren sozusagen ein Hit-Schmiede. Ihr verdanken
auch die ‚Four Tops’ ihre musikalische Größe. Gerne erinnert man sich
an:‚I Can’t Help Myself’, 1965, ‚Reach Out ‚I’ll Be There’, 1966,
‚If I Were A Carpenter’, 1968 und viele andere.
Es sind jene Stücke, die gerade auch für den Detroiter Sound
bahnbrechend waren.

40 Jahre nach ihren ersten Aufnahmen für ‚Motown’ und 30 Jahre nach
ihrer Trennung kamen die lebenden ‚Funk Brothers’ noch einmal
zusammen: Eddie WILLIS, Joe MESSINA,, Johnny GRIFFITH,
Joe HUNTER, Bob BABBITT, Jack ASHFORD und Uriel JONES
trafen sich in Detroit, um Musik zu spielen und ihre Geschichte zu erzählen.
Dabei herausgekommen ist ein wunderbarer Musikfilm mit
exklusivem Material und bemerkenswerten Konzertaufnahmen.
In einer Art Rückblick, Zukunftsbeschwörung und Vermächtnis wird
in der Dokumentation jenem charmanten Verführungslied
ein musikalisches Denkmal gesetzt, dass aber auch an das kulturelle
Leben Amerikas zu dieser Zeit erinnert.
Der ‚Motown’ und der ‚Rock&Roll’ gehörten zu den musikalischen
Zäsuren.
Die sich anschließende Ära der Popmusik (vielleicht ab 1971!)
veränderte die Musikwelt durch eine totale Kommerzialisierung.
Bob DYLAN hatte später diese Veränderung in dem Song
‚Forever Young’(1973) verdeutlicht und beim Abschiedskonzert
seiner Begleitmusiker ‚The Band’ (1978) vorgetragen.

Der ‚Motown’ schuf die zeitüberschreitenden Projektionen und die
Soulmusik war ihr expressiv beseelter Stil.
Jener Rhythmus also, der zwar als typisch amerikanische Erscheinung
zu interpretieren ist, jedoch im positiven Sinne sich als neue
Stilrichtung herauskristallisierte.
Die Studioband ‚Funk Brothers’ geben beispielhaft zu verstehen,
wie mit Spontaneität und ohne Reglementierung selbst in oftmals
kalten Studios Musik sich vollständig den Arrangements anpassen
kann.
‘Standing in The Shadows Of Motown’ gehört zu den
wenigen gelungen Musikdokumentarfilmen.
Film und die Musik sprechen für sich.
Wer sich mit ‚schwarzer Musik’ beschäftigten will, in diese Zeit
hineintauchen möchte, dem sei der Film als gelungene Mischung
aus Dokumentation und Konzert-Mitschnitten empfohlen.
Chaka KHAN interpretiert z. B. ‚You Keep Me Hangin on’,
Joan OSBORNE ‘What Becomes of The Broken Hearted’,
jenen Song, dem der verstorbene Herman BROOD (Juli 2001)
noch auf seiner CD ‚Hooks’ (1989) die Ehre erwies.

‚Standing in The Shadows Of Motown“ präsentiert sich ohne
glamouröse Oberflächenreize und handelt von außergewöhnlicher
Musik, Geschichten und Personen.
Da die Musik im Mittelpunkt steht und auf authentischen Ereignissen
basiert, gibt er zudem viele Hinweis auf die Erfolgsstory des ‚Motown’.
Der Film atmet den Geist dieser Zeit ohne verklärend zu wirken.
Diese Musiker gehören ins Rampenlicht der Musikgeschichte, in der
sich viele einen Namen gemacht haben, die wenigsten aber konnten
sich über die Zeit fest im Gedächtnis eingeprägen.

Fazit: “Standing In The Shadows Of Motown” ist ein grandioser Film
mit Super-Musikern und ihrer legendären Geschichte.
Der Filmbesucher tritt unweigerlich in eine Zeit ein, in der das Leben
viel ausgeglichener war als heute und von einem Lebensgefühl
beseelt, dass heute oft vergeblich gesucht wird.
„Standing In The Shadows Of Motown“ ist auch ein Beispiel dafür,
dass es in dieser Zeit nicht unbedingt ums große Geld ging.
Musik zu spielen, Feeling und Groove zu haben, war für die Musiker das
Größte, was es überhaupt gab. Jene Lebensphilosophie, die der Film
rüberbringt, ist faszinierend!

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“
(Friedrich W. Nietzsche)
Dietmar Kesten 21.12.03 12:23

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