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Dawn of the Dead

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Dawn of the Dead Dietmar Kesten 19.4.04 04:20
Dawn of the Dead 10.5.04 00:46

DAWN OF THE DEAD

UNTOTE, SCHEINTOTE, HALBTOTE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 18. APRIL 2004.

Wenn sich im Hades Platzmangel einstellt, kommen die Toten auf
die Erde.
Sie steigen aus ihren Gräbern, machen erbarmungslos Jagd
auf die Menschen, gehetzt von der kannibalischen Gier nach
Fleisch. Nach einer panischen Flucht trifft Ana Clark (Sarah POLLEY)
auf eine kleine Gruppe Überlebender. Mit Kenneth
(Ving RHAMES), Andre (Mekhi PHIFER), Michael
(JACK WEBER) und anderen gelingt es, sich in einem verlassenen Luxuseinkaufszentrum zu verschanzen, um sich vor dieser
Seuche zu retten.
Ringsherum wimmelt es von diesen Untoten, die in das Kaufhaus
eindringen wollen, um sich ihre ‚Beute’ zu holen.
An das Grundstück angrenzend befindet sich ein Waffengeschäft,
auf dessen Dach sich der Besitzer verschanzt hat und via
handgeschriebener Tafeln und Fernglas mit den Kaufhausbesetzern
kommuniziert.
Als die Zombies Waffengeschäft und Kaufhaus stürmen, wagen die
Eingeschlossenen und die letzten Überlebenden einen rettenden
Fluchtversuch: der Hafen soll die Rettung sein, von dort aus aufs
Meer, und dann zu einer Insel.

Die Erzählung des Film lehnt sich an ein Skript des
Regisseurs ROMERO, der 1977/79 den Streifen
„Zombie-Dawn of the Dead“ in die Kinos brachte.
In der Regel haben es Remakes schwer, das Original zu überholen,
oder besser: eine gelungenere Version in die Kinos zu bringen
(vgl. auch Texas „Chainsaw Massacre”, Januar 2004).
Konnte man schon über das Erstlingswerk heftig streiten, so wird
es diesem Beitrag ähnlich ergehen.
Eine Vielzahl von Kritikern hatte einst ROMERO noch andichten
wollen, dass er in seinem Zombie-Film und in vielen späteren,
die Bedeutung der Medien für die Gesellschaft, ihre Rolle, deren
Untergang und ihre vermeintliche Renaissance darstellen und
herausarbeiten wollte,
Der Werbefilmer Zack SNYDER lehnt sich hier einfach an und
dabei herausgekommen ist einer der unzähligen Billigproduktionen,
die die Eskalation des Horrors im Kino mit entsprechenden
Schockeffekten auf einen Höhepunkt zusteuern lassen.

Wie „Halloween - Die Nacht des Grauens“ (Regie:
John CARPENTER, 1978), so traten George A. ROMERO
mit seinem Erstlingswerk „Night of the Living Dead“ (1968)
und Tobe HOOPER mit „Texas Chainsaw Massacre” (1974)
die eigentliche Welle der Horrorspektakel, die phantasielos
und grobschlächtig, mit ekelerregende Schlacht- und
Verstümmelungsfesten daherkamen, los.
Diese blutrünstigen Handlungen haben immer eine drückende
Endzeitstimmung verbreitet, eine Millenniumsangst, die
sich durch die ganze Moderne schleppt, und wobei das Kino
einen besonderen Ort der Vermittlung einzunehmen scheint.
Denn es geht doch um Ideologie, um Oberlehrer,
Bedeutungsfahnder, Moralprediger und Leuten, die mit
ihren teilweise meisterlichen Breitwandkompositionen
die Partisanen des schlechten Geschmacks auf den Plan rufen,
die dann noch in einer Art Verzückung die formalen und
inhaltlichen Qualitäten solcher Machwerke rühmen und sie
in Anlehnung an ROMERO als „Abenddämmerung der
Medien“ und „als zeitgenössischen Diskursbeitrag zur Mediologie“
(so Stefan HÖLTGEN in „Schnitt“ April/2004) lobpreisen.

Wenn das Kino der Moderne sich unvermittelt als Voyeur der
Gewalt wiederfindet, wo die Beteiligten Mörder sind, die Mörder
Beteiligte, durch Kamerabewegungen miteinander verknüpft,
und die exakt darauf abgestimmten Toneinsätze (wie bei den
Zombies) eine Ahnung davon aufkommen lassen, wieweit die
direkte Bedrohung der Zuseher schon fortgeschritten ist,
dann sind die auditiven und visuellen Eindrücke die vermittelt
werden, eine direkte Bedrohung, die bei aller Toleranz für
andere Auffassungen, die zu Filmrezensenten bestehen,
nur die Erneuerer des amerikanischen Genre-Kinos auf den
Plan rufen.

Die inhaltlichen Anleihen an einer Reihe weiterer Filme, die
direkten Rückgriffe auf das Arsenal der Spannungsfilme und
der Splatter-Movies der neunziger Jahre, sollen hier nicht
zur Sprache kommen.
Doch zeigt sich, dass das dort verbreitete Wechselbad der
Gefühle mit einer subtilen Mischung der bewegungslosen
Seilfahrten durch die Schluchten der Eindimensionalität
und der bewusst geschürten Ängste der bedrängten
Kreatur einhergeht, die sich mit den widersprüchlichen
Assoziationen von Sexualität und Gewalt und übernommenen
Bruchstücken einer sadomasochistischen Gewaltkultur
auseinander zusetzen hat.
Alle Untoten dürfen natürlich nicht nur dort, sondern auch in
den jüngsten Streifen alle Normen und Regeln verletzen.
Eine rationale Erklärung wird gar nicht mehr benötigt.
Warum etwa ihr Schlachtwerk in „Dawn of the Dead“
stattfindet, interessiert auch niemanden.
Hauptsache ist, das der Handlungsablauf das unaufhaltsame
Eindringen meist maskuliner Gewalt, sanktioniert.

Eine schlüssige Interpretation gibt es daher nicht.
Selbst eine wohlmeinende ist unpassend.
Insgesamt wird die Gefühlsebene des Betrachters streng
kontrolliert. Und das ist allerdings eine Provokation, die
schon Struktur hat.
Die Kombination der bereits einzeln als erfolgsträchtig
erwiesenen Motive wie Brutalität und Tod, eingebettet
in eine (atemlose) Spannung, ist doch sehr oberflächlich.
Und die zusammengewürfelte Handlung ist eindeutig
‚splatter’, oder ‚slasher movie’, wobei hier auf jegliche
Reste einer inhaltlichen Legitimation verzichtet wird.

Diese Filme haben keinen erkennbaren Bezug zum
realen Alltag der Kinozuschauer mehr.
Die tägliche erfahrbare Gewalt in Staat und Gesellschaft,
die vom Publikum erfahren wird (wachsende Armut,
Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Rassismus,
Krieg und Terror) dagegen ist die Kehrseite der Medaille.
Um die von jeher für den Horror-Film wesentliche
Angst-Lust erfahren zu können, bedarf es neben
der höchstmöglichen Aktivierung eigener verborgener
Ängste offensichtlich dieser Distanz zum Alltag
der Menschen.

Gleichwohl ist dieses Potential der Horrorschinken der
Beginn des brutalen Feldzugs gegen den Einzelnen
Zuseher im Kino.
Das, was rüberkommt, ist nur die zeitgemäße aktualisierte
Variante des Verhältnisses von Urängsten und
filmischer Angstbewältigung. Das hat nichts mit
Kult zu tun, sondern steht für eine immer offenere
und detaillierte Ausspielung brutaler Gewaltrituale.
Wie die Gesellschaft, so hat sich auch das Kino
verändert.
Wenn der Schatten des Vampirs in „Nosferatu“
(Regie: F. W. MURNAU, 1922) sich als blutsaugender Graf
in eindeutiger Absicht über das schöne Mädchen beugte
und dabei dem zeitgenössischen Publikum noch einen
Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte, so dürften
die heutigen Schocker der Fans von „Dawn of the Dead“
gerade noch ein müdes Lächeln erübrigen.

Fazit: Eine Schlachtplatte des schlechten Geschmacks
in der begehbaren Speisekammer des Kinos ist hier wie die
geschlossene Anstalt, aus der es kein Entkommen gibt.
Diese brutalen Attacken der Zombies machen dieses Genre
nicht glaubhafter. Ganz im Gegenteil.
Diese Inszenierungsstrategien werden dazu eingesetzt,
um mit dramaturgischen Mitteln Spannung und Angst zu
erzeugen.
Wenn mit Gefühlen der Zuschauer gespielt wird, die
Wahrnehmung außer Kraft gesetzt wird, dann scheint die
notwendige Konsequenz nur darin bestehen zu können,
das Schwarzbild, das erzeugt wird, unnachgiebig zu kritisieren.

Dietmar Kesten 19.4.04 04:20