Die Mitte
Stanislaw Mucha (r.), bei Cölbe
Deutschland 2004 - Regie: Stanislaw Mucha - Darsteller: Pawel Bartoszewicz, Marc Baumgartner, Ralf Buberti, Dariusz Blaszczyk, Michal Hirko, Raja Horodetska - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 86 min. - Start: 27.5.2004
Beschreibung
Irgendwo zwischen Nordkap, Griechenland, Portugal und Russland muss er liegen, der geographische Mittelpunkt Europas. Danach gefragt, sagt einer, er wisse überhaupt nichts, ein anderer weiß, es ist »Essen«, ein dritter ist gerade im Urlaub, für einen vierten ist sie dort begraben, wo der Hund liegt, und ein fünfter sucht noch den richtigen Standpunkt.
Auch der polnische Filmemacher Stanislaw Mucha sucht. Mit seiner Crew begibt er sich auf eine muntere Odyssee kreuz und quer durch den Kontinent und wird fündig. Er bereist mehr als ein Dutzend Orte, die den Anspruch erheben, das »Zentrum« Europas zu sein.
Im österreichischen Braunau am Inn, wo Japaner das Geburtshaus Hitlers knipsen, erfährt man im Gasthof »Mittelpunkt Europas«, dass einst Napoleon hier seine Mitte fand. Im slowakischen Krahule half ein Engel bei der Verortung, und ein Mann denkt laut über ein Plakat nach, auf dem steht »In die Europäische Union, aber nicht mit nackten Ärschen«.
Im polnischen Piatek behauptet jemand die »Mitte« sei abhanden gekommen und weiter östlich verirrt sich die Filmcrew in die »Mitte des polnischen Urwaldes«. Im litauischen »Europos Centro«, bei Vilnius, betrachtet eine Familie Europa als »Scheusal« und sieht im Untergang der Sowjetunion ihr größtes Unglück. Ein Nachbar erzählt die tragikomische Geschichte seiner Verwandten, die sich alle erhängt haben und in einem Labyrinth, das sich »Fernseher für Europa« nennt, beaufsichtigt ein Mann Tausende kaputter TV-Apparate.
Im westukrainische Rachiv, seit 1887 die Mitte Europas, ist die Zeit geteilt: je nachdem, ob die Uhren nach Europäischer oder Kiewer Zeit ticken, gehen sie zwei Stunden vor oder nach. Wir treffen den letzten Chassidim, als er die Zeitung »Mitte Europas« kaufen will und erfahren alles was dort nicht drinsteht von der schlohweißen Kioskfrau, deren winziger Laden womöglich »die wahre Mitte« ist ...
Wo sie also liegt, die Mitte Europas, ist keine Frage der Topographie sondern eine Sache des Glaubens. Sicher ist nur, dass sie sich östlich der Erwartung befindet.
Der Film folgt Spuren von Irrtümern, Anmaßungen und skurriler Selbstbehauptung. Er wirft Schlaglichter auf Spinner und Visionäre, Lokalpatrioten und Kontinental-Utopisten. Und Mucha erzählt davon, wie jenseits der alten EUGrenzen, inmitten der neuen, die Existenzprobleme wachsen, mit ihnen jedoch auch Gelassenheit und Humor der Bewohner.
Die Menschen der jeweiligen Mitten bestimmen die Betrachtung von Europa. Keine Mitte liegt wirklich im Zentrum, aber jede ist der Nabel der Welt und macht den virtuellen Ort zu einem Herzstück ...
Text & Foto: Ventura
Irgendwo zwischen Nordkap, Griechenland, Portugal und Russland muss er liegen, der geographische Mittelpunkt Europas. Danach gefragt, sagt einer, er wisse überhaupt nichts, ein anderer weiß, es ist »Essen«, ein dritter ist gerade im Urlaub, für einen vierten ist sie dort begraben, wo der Hund liegt, und ein fünfter sucht noch den richtigen Standpunkt.
Auch der polnische Filmemacher Stanislaw Mucha sucht. Mit seiner Crew begibt er sich auf eine muntere Odyssee kreuz und quer durch den Kontinent und wird fündig. Er bereist mehr als ein Dutzend Orte, die den Anspruch erheben, das »Zentrum« Europas zu sein.
Im österreichischen Braunau am Inn, wo Japaner das Geburtshaus Hitlers knipsen, erfährt man im Gasthof »Mittelpunkt Europas«, dass einst Napoleon hier seine Mitte fand. Im slowakischen Krahule half ein Engel bei der Verortung, und ein Mann denkt laut über ein Plakat nach, auf dem steht »In die Europäische Union, aber nicht mit nackten Ärschen«.
Im polnischen Piatek behauptet jemand die »Mitte« sei abhanden gekommen und weiter östlich verirrt sich die Filmcrew in die »Mitte des polnischen Urwaldes«. Im litauischen »Europos Centro«, bei Vilnius, betrachtet eine Familie Europa als »Scheusal« und sieht im Untergang der Sowjetunion ihr größtes Unglück. Ein Nachbar erzählt die tragikomische Geschichte seiner Verwandten, die sich alle erhängt haben und in einem Labyrinth, das sich »Fernseher für Europa« nennt, beaufsichtigt ein Mann Tausende kaputter TV-Apparate.
Im westukrainische Rachiv, seit 1887 die Mitte Europas, ist die Zeit geteilt: je nachdem, ob die Uhren nach Europäischer oder Kiewer Zeit ticken, gehen sie zwei Stunden vor oder nach. Wir treffen den letzten Chassidim, als er die Zeitung »Mitte Europas« kaufen will und erfahren alles was dort nicht drinsteht von der schlohweißen Kioskfrau, deren winziger Laden womöglich »die wahre Mitte« ist ...
Wo sie also liegt, die Mitte Europas, ist keine Frage der Topographie sondern eine Sache des Glaubens. Sicher ist nur, dass sie sich östlich der Erwartung befindet.
Der Film folgt Spuren von Irrtümern, Anmaßungen und skurriler Selbstbehauptung. Er wirft Schlaglichter auf Spinner und Visionäre, Lokalpatrioten und Kontinental-Utopisten. Und Mucha erzählt davon, wie jenseits der alten EUGrenzen, inmitten der neuen, die Existenzprobleme wachsen, mit ihnen jedoch auch Gelassenheit und Humor der Bewohner.
Die Menschen der jeweiligen Mitten bestimmen die Betrachtung von Europa. Keine Mitte liegt wirklich im Zentrum, aber jede ist der Nabel der Welt und macht den virtuellen Ort zu einem Herzstück ...
Text & Foto: Ventura