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Der Einsatz

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Der Einsatz Dietmar Kesten 17.1.04 12:43

DER EINSATZ

EIN NAIVES SPEKTAKEL

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 17. JANUAR 2004.

Ein Individualist, James Clayton, den Colin FARRELL spielt,
wird scheinbar wegen seiner intellektuellen Fähigkeiten für den
CIA angeworben.
Um seine Reaktionen in Grenzsituationen zu testen, wird er vom
Talentsucher Walter Burke, den Al PACINO spielt, einem harten
Programm unterzogen, das ihn auf immer neue Weise hinters Licht
führt. Bei einer Ausbildung in einem Trainingscamp gerät er ins Netz einer
undurchsichtigen Intrige, bei der auch Layla (Bridget MOYNAHAN)
für spezielle Aufgaben bereit steht.

Roger DONALDSON hat einen Thriller vorgelegt, der in der
amerikanischen Machtzentrale angesiedelt ist. Der Film, der mit
vielen philosophischen Prämissen spielt, die auf Anhieb
nicht durchschaubar erscheinen, versucht sich den Fragen zu
nähern: was ist die Relativität der Wirklichkeit, ist alles so, wie es ist,
oder ist nichts so, wie es scheint?
Der Zuschauer soll systematisch verwirrt, in die Irre geführt,
und über die weiteren Ereignisse im unklaren gelassen werden.
Ist das der Clou des Films, in welche Richtung entwickelt sich das
Spiel um Familiengeschichten, um Vaterfiguren, Liebe, Hintermänner,
Generationskonflikten und dem Katz- und Mausspiel im Zeitalter des
Explosionskinos? Sind die Fragen nach der relativen Wirklichkeit
nur angedacht, oder bestimmen sie den Film durchgängig?

An einer Stelle im Film sagt James Clayton, dass hier „alles nur
en Spiel ist“. Tatsächlich bekommt man den Eindruck,
dass Mitspieler und Zuschauer dieser Rezeptur der Ereignisse
leicht zu folgen bereit sind, wenn da nicht die offenkundigen
und dramatischen Konstrukte wären, die der ständigen Gefahr
ausgesetzt sind, den Abnutzungserscheinungen zu unterliegen.
In „The Game“ (Regie: David FINCHER, 1997) stand
Michael DOUGLAS in einer ähnlichen Situation wie Clayton.
Doch dieser hatte damals feststellen müssen, dass die
materiellen, ideellen und moralischen Grundfesten seines Lebens
Stück für Stück dekonstruiert wurden. Und als es für einen
Ausstieg längst zu spät war, blieb nur noch die Leere und er spielte
ein Spiel, dessen Regeln er nicht kannte. Die Realitätsschraube, die
mehr und mehr aus den Ereignissen herausgedreht wurde,
war weder gradlinig noch gleichförmig.

Bei DONALDSON bekommt man den Eindruck, dass diese veränderte
Wirklichkeit nur eine virtuelle ist. Die Interaktionen funktionieren nur
dann, wenn man von den Regeln eines Psycho-Spiels ausgeht und sich
mit der Jagdbeute einer verschworenen Gruppe anfreunden kann.
Das geschlossene System des spektakulären Gesamtkonzepts mit
Originalität und visuellem Design, der Sog der Abgründe, die Dichte
und die Effekte, verpuffen jedoch bei DONALDSON.
Und das verwundert nicht, weil „Der Einsatz“ ein Thriller
von der Stange ist. Allerdings gut macht, und der Blick hinter die
Kulissen jener Organisation, die „Big Brother“ bis ins Detail
praktiziert, ist auch ein Hinweis auf die politische ‚Natur’ und den
Charakter des CIA.
Das Interesse des Zuschauers, der mit der Auflösung der Geschichte,
die nicht sonderlich überraschen kann, allein bleibt, erlahmt
zusehendst. Es kann sogar der Eindruck entstehen kann, hier wurde
nur ein (billiger) Werbefilm abgedreht.
Die Ausgangsphilosophie ist dann leider auch nur ein Schuss in den
Ofen.

„Der Einsatz“ zeigt auch einen Krieg der Spione ohne eigentliche
Gewinner und Verlierer, wobei hier zwei Synonyme für ein und
dieselbe Vokabel stehen: Intrige.
Sie wird aus der Sicht von dem ewigen Versuch erzählt, all das
was wir sind, oder auch nicht, in ein scheinbares Gleichgewicht
zu bringen.
James Clayton und Walter Burke kommen zusammen, um sich
selbst zu finden, oder besser: sich in ihrer Integrität zu bewahren.
Und weil dieser Kampf um ‚innere’ Wahrheiten geführt wird,
die in spektakuläre ‚äußere’ Kämpfe einmünden, ist „Der Einsatz“
eine Synthese aus „Heat“ (Regie: Michael MANN, 1995),
„Casino“ (Regie: Martin SCORSESE, 1995),
„Sea of Love“ (Regie: Harold BECKER, 1990) und vielleicht
“Thirteen Days” (Regie: Roger DONALDSON, 2001). Nicht mehr,
aber auch nicht weniger.
Zum x-ten Mal also: Gut gegen Böse, Thriller mit Top Besetzung,
Alt gegen Jung, Verfolgungsjagden, Agententraining, der Übervater
und sein Schüler, talentierte Charaktere, die sich gegenseitig den
Rang ablaufen.

Als Hintergrund für diesen Film wählte DONALDSON den CIA.
Jene Organisation also, die ihr Spionagenetz überall auf der Welt
verankert hat und auf die lückenlose Nachricht und die totale
Observation insistiert. Dieser Aufhänger macht zum Ende der
Vorstellung mehr Probleme, als man zu Anfang erwartet hatte.
Er steuert auf ein Happy End zu und neigt zur Versöhnung
mit der Erzählstruktur. Das Besondere an diesem Film ist aber auch
seine typische Ambivalenz des Widerstreits: sauber gegen
schmutzig, Realo gegen Fundi, Blitzkrieg gegen Überlegung und
Schein gegen Sein. Jedoch wird mit jedem Schnitt, mit jedem
Wendepunkt in der Geschichte, mit jeder choreografischen
Actionsequenz es nicht nur für beide Seiten im Kino schwer, die
Balance zu halten, sondern auch für die Zuschauer.

Al PACINO, in die Jahre gekommen, der noch einst für den
„Paten“ einen Oscar bekam, bemüht sich in dieser kruden
Story redlich, doch die richtige Power bringt er nicht mehr
rüber.
Und er ist wie seine Kontrahenten nur noch bestrebt, die
experimentelle Sprengkraft des kurzen Augenblicks zu
retten.
Colin FARRELL, jüngst noch in S.W.A.T. zu sehen,
knüpft an seine grandiose Vorstellung aus „Nicht auflegen“
nur stellenweise an, lässt aber erkennen, dass er Drehbuchschwächen
durchaus meistern kann und spielt souverän.

Und so kommt es, wie es kommen muss: ein gigantisches
Durcheinander, das Thriller und Talentschuppen vereinigt
geben sich hier ein Stelldichein.
Der Film gipfelt in der Selbsterkenntnis, dass der
Selbstbetrug nur die Verkörperung des schönen Scheins ist.
Der Thriller ist zu grell, zu geladen, zu plakativ, vorhersehbar
und nicht raffiniert genug für eine gute Story.
Die Klasse von „The Game“ erreicht er nie.

Facit: „Der Einsatz“ ist (nur) routinierte Unterhaltungsproduktion.
Der Kinobesucher bleibt hinter diesem Reigen zurück.
Wenn er mehr sein sollte, als eine aufgesetzte
Qualifizierungsmaßnahme, dann hätte er dem Publikum gegenüber
dafür den Nachweis erbringen müssen.
So bleibt er ihn in letzter Konsequenz schuldig.

Dietmar Kesten 17.1.04 12:43