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Alexander

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SCHLACHTENGETÜMMEL. Dietmar Kesten 31.12.04 11:41

ALEXANDER

SCHLACHTENGETÜMMEL - ES REICHT

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 24. DEZEMBER 2004.

ALEXANDER DER GROßE (356 - 323), makedonischer
König (336 - 323), Sohn und Nachfolger PHILIPPS II
und Schüler ARISTOTELES (343/40), warf nach dem
Tode seines Vaters die Aufstände der Griechen
(335) nieder, zerstörte Theben (335) und reifte
als Feldherr durch die Schlacht bei Issos (333)
zur eigentlichen Blüte heran.
Er eroberte Syrien, Phönikien, Palästina (mit
langwierigen Belagerungen von Tyros und Gaza),
Ägypten (332), gründete Alexandria. Mit seinem
Vorstoß über Euphrat und Tigris gelangte ihm der
entscheidende Sieg über DAREIOS III bei
Gaugamela (vermutlich 331).
Er eroberte den Iran (330). Nach Überschreitung
des Hindukusch (329) Baktrien (327).
Mit seinem Einfall nach Nordwestindien (Panjab)
konnte er Sinds (327) erobern. Nach der Schlacht
am Hydaspes (326) stieß er weiter zum Ganges (325)
vor, marschierte durch die gedrosische Wüste (324),
vermischte bei einer Massenhochzeit die
makedonisch-griechische mit der persischen Aristokratie.
Schließlich stirbt er nach schwerer Krankheit in
Babylon (323).

ALEXANDER DER GROßE war Eroberer, Feldherr,
Gründer, Pharao und wurde nach griechisch-orientalischen
Vorstellungen als Gott verehrt.
Vor allem mit seinen Eroberungsfeldzügen förderte er
„die Hellenisierung des Vorderen Orients, namentlich
durch die Gründung von (angeblich) rund 70
Alexanderstädten als zusätzliche Ausgangspunkte
der Hellenisierung“ (Imanuel GEISS: „Geschichte
griffbereit. Personen“, Hamburg 1979, S. 26).
Als Eroberer war er Vorbild, der auch der Wissenschaft
gehörige Impulse gab. So nahm er auf seinen
Eroberungszügen Gelehrte mit, die die eroberten
Gebiete erforschten
ALEXANDER DER GROßE war Hegemon des
Korinthischen Bundes, dessen Mitglieder 7. 000
Fußsoldaten hatte und die Mehrzahl der Schiffe
stellte.
Mit der Nachricht von seinem Tod kommt es zum
‚Lamischen Krieg’ (ab 322). Die athenische Flotte
wird von KLEITOS bei Amorgos vernichtend
geschlagen. ANTIPATER besetzt Athen und löst
die Demokratie auf. Das Vollbürgerrecht wurde
von einem Zensus von 2000 Drachmen abhängig
gemacht, wodurch sich die Bürgerschaft
von 21.000 auf 9. 000 verringert.
DEMONSTHENES wird zum Tode verurteilt,
flieht, nimmt später Gift. HYPEREIDES wird
hingerichtet. Und ANTIPATER setzt in anderen
griechischen Städten promakedonische Reformen
durch. ALEXANDER DER GROßE und der
Hellenismus- hier kamen sie zur Blüte.

Nun sind die historischen Monumentalfilme Füllsel.
In der Regel vernachlässigen sie das eine, oder
das andere.
Vor allem sind sie kaum dazu in der Lage, sich exakt
der historischen Abläufe zu erinnern, die geschichtlichen
Fakten zu verarbeiten und die Weltgeschichte
sprechen zu lassen. Das alleine reicht bereits um
„Alexander“ von Oliver STONE („Platoon“, 1986,
“Wall Street”, 1987, “Geboren am 4. Juli“, 1989,
„J.F.K. - Tatort Dallas“, 1991, „Natural Born Killers“, 1994,
“Nixon”, 1995) nur eine äußerst unzureichend Note
geben zu müssen.
Der Feldherr war eine schillernde Figur. Seine Größe
bestand in seinem Feldherrntalent. Und die Wirkung,
die er hinterließ, war die Tatsache, dass er sein Reich
nach Osten ausweitete, was historisch bedeutsam
war, nun aber gerade auch nicht wegweisend.
In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass
die griechische Sprache auch durch ihn zur Geltung kam
und die griechische Lebensart sich festzusetzen begann.
Wie andere Feldherren, die später lebten, so war er doch
nichts außergewöhnliches.

War ALEXANDER DER GR0ßE anders als die Samurai,
die Mamelucken, Mongolen, Dschingis-Khan,
Sultan Selim I und die Osmanen, anders als die Azteken,
der späteren Sumerer zwischen 3100 und 2300 v. Chr.,
anders als SARGON II bei seinem Feldzug gegen URARTU?
Selbst THUTMOSIS III (ab 1469 v. Chr.) dehnte sein Reich
unter Führung HYKSOS bei Megiddo aus. Ebenfalls
Ramses ab 1294 v. Chr.
Die Hunnen unter ATTILA fielen ab 376 in Osteuropa ein,
trieben die Goten vor sich her. Was könnte ein möglicher
Film über sie aussagen?
Die Perser hatten bis 511 ein Reich geschaffen, das neben
Mesopotamien und Ägypten auch die Gebiete bis hinauf
zum Oxus und Jaxartes umfasste. XERXES Invasionen
zwischen 484 und 481 v. Chr. waren ebenso bedeutsam,
wie die Eroberung Ägyptens im Jahre 550 n. Chr. durch
die Perser.
Athen schließt sich zwischen 395 und 387 mit Persien
gegen Sparta zusammen und vernichtet in der Schlacht
bei Knidos Spartas Flotte, was relativ bedeutsam war,
weil dadurch der Wiederaufstieg Athens möglich wurde.
Das rührt filmisch niemanden, es sei denn, man greift
auf „Troja“ von PETERSEN zurück.
So könnten alle großen Schlachten im Kino aufbereitet
werden. Selbst Konstantin und seine Bürgerkriege
(ab 312 n. Chr.) wären einen Film wert.
Und mit „Hannibal“ wird auch 2005 der nächste
Monumentalfilm über Herrscher und Zepter in die Kinos
kommen.
Ein Film über jenen Mann wird zu sehen sein, der in
einer Reihe mit Kathargo, den Galliern, Ceasar und
den Römern stand. Fortlaufend bis zum Untergang des
Römischen Reiches könnte man sich also aller Feldherren
bedienen. Selbst Varus und seine berühmte
Schlacht, die im Jahre 9 n. Chr. wohl nicht im
Teutoburger Wald stattfand, bräuchte nicht zu fehlen.

Nun ist dieser Film ebenso fragwürdig, wie alle anderen
Filme über die Antike, Spätantike, Altertum, Hellenismus
und über die Anfänge der Römischen Geschichte.
Was treibt Filmemacher dazu, sich dieser Thematiken
zu widmen, die dazu noch jene kriegerische Note haben,
die in eine Kultur des Krieges einmünden?
Die Geschichte der Feldherrn und ihrer Kriege ist immer
noch eine Geschichte der menschlichen Gesellschaft.
Und als solche auch nur zu verstehen. Erst wenn sich
„ein technischer oder sozialer Fortschritt auch für die
Zwecke des Krieges nutzen ließ, war er auf
Dauer durchsetzbar“. (John KEEGAN: „Die Kultur des
Krieges“, Berlin 1995, S. 1).
Und immer trug die menschliche Aggression andere
Züge, die sich durch die Entwicklung der Produktivkräfte
ausdehnten und entfalten konnten.
Ob Schlachtenordnung der griechischen Phalanx,
im Ansturm der Hunnen oder der Mongoleneinfälle- Kultur
und Zerstörung gingen Hand in Hand. Und auf der jeweiligen
Kulturstufe gab es immer kriegerische Rituale, aus denen
sich ‚Werte’ wie Mut, Ehre, Heldentum, Disziplin, Kampkraft,
Patriotismus und Pflichterfüllung entwickelten, die bis
heute Bestand haben.
Die Welt des Krieges passte sich auch so der Welt der
Zivilisten an, obwohl alle Zivilisationen ihren Ursprung dem
Krieg verdanken.

ALEXANDER DER GROßE war in diesem Zusammenhang
jemand, der im Nationalgeist, falls man davon sprechen
sollte, groß wurde, und der ein gemeinsames Vaterlandsgefühl
hervorrufen konnte.
Und mit der Ernennung zum Hegemon auf Lebenszeit,
konnte er nicht nur das ganze persische Reich erobern,
sondern auch den hellenistischen Satellitenstaaten seinen
Willen aufzwingen.
Dieser ‚Charakter’ Alexanders ist gleichzeitig die Schwäche
seiner historischen Geschichte, oder besser, der unzureichenden
Überlieferung, die sich mit den teilweise sehr undurchschaubaren
Auseinandersetzungen und Schlachten der damaligen Zeit
reibt.
Seine Art der Kriegführung kann mit KEEGAN als
Durchsetzungsgeschichte eines „kulturellen Expansionismus“
bezeichnet werden, oder „militärischer Kultur“ (ebd. S. 549),
was im übrigen für alle Eroberer zu gelten scheint.
Die moralische Rechtfertigung für seine Eroberungen war,
Mittel, Wege und kriegerische Waffen (z. B. die große
Lanze) zu finden, um den Feind zu schlagen.
Ob darin seine Größe bestand?

STONE macht aus all diesen offenen Fragen ein neues
Schlachtenpanorama, das versucht, sich seiner
vornämlich kriegerischen Seite zu nähern.
Insgesamt ist das aus Hollywood Sicht nett anzusehen,
doch es reicht wieder nicht.
Mit gähnender Langeweile nähert sich STONE den
Vorstellungen der Welt der Krieger. Er macht aus
Alexander einen Leerkörper, einen unbekümmerten
Haudegen.
Das Bild, das hier entsteht, ist das Bild des Soldaten,
das wir aus dem Kino kennen. Und mit diesem
Soldatenleben ließ sich ein kolonialer Feldzug nach dem
anderen führen.
Soldaten, unterscheiden sich von anderen Männern
dadurch, dass sie Krieg führen. Und hier ist er wieder
einmal in allen Facetten ausgemalt.
Wen stört es da, dass es STONE mit den
Überlieferungen nicht so genau nimmt. Alexander
hatte einen Raum für die spätere Ausbreitung der
Römer (Römisches Reich) und des Christentums
geschaffen. Alleine diese Tatsache unterscheidet sich
schon eminent vom Film.
Zwischen dieser Authentizität, den bestehenden
Widersprüchen in der Überlieferung (vgl. auch
PLUTARCH, Biograf Alexanders) und der notorisch
subjektiven Sicht auf Alexander durch STONE, entstand
ein Film, dem man mit tiefsten Misstrauen begegnen
sollte.

Wie überall, so gibt es auch hier schöne Bilder.
Doch sie sind, wenn man es genau betrachtet, Bilder,
die fürs Fernsehen entstehen. Jedem Kino-Spielfilm
ist die Erzählweise des Mediums Fernsehen zu eigen.
David LEAN war lange vor SPIELBERG und STONE
damit erfolgreich. Berühmt wurde er durch
„Doktor Schiwago“ (1965). Seine monumentalen Bilder
schnitt er für das Fernsehen. Es ist nicht von der Hand zu
weisen, dass auch hier der Kinofilm nach dieser
ästhetischen Fernseherzählweise gearbeitet ist. Selbst
die Einstellungsgrößen und die trivialen Basteleien
entsprechen dieser Technik, die mit Verschachtelungen
und Parallelhandlungen den gesamten Bereich der
Sequenzen abdeckt.
Und ganz auf das Fernsehen zugeschnitten sind die
Farbausfüllungen, die Figurenteile, Wahrnehmungsfiktionen,
Hintergründe, Einstellungen, Kontraste und Unschärfen.

Teilt man das, dann hat STONE auffallend ausufernd
eine Power-Gemeinschaft am Set zusammen bringen
können, die bald wieder im Fernsehen ihre Aufführung
darbieten wird, wie es jetzt schon bei „Gladiator“
oder „Troja“ der Fall ist.
Doch STONE ist getrieben. Auf der Suche nach
der Persönlichkeit Alexanders bleibt er in schwebenden
Befindlichkeiten stecken. Dass Alexander eine
erotische Beziehung zu HEPHAISTION gehabt
haben soll, ist ebenso Legende wie Mythos.
Der Mythos lebt auch hier. Da strickt man gerne:
Freund von Alexander seit Kindesbeinen an usw.
Weiß Oliver STONE mehr als die Geschichte?
Halbnahe Porträts und die Supertotale der Landschaften
machen eben auch einen Film für das Fernsehen aus,
obwohl doch ein Kinobild entstehen sollte.
Die doch deutlichen Anleihen beim Experimentalfilm
traumatisieren, sie sind zu emotionalisierend, voll
von mythischen Dimensionen und altbekannten
grellen Bildern über Hierarchien und Herrschaftsformen.

So entsteht das, was entstehen musste.
ALEXANDER DER GROßE ist eine Inszenierung ohne Biss.
Der Film zerbricht an seiner Widersprüchlichkeit.
STONE gelingt es nicht, die Spekulationen über ihn
in ein nach allen Seiten offenes Bild einzufassen. Nur seine
Eroberungsprojekte und seine machohaften Tendenzen
fallen ins Auge. War Alexander nicht mehr ein
machtbesessener Intrigant, der auf die Fehler der Gegner
lauerte, um dann skrupellos vorzustoßen?
Doch der Sandalenfilm hält weiter Kurs.
Nahezu pausenlos scheint sich diese Serie festzusetzen:
eine kalkulierte Mischung aus berühmten Feldherren und
fehlsteuernden Bildern.
Nebenbei gesagt, ist dieser Film wieder eine Reduzierung
auf ‚Gut und Böse’; denn auch ALEXANDER der GROßE
ist der Superheld, um den herum seine schäbigen
Gegner platziert sind. Mit Donnergetöse,
Schlachtenszenen, mit Pfeilen, Speeren, Pferden und
sogar Elefanten, wird das Büromaterial aus dem
Kasten gezaubert. STONE, der sich hier der
modernsten Technik bedient, fällt in Wirklichkeit
weit dahinter zurück, weil er sie zu einer olympischen
Sportart macht, wo es gilt, sich zu qualifizieren um
dann den Wettbewerb zu gewinnen.
Alexander, der kühn berechenbare, unübertreffliche
und heroische Kino-Fernseh-Held könnte bald zu einer
Erfindung der Unterhaltungsindustrie mutieren.
Schon basteln die Computerexperten an den Spielen
um neue Schlachten und Strategien. Die Aufteilung der
Welt ist auch hier in vollem Gange.

Fazit:

Die Superstars im Film, allen voran Colin Farrell,
Angelina Jolie, Anthony Hopkins, oder Val Kilmer
sind hier die Summe alter Filmübel.
Durch ein Gemisch aus Tradition und Gegenwart
soll der Zuschauer erreicht werden.
Nach und nach beginnt man, das zu durchschauen
Pompöse, antike und modellierte Filme zeigen in
ihrem Ergebnis nur die Herrschaft der Vormoderne.
Sie haben nichts mit Toleranz, Friedfertigkeit und
menschlichen Idealen zu tun.

Dietmar Kesten 31.12.04 11:41