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Der Untergang

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DER UNTERGANG - BUCH UND FILM Dietmar Kesten 27.10.04 16:23
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DER UNTERGANG - BUCH UND FILM Dietmar Kesten 30.10.04 14:20

DER UNTERGANG

BUCH UND FILM

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 27. OKTOBER 2004.

Bei Recherchen zum „Untergang“ fiel mit ein
antiquarisches Buch in die Hände. Es handelt sich
hierbei um Jürgen THORWALD: „Das Ende an der
Elbe“ (erschienen 1959 im Bertelsmann Lesering).
THORWALD, Jahrgang 1916, ebenfalls Autor des
Buches „Es begann an der Weichsel“ studierte Medizin
und Geschichte.
Im Winter 1944/45 erlebte er als Soldat der Kriegsmarine
die Flucht der ostdeutschen Bevölkerung.
Sein Buch basiert u. a. auf den Berichten des Oberbefehlshabers
der 1. deutschen Panzerarmee Generaloberst Heinrici, der
am 20. März 1945 zum Oberbefehlshaber der
Heeresgruppe Weichsel ernannt worden war.
THORWALD hatte seinerzeit seinen autorisierten Bericht
dazu benutzt, ein Buch über die Vorgänge seit Anfang März
1945 zu schreiben, über die Einkesselung Berlins, die
letzten Tage der Nazi-Größen und über HITLER.

Joachim FEST hatte in seinem Standardwerk „Hitler“
(zuerst erschienen 1973 in Berlin, neu aufgelegt einst
im März 1987) auf THORWALD keinerlei Bezug genommen.
Das überrascht, weil die Reichkanzleinotizen bei THORWALD
viel ausführlicher erscheinen als bei FEST.
FEST zitiert in seinen Anmerkungen THORWALD nicht.
Auch taucht er in seiner Literaturliste nicht auf.
Die Kaptitel um die Berlinschlacht lauten bei THORWALD:
- Der 16. April
- Die sowjetische Offensive an Oder und Neiße
- Berlin bleibt deutsch
- Wien wird wieder deutsch
- Der Durchbruch Konjews
- Um das Schicksal der 9. Armee
- Die Einschließung der 9. Armee
- Der 20. April
- Goebbels letzte 11 Uhr Konferenz
- Die Kampfgruppe Steiner und der Einsatz vor Berlin
- Der 22. April. Hitlers erster Zusammenbruch
- Illusionen erzeugen Illusionen
- Hoffnungen auf ein Umschwenken der Engländer und Amerikaner
- Jodl in Krampnitz
- Von Bärenfänger zu Weidling
- Wo bleiben die Ersatzarmeen
- Die Schlacht um Berlin
- Von Schlacht zu Schlacht
- Die Auseinandersetzungen zwischen Keitel, Jodll und Heinrici
- Wir müssen den Führer befreien
- Um das Schicksal der 3. Panzerarmee
- Das Schicksal der Stadt Neubrandenburg
- Heinricis Sturz
- Im Bunker der Reichskanzlei
- Die letzten Hilferufe
- Hitlers Resignation
- Das politische Testament
- Die Ernennung von Dönitz zum Nachfolger
- Hitlers Ende
- Bormann und Goebbels an Dönitz
- Krebst verhandelt mit Generaloberst Tschuikow
- Fritzsche
- Der Ausbruchsversuch der Überlebenden des Bunkers
- Die Kapitulation Berlins
- Der Kampf der Armee Wenck
- Wenck kapituliert an der Elbe
- Dönitz in Plön
- Die letzten Kämpfe in Mecklenburg
- Von Friedeburg im Hauptquartier Montgomerys
- Die Kapitulation in Reims
- Himmlers Ende
- Der 8. Mai und die endgültige Kapitulation.

FEST hatte sein Achtes Buch: Der Untergang,
II. Kapitel mit „Götterdämmerung“ bezeichnet.
Die dort angelegten Kapitel lauten:
- Rückkehr in die Reichskanzlei
- Die Strategie des grandiosen Untergangs
- Der Verfall der Erscheinung
- Stimmungsumschwünge
- Misstrauen
- Offensive an allen Fronten
- Mythologisierungstendenzen
- Speers Gegenaktivität
- Der 29. April 1945
- Steiners ausgebliebene Offensive
- Die Konferenz vom 22. April und der Entschluss, in Berlin zu sterben
- Görings Verrat
- Die Bunkermeditationen
- Auch Himmler Verräter
- Heirat und Testament
- Das Ende
- Der Verbleib der Leiche.

Die umfangreichen Darstellungen bei THORWALD und FEST
weichen voneinander ab, sie sind aber auch teilweise sehr
identisch, was an einigen Zitaten belegt werden soll.
Die letzte Stunde HITLERs wird bei THORWALD so
umschrieben:
„Gegen 4 Uhr am Morgen verabschiedete sich
Hitler von dem weiteren Kreis seiner Umgebung und zog sich
mit Eva Braun in seine privaten Räume zurück.
Er wirkte müde und gebrochen. Erst gegen Mittag, als
sowjetische Sturmtrupps im U-Bahn Schacht in der
Friedrichstraße kämpften und auch bereits unter den Schacht
der Voßstraße eingedrungen waren, erteilte Hitler einen seiner
letzten Befehle.
Er war an seinen Kraftfahrer Kempka gerichtet und wies diesen
an, zweihundert Liter Benzin in Kanistern in den Garten
der Reichskanzlei zu bringen.
Hitler aß zu Mittag. Danach versammelte er noch einmal
den engeren Kreis seiner Mitarbeiter um sich, Burgdorf,
Krebs, Hewel, Goebbels, Bormann, Naumann, Voß, die
Sekretärinnen und seine Köchin. Er verabschiedete sich
von ihnen und zog sich dann wieder in seine privaten
Räume zurück.
Es war gegen halb vier am Nachmittag, als ein einzelner
Schuss hörbar wurde. Als die angehörigen seiner engen
Umgebung etwas später Hitlers private Räume betraten,
fanden sie ihn tot vor. Er hatte sich den Mund geschossen.
Eva Braun lag neben ihm. Sie hatte Gift genommen.
Beide wurden - Hitler in eine Decke gehüllt - durch
Bormann, Kempka und einige SS-Offiziere in den Garten
hinausgetragen. Das sowjetische Feuer hatte sich gerade
vermindert, aber immer noch schlugen einzelne Granaten
in der Umgebung ein. Man legte die Leichen nebeneinander,
übergoss sie mit Benzin und zündete das Benzin an.“
(THORWALD, S. 170)

Bei FEST liest sich das so:
„Unbewegt nahm er zur Kenntnis, dass die sowjetischen
Truppen inzwischen das Gebiet des Tiergartens
besetzt hatten, desgleichen den Potsdamer Platz sowie
in unmittelbarer Nähe der Reichskanzlei das U-Bahn
Gelände an der Vossstrasse.
Dann befahl er, zweihundert Liter Benzin zu
beschaffen. Um zwei Uhr aß er in Gesellschaft seiner
Sekretärinnen und seiner Köchin zu Mittag.
Es war der Augenblick, als zwei sowjetische
Sergeanten im deutschen Abwehrfeuer auf der
Kuppel des nahegelegenen Reichstags die Rote Fahne
hissten.
Nach Beendigung der Malzeit ließ Hitler seine engsten
Mitarbeiter zusammenrufen, darunter Goebbels,
Bormann, die Generale Burgdorf und Krebs sowie
seine Sekretärinnen, Frau Christian und Frau Junge, ferner
einige Ordonnanzen.
Zusammen mit seiner Frau reichte er allen die Hand und
verschwand dann stumm und gebückt in seiner Tür.... Es
war der 30. April kurz vor halb vier Uhr.
Den Aussagen der meisten Überlebenden zufolge fiel ein
einzelner Schuss. Kurz darauf betrat der Führer der
SS-Wachmannschaft, Rattenhuber, den Raum.
Hitler saß zusammengesunken und mit blutig verschmiertem
Gesicht auf dem Sofa, neben ihm seine Frau, einen
unbenutzten Revolver im Schoss; sie hatte Gift
genommen.... Jedenfalls ordnete Rattenhuber an, die Leichen
in den Hof zu schaffen. Dort ließ er sie mit dem bereitgestellten
Benzin übergießen...“ (FEST, S. 1022f.)

Auf welcher Darstellung der Film in dieser entscheidenden
Phase basiert, sei dahingestellt. Die Detailtreue bei
THORWALD scheint mich mehr zu überzeugen.
Nun ist FEST ein hervorragender Historiker, der andere
Quellen benutzte, die nicht nachgeprüft werden konnten.
Doch der Handlungsparallelismus ist in beiden Fällen
ähnlich, wenn nicht sogar identisch.
Der Besucher des Films mag selbst entscheiden.
In den Vorankündigen zum Film wurde im übrigen immer nur
gesagt, dass er auf Joachim FEST „Hitler“ und den Erinnerungen
von Traudl JUNGE basiert.
Niemals kamen Herrn EICHINGER oder auch Herr
Oliver HIRSCHBIEGEL in Erinnerung, dass es vielleicht
bessere und andere Darstellungen über den Tod HITLERs
in der Reichskanzlei gegeben haben könnte.
Es gibt sowjetische Quellen, die einst mutmaßten, HITLER
selbst könne Gift (Zyankali) genommen haben, das er vorher
an seinem Schäferhund getestet habe.

Wie dem auch sei: niemand hat sich anscheinend die Mühe
gemacht, andere Quellen heranzuziehen, andere Historiker
zu zitieren, Aussagen nachzuprüfen und mit besserem
Quellenmaterial zu arbeiten.
Wurde in russischen Archiven recherchiert? Wer war näher
an den Ereignissen dran? Der kenntnisreiche
THORWALD oder FEST?
Leider entsteht mit dem „Untergang“ der Eindruck, dass
um der Effekthascherei willen unbedingt ein sehr fragwürdiger
Film aus dem Boden gestampft werden sollte, der sich zudem
- von der Historie der letzten Tage Berlins aus betrachtet-
als ziemlich geschichtslos zeigt.

Verwundert bin ich auch darüber, dass sich meiner Kenntnis
nach kein deutscher Historiker zum Ablauf der filmischen
Ereignisse (ab dem 20. April 1945) geäußert hat.
Bisher haben sich nur Filmkritiker zu Wort gemeldet, die
Darstellung und Inhalt stark anzweifelten.
Grundsätzliche Kritiken gab es nur am Film.
Fiel niemandem eine durchgängig schlechte Recherche auf?

Nun bin ich kein Historiker, um EICHINGER/HIRSCHBIEGEL in
die Schranken zu weisen.
Ich habe an anderer Stelle meine schweren Vorbehalte
gegenüber dem „Untergang“ und der sehr vernachlässigten
historischen Recherche geäußert.
Ich wäre nun dem Leser sehr verbunden, wenn er mit dazu
beitragen könnte, diese hier beschriebenen Hintergründe zu
erhellen. Ich möchte mich mit folgenden Fragen an Euch
wenden:

1.Welche deutschen Historiker haben die geschichtliche
Darstellung des „Untergangs“ generell angezweifelt?

2. In welchen Zeitungen/Zeitschriften sind Rezensionen dazu
erschienen?

3. Mit welcher Stoßrichtung wurde kritisiert?

4. Welche anderen zusammenhängenden Erklärungen
wurden vermeldet?

5. Gab es Seminare, Konferenzen oder andere
Zusammenkünfte, wo man sich aus historischer Sicht
mit Film und Fakten beschäftigte?

Insgesamt geht es mir um einen Denkanstoß.
Vielleicht gibt es sogar jemanden, der andere Quellen
favorisiert, oder diese als primärer betrachtet.

Dietmar Kesten 27.10.04 16:23