filmz.de
Closed

Das Vermächtnis der Tempelritter

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
INDIANA JONES AUF ABWEGEN. Dietmar Kesten 4.12.04 10:52

DAS VERMÄCHTNIS DER TEMPELRITTER

INDIANA JONES AUF ABWEGEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 4. DEZEMBER 2004.

Schatzsuche und Geschichte. Nicolas CAGE (als
Benjamin Franklin Gates), ist der beste Mann von
Jerry BRUCKHEIMER. Regisseur Jon TURTELTAUB
(„Cool Runnings“, 1993, „Während Du schliefst“, 1995,
„Instinkt“, 1999, „The Kid“, 2000) schickt ihn in ein ultimatives
Abenteuer.
Auf der Jagd nach dem legendären Gold der Tempelritter
ist sogar Harvey KEITEL (als Agent Sadusky), Jon VOIGHT
(als Patrick Henry Gates), Sean BEAN (als Ian Howe) und
Diane KRÜGER (als Dr. Abigail Chase) mit von der Partie.
Der Sommer und der Herbst sind vorbei, der Winter beginnt.
Es ist also wieder an der Zeit, dass es dem fröstelnden
Publikum heiß im Kino wird.
Und so beginnt die Mechanik des Erzählens, die Produzent
Jerry BRUCKHEIMER schon des öfteren unter Beweis gestellt hatte.
Mit „The Rock-Fels der Entscheidung“, (1996), „Staatsfeind Nr. 1“
(1998), „Con Air“ (1997), „Pearl Harbor“ (2001),
„Fluch der Karibik“ (2003) und „King Arthur“ (2004) wurde er
Meister der Dekoration und Kostümierung, ohne allerdings den
Kulturbetrieb Film qualitativ zu bereichern.
Diesmal schickt er Benjamin Franklin Gates in die Urtiefen der
amerikanischen Geschichte.
Dort soll besagter Schatz der Tempelritter versteckt sein, der
nur über eine Schatzkarte zu orten ist. Jene ist von den Gründern der
Vereinigten Staaten Thomas JEFFERSON, George WASHINGTON
und Benjamin FRANKLIN geschrieben worden.
Und weil sie nicht so einfach auf irgendeinem Paper schreiben
konnten, mussten sie etwas besonderes auswählen: der Weg zum
Schatz ist auf der Rückseite der amerikanischen
Unabhängigkeitserklärung verzeichnet.
So macht man sich auf, sie zu finden. Und weil Abenteurer auch
Widersacher haben müssen, wird die Schatzsuche be-, und
verhindert, wo es nur eben geht.

„Das Vermächtnis der Tempelritter“ ist gelinde gesagt ein
plumper Abklatsch der Indiana-Jones Filme. Der Film ist das
Ende des Abenteuers im Kino, Ende der Kindergeschichten und
das Ende der Erzählung, die hier als beseelter Mechanismus
wider aller Vernunft Geschichten zwischen Tarnung und
Fallen, Kellergewölben, Packeis, Bibliotheken, Archiven und
einem alten Schiffswrack erzählt wird.
Bilder, mit denen kein Mensch etwas anfangen kann, kommen
einem vor wie ein Fernseh-Werbespot. Drinnen (im Film) scheint
die Zeit stehen zu bleiben. Die Bilderkette erscheint endlos
mit pausenloser Action, Verfolgungen, Finten, Helden, Antihelden
und Klischees in einem fort.

BRUCKHEIMER hat, so scheint es, diese Produktionsweise für
seine Streifen derart verinnerlicht, dass hier das Maschinenkino
zur absoluten Topform im negativen Sinne aufläuft.
Heldentum und Abenteuer- Harrison FORD hatte damit
begonnen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Der Reichtum des
Kinos wurde ihm dank SPIELBERG wie auf einem Tablett
dargereicht. Er brauchte sich nur noch zu bedienen. Und das tat
er, bei aller Kritik, sehr erfolgreich.
Indiana-Jones wurde fast zu einer Legende. Jetzt jedoch kommen
die braven Mittel-Klasse Amerikaner an, um die Kraft des
erloschenen Jones wieder zum Leben zu erwecken.
Natürlich können sie nicht anders als aus der Rolle fallen, entgleisen,
in Panik geraten und dauern auf der Flucht sein.
Wie ein endloses Feuerwerk prasseln hier die Gegenstände der
Außenwelt auf die Innenwelt.
SPIELBERG hatte seine Vorstellungen von Heldentum und Abenteuer
ohne Getöse über die Bühne gebracht, da sein Binnenraum der
Erzählung relativ greifbar war. Heute wird der Zuschauer vorgeführt,
er ist sozusagen Prototyp fürs ausprobieren.
Da mag es nicht verwundern, wenn „Der Schatz der Tempelritter“
so seltsam durcheinandergemischt ist, dass nur noch ein Wunder
diese Figuren, die wie Untote durch den Film hetzen, retten kann.
Bei Karl MAY in „Winnetou III“ hieß es einst:
„Was soll ich weitererzählen? Die wahre Trauer hat keine Worte.
Käme doch bald die Zeit, da man solche (blutigen) Geschichten nur
noch als alte Sagen kennt.“
Karl MAY hätte hier nichts besseres zusammenträumen können.
Durch die Staaten und noch einmal zurück. Mit Losungen des
amerikanischen Traums schlagen sich Freund und Feind durch die
Geschichte.

Hier geht es gar nicht um Action, sondern um Gesetze und Werte.
In der Tat, um das zu überspitzen, verkommt „Das Vermächtnis der
Tempelritter“ zu einem simplen Stück amerikanischen Nationalismus.
Denn die Gründungserklärung der amerikanischen Demokratie
ist hier eigentlich desavouiert. Und wenn genauer hingesehen wird,
sind die eigentlichen Kernpunkte die Umtriebe der
Geheimbündler, die in der Unabhängigkeitserklärung involviert
erscheinen wie viele es nach dem 11. September 2001
eigentlich schon immer angenommen hatten, und was hier durchaus
als Hinweis verstanden werden darf.
Zudem erscheint die Hatz durch die nationalen Städte Amerikas doch
zu sehr aufgetragen.
Und allemal bricht sich der Patriotismus unverschleiert Bahn, wenn
die Unabhängigkeitserklärung nebst Code als „gutes und wahres
amerikanisches Dokument“ bezeichnet wird.

Mit Einschränkungen waren auch schon die Indiana-Jones
Filme mit einem gewissen patriotischen Hang unterlegt.
In „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) ging es
um die Nazis, die zwar zynisch und lustig dargestellt wurden, aber
der amerikanische Held durfte sie besiegen. Und die
Geschichte vom Vater und Sohn (Sean CONNERY und
Harrison FORD) war wie Jung-Siegfried, der Prüfungen mit
Schwert und Glauben bestand.
Vater und Sohn sind auch hier allgegenwärtig. Und wenn am
Ende die Lüftung der Geheimnisse wartet, dann ist man seltsam
gevierteilt. Wissen und Macht, Intellekt und Kraft, Ausstrahlung und
Genie, Ahnung und Phantasie. Nur das kann Heldentum
hervorbringen, der eigene Platz gefunden werden.
Wenn vollends das Bild zu gewinnen scheint, das makellose
Rädchen der Bilder, dann sollte man diese Raffinesse versuchen
zu durchschauen: „Das Vermächtnis der Tempelritter“ ist
Rätselinschrift der Märchen, Träume und Legenden.
Von amerikanischer Geschichte hat der Film nicht viel verstanden,
oder er will es auch gar nicht verstehen.

Man setzt auf eine Schnitzeljagd quer durch die Staaten.
Der Film ist wie eine alte Tragödie in einem modernen Traum,
ein Trip, ein Mittler zwischen nationaler Identität und
glorifizierender Verklärung der ehernen Werte.
Washington, New York und New Jersey- Heimatkunde mit
dem Koffer in der Hand. Brillant ist das nicht, sondern flach.
In jedem Gebäude fehlt ein Stein.
Die Tempelritter- sind sie die Freimaurer? Abgeleitet
bleibt diese Galerie bei den amerikanischen Gründern stehen.
Georg WASHINGTON als Freimaurer?
Nicht zufällig gibt es plumpe Assoziationen, die versteckt
immer wieder auftauchen, die in sich wiederum am Nerv
dieser Aufführung kratzen: Benjamin FRANKLIN
und Benjamin Franklin Gates, ein Zufall?
Was fehlt noch? Bill Gates und Microsoft. Archive,
eine netter Archivarin, die Diane KRÜGER, eine gute
Deutsche verkörpert, oder Ian Howe als Engländer mit dem
Hang zur Skrupellosigkeit?
Gut und Böse, das ist nicht nur abgenudelter
Filmabfallberg, der täglich produziert wird, sondern auch
fester Bestandteil dieses Genres geworden, wo sich
alles unterbringen lassen kann. Hier ist der Film ein
prallgefüllter Plastiksack geworden, der getrost über
Bord geworfen werden kann.

Fazit:

Die Tendenz Dutzende von Filmen kopiert zu haben,
trifft auf „Das Vermächtnis der Tempelritter“ ohne wenn und
aber zu. So trostlos ist seine Zerstückelung und
Verschachtelung. Er ist voller Auslassungen und Gedankenstriche.
Im mechanischen Kino sind alle Sinne grau.
Während man in die Dunkelheit des Kinos taucht, wird es um
einen herum Nacht. Der Film ist kein freundlicher
Gegner. Dieser Film ist ein Feind.

Dietmar Kesten 4.12.04 10:52