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Fahrenheit 9/11

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BILDER FÜR DEN KRIEG Dietmar Kesten 1.8.04 13:02

BILDER FÜR DEN KRIEG

MICHAEL MOORE WEITERGEDACHT

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 1. AUGUST 2004.

„Bitte bleiben Sie. Sorgen Sie für die Bilder, ich sorge
für den Krieg“, soll der amerikanische Zeitungsverleger HEARST
1898 an einen Journalisten telegrafiert haben.
Damit zielte er auf eine dementsprechende Auflagensteigerung
seines „New York Journal“ ab und griff auf eklatante Art und Weise
auf die Interventionspläne der damaligen amerikanischen Regierung
auf Kuba ein.
Mehr als hundert Jahre später funktioniert die Gleichschaltung
von Presse, Politik und Militär immer noch auf die gleiche Weise.

Die meisten Kriege rücken erst dann ins Bewusstsein, wenn sie
medial vorbereitet werden.
Schon sehr früh, nämlich ab ca. August/September 2002, als die
ersten Flugzeugträger der amerikanischen Marine in Richtung
Golfregion geschickt wurden, hielten die Medien ihren Kriegsrat ab.
Die journalistische Flaute schien beendet, obwohl Afghanistan und
die Jagd nach Osama bin Laden noch in aller Munde war.
Die Medien benötigten neue Superlativen und hatten sie in einem
möglichen und heraufziehenden Krieg gegen den Irak spätestens
im Dezember 2002 auch gefunden.

So plötzlich wie der Afghanistan Krieg aufgetaucht war, verschwand
er auch wieder aus den Medien, gleich einer Schrecksekunde der
Weltgeschichte.
Obwohl die heutige Situation in Afghanistan nicht den geringsten
Anlass dazu gibt, die dortigen instabilen Verhältnisse aus den Augen
zu verlieren, da mit KARZAI, dem Staatspräsidenten
Afghanistans, ein Mann von US Gnaden eingesetzt wurde, blieben
die Köpfe der Journalisten Gefangenen gleich: leer.
Zum neuen Kriegsbetätigungsfeld wurde nun der Golf.
Er sollte auch in der nahen Zukunft alle anderen Formen der
Kommunikation bestimmen.

Die Bedeutung der Macht der Medien, die im übrigen
Michael MOORE durchaus in „Fahrenheit 9/11“ bezüglich
BUSH herausarbeitet, der sich vor seiner Einberufung gedrückt
haben soll, um sich selbst für einen Golfeinsatz zu
präparieren, liegt darin begründet, dass sie sich selbst zu einer immer
stärkeren Anpassung an die offizielle Politik eines Staates bemühen,
was man schlichtweg mit Medienrealitäten bezeichnen kann.
Letztlich ist das Unterwerfung und Instrumentalisierung.
Politik und Medien verschwimmen hier und machen sich gegenseitig
zu Opfern.
Die nachrichtenadäquate Verpackung ist der Nachrichtenwert und gute
Public Relations Berater sind nicht nur dazu in der Lage, Nachrichtenwerte
zu erkennen, sondern sie können auch Nachrichten inszenieren.
Diese „Schöpfer der Ereignisse“ sind damit auf Gedeih und Verderb
des manipulierten Zugriffs auf die amtliche bzw. staatliche Nachrichtenpolitik
angewiesen.

„Krieg kaum noch zu vermeiden“, „Truppen am Golf stehen bereit“,
„Der Krieg ist nicht mehr zu verhindern“, usw.
So oder ähnlich lauten in jenen Tagen die Aufreißer der Zeitungen.
Für Korrekturen war scheinbar kein Platz mehr, die sich aber jeder
friedliebende Mensch so sehr wünschte.
Die Berichterstattung wurde zur redaktionellen Strategie.
Sie stellt Bilder der anderen und Selbstbilder her, bündelt die Interessen
und probt die Krisenkommunikation.
Ein Sprecher des amerikanischen Militärs sagte ganz unverblümt am
9. März 2003 im Zweiten Deutschen Fernsehen: „Wir werden leider
von der Berichterstattung des Pentagon profitieren müssen.
Andere Quellen gibt es nicht.“
Über welche Quellen verfügte Michael MOORE?
Waren es die, auf die sich in Amerika traditionell die Kriegsgegner
beziehen, oder sind es die gewesen, auf die man angewesen ist,
wenn man in Zeitungsarchiven recherchiert?
Die Widersprüche bleiben, was nicht gegen MOORE spricht, aber
auch nicht dafür, ihm uneingeschränkt zu vertrauen.

So schließt sich der Kreislauf der Propagandamethoden: die Presse,
die Agenten, Film, Fernsehen und ähnliche Mittelsmänner stehen
Gewehr bei Fuß.
Ihre interessensgebundenen Wahrheiten werden bereits jetzt
schon wieder und lange vor der Präsidentenwahl in den USA
angewandt und eindrucksvoll demonstriert. KERRY oder BUSH?
Beide haben ihre Lobby und Millionen von Dollars hinter sich.
MOORE hatte dagegen nur einen bescheidenden Etat zur
Verfügung, um „Fahrenheit 9/11“ zu machen. Die Publicity und
die Aufmerksamkeit der Medien wollen alle. Und MOORE
natürlich umso mehr, weil er mit seiner Anti-BUSH Propaganda
schließlich einen erneuten Wahlsieg seines größten Feindes
verhindern will.
Auch hier erscheint die mediale Präsenz zum 1. Golfkrieg
verblüffend.
Zur psychologischen Kriegsführung mutierte eine Presse, die beide
Kontrahenten BUSH und Saddam HUSSEIN dankbar aufnahmen.
Wie zwei Boxer im Ring standen sie sich gegenüber- die Dramatisierung
des Konflikts erreichte mit der fortlaufenden Dämonisierung des
irakischen Diktators eine zum Modell mutierendes journalistische
Stimme.

Die weltweite Inszenierung durch die Presse vom Showdown bis zum
Countdown nahm schon bizarre Züge an.
Das Land, einschließlich der Presse stand auf der Seite des Präsidenten.
In Bagdad hatten hochrangige CNN-Mitarbeiter und Pressevertreter
rechtzeitig gute Beziehungen zur irakischen Regierung aufgebaut, die
ihnen überspielte Beiträge aus dem Krieg für harte Dollars hinterließen,
und die später um die Welt gingen, um das Kriegselend im Land
zu dokumentieren.
Heute noch werden diese Bilder gezeigt. Und während die ersten
Raketen im März 2003 in Bagdad einschlugen, spielte BUSH
Golf, den MOORE mit den Worten zitierte: „Schauen Sie sich diesen
Schlag an!“ Fürwahr hatten beiden Seiten ihre Spitzfindigkeiten
auf die Spitze getrieben. Für die einen ist das ein Beweis für das
Dilemma der BUSH Administration, für die anderen nur der
entspannte BUSH, der sich wie ein US Bürger verhält. Oder sollte
ein Präsident nicht Golf spielen dürfen?
Nichts besonderes also, aber für das Informationsmonopol eine
Speersitze für die informative Operation.
Alle wichtigen Medien waren erneut in Bagdad vor Ort, sie haben
sich auf den Dächern von Hotels postiert, Wohnungen gemietet, und
führten bereits ununterbrochen Interviews, die jedermann im
Internet mit Liveschaltungen (CNN) verfolgen konnte.
Das Wirklichkeitsverständnis muss auch in kritischen Filmen immer
wieder hinterfragt werden. Denn der Realitätssinn hängt auch
davon ab, welchen Bildern wir vertrauen können.

Fazit: Die Verhältnisse gleichen sich also.
Wer sich gegen BUSH stellt, wird „Fahrenheit 9/11“
überschwänglich feiern, wer kritisch bleibt, wird über den
herausragenden Platz der Nachricht(en) schreiben. Darüber,
dass sie den ersten Platz in der Hierarchie der
Programme hat.
Die Konstrukte der Wirklichkeit sind es, die nicht nur das Leben des
einzelnen bestimmen, sondern auch alle Formen der Kommunikation.
Eine herausragende Bedeutung kommt dabei der Beschaffenheit von
Bildern in Konfliktsituationen zu. Die amerikanische
Administration zeigte in den ersten Tagen des 2. Golfkrieges
die chirurgischen Einschläge ihrer Bomben und Raketen,
MOORE zeigte die Folgen.
„Bitte bleiben sie“ wird von Kriegsgegnern und Kriegsbefürwortern
daher immer stärker atomisiert. Alles was passiert und passieren
wird, ist in der globalen Welt scheinbar nur noch von den Massenmedien
geprägt. Das gilt für alle Seiten.
Sie sind sorgfältig vorbereitet, eben orchestriert, so als ob sie uns
eine Realität vermitteln wollen, die aber keine ist.
Ob sie zwischen Krieg und Frieden mitentscheiden werden?

Dietmar Kesten 1.8.04 13:02