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Metallica: Some Kind of Monster

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Metallica: Some Kind of Monster
James Hetfield
USA 2004 - Regie: Joe Berlinger, Bruce Sinofsky - Darsteller: James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett, Robert Trujillo, Dave Mustaine, Jason Newsted, Bob Rock, Phil Towle, Torben Ulrich, Zach Harmon, Cliff Burton - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 139 min. - Start: 26.8.2004
Beschreibung

In drei Jahren Produktionszeit haben die preisgekrönten Dokumentarfilmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky (die Regisseure u.a. von „Brother’s Keeper“ und „Paradise Lost“) ihren neuesten Film „Metallica: Some Kind of Monster“ fertig gestellt. Der Film ist ein faszinierender, beeindruckender, tief greifender und schonungsloser Blick hinter die Kulissen der erfolgreichsten Heavy-Metal-Band aller Zeiten und deren Aufnahmen für das aktuelle Album „St. Anger“ (veröffentlicht 2003, das erste, neue Studioalbum in fünf Jahren), die von weit reichenden, zwischenmenschlichen und kreativen Problemen geprägt waren.

Auch „Metallica: Some Kind of Monster“ geht in bester Tradition von für das Genre stilbildenden Filmen wie „Don’t Look Back“ oder „Gimme Shelter“ über die Konventionen des Rock’n Roll-Dokumentarfilms hinaus, indem auch dieser Film gerade nicht Rockstar-Posen als intimen Blick hinter die Kulissen der Künstler zu verkaufen versucht. Stattdessen zeichnet der Film ein detailliertes und sensibles Bild jener Individuen, aus denen sich die legendäre Band zusammensetzt, und ihre einzigartige Reise im Windschatten des Rausches ihrer eigenen, bisweilen für die Personen selbst beinahe übermächtigen Kreativität.

Als die Filmaufnahmen begannen, hatte die Band gerade den im Grunde völlig unerwartet eingetretenen Ausstieg ihres langjährigen Bassisten Jason Newsted zu verschmerzen. Die Beziehungen zwischen den übrigen Musikern waren auf einem bandhistorischen Tiefpunkt angelangt, und weil Metallica mehrere Jahre weder getourt noch ein Album veröffentlicht hatte, spekulierten Fans und Musikpresse eifrigst und recht pessimistisch über die Zukunft der Band. Aufgrund des enormen Drucks der Öffentlichkeit, beschloss die Band zusammen mit ihrem langjährigen Produzenten Bob Rock (er ersetzte im Studio zunächst auch den Bassisten) die Aufnahmen für ein neues Album zu beginnen; jenes Album, das später unter dem Titel „St. Anger“ veröffentlicht werden sollte. Trotz der personell und kreativ sehr schwierigen Lage. Um das endgültige Auseinanderbrechen des stark angeknacksten Bandgefüges zu verhindern, sah das Metallica-Management Q-Prime nur die Möglichkeit, die Band mittels einer professionell geführten Gruppentherapie wieder geistig und kreativ zusammen zu führen.

In Phil Towle wurde einer der erfahrensten Therapeuten der USA engagiert, die Therapie begann parallel zu den ersten Studio-Sessions für das neue Album. Im Zuge der in vielerlei Hinsicht sehr offenen und tief gehenden Sitzungen mussten alle Mitglieder der Band mit der Tatsache zurechtkommen, dass sie sich in all den Jahren der engen Zusammenarbeit gegenseitig kaum wirklich kennen gelernt hatten. Für Sänger James Hetfield führte die Therapie direkt in eine spontane einjährige Entzugs- und Rehabilitations-Zeit, in welcher das Schicksal der neuen Aufnahmen ebenso ungewiss war wie die Weiterexistenz der gesamten Band.

In einer Atmosphäre von außergewöhnlicher und sehr viele Einblicke gewährender Intimität filmten Berlinger und Sinofsky diesen gesamten Entdeckungsprozess der Bandmitglieder ihre eigentlichen Probleme miteinander betreffend und mit den Problemen jedes Einzelnen mit den Ecken und Kanten ihrer individuellen Persönlichkeit; ihre Konfrontation mit den Dämonen ihrer Arbeit und den Dämonen ihrer Persönlichkeiten; ihre Probleme im Umgang mit den Wünschen und Sachzwängen einer schnelllebigen Unterhaltungsindustrie, als deren Teil eine Band von der Größe Metallicas auch verstanden werden muss.

Dank der von den Regisseuren auf bemerkenswerte Weise geschaffenen „Blick-hinter-die-Kulissen“-Perspektive wird der Zuschauer in den Film hineingezogen, emotional berührt wie es sonst nur im Spielfilm gelingt, er wird ebenso eingeweiht in die Wiedererfindung des kreativen Prozesses der Band Metallica, wie in die Kämpfe und Anstrengungen der Musiker als Menschen gegen die immer währenden Versuche der Ansprüche und Versuchungen ihres in fast 25 Jahren selbst erschaffenen Multimillionen-Dollar-Monsters Metallica sie als Personen regelrecht aufzufressen.

Der Film verfolgt ebenso die Veränderungen innerhalb der Band, als James Hetfield von seinem lang gehegten Alleinvertretungsanspruch in Sachen Liedtexte abrückt und die Band für ihre Verhältnisse große, neue Experimente in Sachen Studioarbeit für sich selbst endlich zulässt. Dem Betrachter wird der Blick auf den Kampf von Hetfield eröffnet, sein Image als Front-Mann der „Hardest Partying Band“ im Rock-Business endlich zu überwinden ohne seine Glaubwürdigkeit vor sich selbst und vor den Fans zu verlieren (in den Vergangenheit wurde die Band von Fans und Presse auch gerne mit dem Spitznamen „Alcoholica“ bedacht). Kann es für einen wie ihn überhaupt ein wirklich „sauberes und ordentliches“ Leben, auf Tour, im Studio, privat geben?

Der Film zeigt dem Betrachter wie entgegen so vielem was in zwei Jahren passieren kann dennoch ein neues Album Form annimmt: Zwei bewegte Jahre, in denen unter anderem Schlagzeuger und Gründungsmitglied Lars Ulrich in einer Anhörung vor dem Kongress der Vereinigten Staaten gegen Napster aussagte; zwei Jahre, in denen James Hetfield alles tut um seine Musik und sein Leben jenseits seiner jahrzehntelang kultivierten Süchte wieder neu zu entdecken. Zwei Jahre, in denen der langjährige Bassist Jason Newsted die Band für immer verließ und schließlich durch Robert Trujillo würdig ersetzt wurde. Zwei Jahre, in denen das Sozialgefüge Metallica den Wiederaufstieg vom Beinahekollaps zu einer wieder erstarkten, kreativ innovativen und musikalisch qualitativ noch hochwertigeren Band bewältigte, die ein weltweites Nummer-Eins-Album veröffentlicht hat und eine ausverkaufte Welttournee in Angriff nimmt.

Wie so manche große Geschichten die das Leben schreibt, so kam auch bei der Produktion von „Metallica: Some Kind of Monster“ alles anders als es von den an der Entstehung beteiligten Menschen zunächst erwartet worden war. Denn was als Dokumentation der Entstehungsgeschichte eines Rock-Albums gedacht gewesen war, wurde völlig unerwartet zu einer langen Reise in die Tiefen zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem sehr genauen Blick auf die Mächte innerhalb kreativer Prozesse die von den Menschen die sie in sich tragen enorme emotionale Tribute fordern, oder aber für diese auch die ultimativen Seelenheiler sein können.
Text & Foto: Kinostar