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Germanikus

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Germanikus Dietmar Kesten 27.3.04 12:15

GERMANIKUS

EIN BAYER MACHT NOCH KEINEN SOMMER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 27. MÄRZ 2004.

Gerhard POLT kennt jeder.
Er war der „Herr Ober“ (1991). Man sah man ihn in
„Man spricht deutsh“ (1987).
Seit „Kehraus“ (1983) sind 20 Jahre vergangen. Umso mehr
erwartete man, dass sein vierter Spielfilm „Germanikus“ an alte
Tugendenden des Urbayern anknüpft, die er so grandios in
„Kehraus“ darzustellen vermochte.
POLT setzt auf die alte Crew, die ihm schon öfter bei Seite stand,
wenn er sich ins Kino wagte. Mit von der Partie sind sein
Regisseur Hans-Christian MÜLLER (Regie bei allen POLT Filmen
und „Langer Samstag“, 1987) und seine von ihm so hoch
geschätzte Partnerin Gisela SCHNEEBERGER.

Während Cäsar und die Honoratioren prassen und zechen, stellen
sie das Volk mit Brot und Spielen ruhig.
Das Reich liegt in seinen letzten dekadenten Zügen, die
Völkerwanderung ist in vollem Gange, und mitten im Trubel
landet der Ur-Bayer Hermann (POLT).
Soeben lebte er noch als Taugenichts im Hotel Mama im kaum
bekannten Nest Sumpfing bei Ampfing.
Nun ist er auf einmal Sklave der Römerin Tusnelda
(SCHNEEBERGER). In dieser Welt der Antike ist Hermann
wie ein Elefant im Porzellanladen bestens aufgehoben.
Seine gnadenlose Arroganz ist schon wieder tiefste Ignoranz.
Doch er übersteht alle Anfeindungen, sogar eine
Liebelei mit einer Kurtisane (Sylviane Aissatou THIAM).
Durch sein Wirken bleibt im römischen Imperium kein Stein
auf dem anderen.

Die Komödie von POLT über den Untergang des Römischen Reiches
und seine Interpretation, ist, das muss man leider sagen, gründlich
in die Hose gegangen.
Wer meint, dass POLT es versteht, an seine geniale
Faschingsdienstags-Behörden Satire „Kehraus“ anzuknüpfen,
oder an seine TV-Kult-Geschichten „Fast wie im richtigen Leben“, der
hat sich kräftig getäuscht.
Dumpfsinnig und ohne erkennbare Höhepunkte schleppt sich der
Film durch die freie Wildbahn und durch ein ständig sinkendes
Niveau, das sich einmal mehr in den Dialogen, einst die Stärken
von POLT, niederschlägt. POLT brilliert nicht, es gibt keine intellektuelle
Größe, keine Bissigkeit, keine Schärfe. Stattdessen Klamauk bis
unter die Achselhöhlen, Zoten, Gags ohne erkennbare Zuordnung
zur Handlung.

SCHNEERGER ist ohne POLT nichts, wie Lisl KARSTADT nichts
Ohne Karl VALENTIN war.
Ob sich hier die Wahlverwandtschaft niederschlägt?
Wenn sich SCHNEEBERGER und ENGELKE, die weit überschätzt
wird, mit ihren Sänften um einen Parkplatz streiten, dann ist das
peinlich und ruft noch nicht einmal ein gequältes Lachen hervor.

Das Römische Reich im 4. Jahrhundert nach Chr. wird regiert von
Kaiser Titus (Moritz BLEIBTREU).
BLEIBTREU („Knocking On Heaven’s Door“, 1987,
“Lola rennt”, 1988, “Fandango”, 2000, “Das Experiment”, 2001,
„Solino“, 2002), der in einigen Kinofilmen wenigstens etwas von
seinen schauspielerischen Fähigkeiten hat aufblitzen lassen, ist
hier völlig von der Rolle. Wer sich kostümiert, der läuft manchmal
selber vor sich weg. Es sei denn, Größenwahn hält ihn bei der
Stange. Hier spielt er seine letzte Karte aus, und man ist verwundert,
dass Gesten, Grinsen und Grimassen ihn nicht vom Thron stürzen.
Dem schließen sich gnadenlos an: Irm HERMANN (als Mutter),
Hilmi SÖZER (als Sklavenjäger), Tom GERHARDT, der aus
„Hausmeister Krause“ bekannt ist, Manfred LEHMANN,
Rufus BECK oder Annette FRIER.

Bei POLT vermisst man alles, was ihn einst groß gemacht hat,
seine kabarett-erprobten Spitzen, grantige Gesellschaftskritik,
politische Satire mit höchstem Unterhaltungswert.
Genau das, was ihn von ENGELKE, GERHARDT und anderen so
famos unterschied, und sie in seinen besten Tagen schon alleine
wenn er die Bühne betrat, glatt an die Wand spielte.
Wenn Fernseh-Möchtegernkomiker sich hier ein munteres
Stelldichein geben, und POLT dafür seinen guten Namen hergibt,
dann sind seine ‚Biermösl-Blosn’ nur bloße Brosamen auf einem
verdunkelten Tablett.

Der Film hat seine beste Szene in einer Posse am Strand.
Wenn SCHNEEBERGER und POLT bei mehreren Gläsern Wein
(Chianti, Jahrgang 1984 - „Du musst ihn mit Verstand trinken“)
rühr- und weinselig über Germanien plaudern, dann blitzt leider
nur etwas von seiner einstigen Ironie auf.
Viele seiner Gags bleiben im tiefsten Comedy-Niveau stecken.
Etwa, wenn in der römischen Arena dem Märtyrer-Christen der
Kopf abgeschlagen wird und POLT als ‚Germanikus’ ihn wieder
aufsetzt. Comedy funktioniert hier, wenn überhaupt, als
Schock. Der Film von Hanns Christian MÜLLER entpuppt sich
als endlos wiederholende Serie des Immergleichen und erschöpft
sich so - ohne kritische Impulse- als plumpe Machart der
Comedy-Verblödungsindustrie.

Fazit: POLT ist der erste Kabarettist, dem nach 90 Minuten
die Luft ausgegangen ist. Schade.

Dietmar Kesten 27.3.04 12:15