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Mindhunters

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Geisterbahn fahrn' Dietmar Kesten 26.6.04 12:16

MINDHUNTERS

WARUM MUSS ICH JEDEN TAG GEISTERBAHN FAHRN’

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 26. JUNI 2004.

Filme mit CHRISTIAN SLATER und Val KILMER muss man nicht
gesehen haben.
Darin könnte schon die ganze Filmkritik gipfeln.
Doch Filmkritiker machen es sich nicht einfach. Sie schauen hinter
die Kulissen und erkennen oftmals etwas ganz anderes in solchen
Filmen, die man vorgibt, zu kennen, oder erkannt zu haben.
Denn der Schein trügt. Wenn hinter der Wand der
Vorhang brennt, sollte man schon genauer hinschauen.

J. D. Reston (Christian SLATER) und Sara Moore (Kathryn MORRIS)
gehören zu einer Gruppe junger FBI-Ausbilder, die kurz vor
ihrer letzten Prüfung stehen,
Der Ausbilder Jake Harris (Val KILMER) gehört zu jenen Herren,
die für ihre fragwürdigen Ausbildungsmethoden bekannt sind.
Für die letzte Prüfung werden sie auf eine Insel geflogen, auf der
sich nur ein Ausbildungslager der US-Army befindet, das nur für ein
Wochenende gemietet wurde.
Innerhalb eines zeitlichen Limits soll die Gruppe, die insgesamt aus
7 Leuten besteht, ein (simuliertes) Verbrechen aufklären, indem sie
ein Profil des Täters erstellen.
Als der Erste aus der Gruppe ermordet wird und das einzige Boot,
welches sie von der Insel wegbringen könnte, in die Luft fliegt,
ist Panik angesagt. Vor allem deshalb, weil der unbekannte Mörder
eine detaillierte Zeitangabe hinterlassen hat, wann der Nächste
sterben wird.

Renny HARLIN („Stirb langsam 2“, 1990 „Cliffhanger“, 1993,
„Die Piratenbraut“, 1995, „Deep Blue Sea“, 1999, „Driven“, 2000), der
durch Action-Filme bekannt wurde, wagt sich hier an ein Genre, von
dem er hätte besser die Finger lassen sollen.
Ambitionslos heruntergedreht, versucht dieser konstruierte Thriller mit den
Erwartungen der Zuschauer zu spielen. Auf der zwanghaften Suche
nach immer neuen Wendungen, die aber niemals überraschend sind,
neutralisiert sich der Film und zerlegt sich selbst in seine Einzelteile.
Dass die Protagonisten hier schnell zur Waffe greifen, um dem
psychopathischen Mörder den Kampf anzusagen, gehört in der
Zwischenzeit im Kino zur täglichen Verrichtung.
Die Kinowelt erscheint als „Wild At Heart“ (David LYNCH), ist
Selbstzweck und bloßes Ereignis.
Der Schrecken muss sich durch pervertierende Gewalt manifestieren,
sonst ist er einfach nicht glaubhaft.
Die dem Film zu Grunde liegende Gewalt kann in der
Zwischenzeit nur als eine kontinuierliche Katastrophe bezeichnet werden.
Da einfache Lösungen nicht mehr greifen, müssen die unendlich
verkomplizierten sog. Realitäten in eine übergeordnete Entsprechung
der Konflikte einmünden.

Die Eröffnungsszenen, die nichts besonderes sind, aber doch immer
irgendwo filmisch betrachtet, funktionieren, ziehen ihre Kreise: da gibt
es einen Ort, eine schaurige Örtlichkeit, einen alter Truppenübungsplatz.
Das erinnert an zwielichtige Gestalten, die dort ihr Unwesen treiben,
die die Konflikte von mal zu mal zwischen ästhetischer Oberfläche und kontinuierlicher Katastrophe ankündigen, die als Symbol und Metapher
hervortreten wenn der Film die Gegensätze zeichnet, sich in die
postmoderne Widersprüchlichkeit verwickelt und eher resignative
Tendenzen verbreitet.
„Zehn kleine Negerlein“, das erscheint immer fruchtbar.
Das Angebot dieser filmischen Software reicht weit zurück.
Erinnert werden soll an „Scream“, 1997 (Regie: Wes CRAVEN),
„Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ (Regie:
Jim GILLESPIE, 1998), „Identität“, 2003 (Regie: James MANGIOLD),
„Wrong Turn“, 2003 (Regie: Rob SCHMIDT),
„Final Destination II“, 2003 (Regie: David ELLIS).
Die Filme sind typisch für den Ansatz, weil sie eine Spannung
aufbauen (nicht zu verwechseln mit Suspense), die hintergründig
wirken. Manchmal als Alptraum ohne Erwachen, manchmal als Flucht
aus einem Labyrinth, das nur rein äußerlich beschädigt wird.
So scheint es, dass mache Filme, die beides verinnerlichen, egal
aus welchen Gründen, in einer Melange aus visuellen Erinnerungsfetzen,
logischen Brüchen und Zeitsprüngen bestehen.
Wenn dann noch die brutal direkte Darstellung von Gewalt in
bizarre Episoden einmünden, dann sind die Elemente provokativ:
der Killer ist in Mission unterwegs, er schlägt ohne Erbamen
zu. Aus dem Spiel wird Ernst. Die Gruppe wird dezimiert, und nur
die bewähren sich auf der Insel, die Chancen auf einen Job beim
FBI haben.

Das Konkurrenzverhalten ist hier erstaunlich.
Erschwerend kommt hinzu, dass Ausbilder Harris quasi in letzter
Minute einen Detektive der Mordkommission (James TODD)
vorstellt, der die Gruppe bei der Arbeit beobachten soll. Hier wird
zusätzlich mit Spannung gearbeitet, die quer durch die Genres geht.
So bauen sich Krimis, Horror und Splatter auf.
Und wenn die Ironisierung nicht mehr hilft, dann richtet sich Gewalt
gruppenintern gegen jeden und der totale Blackout übernimmt
den Platz in der eigentlichen Handlung, bei der der Zuschauer
unvermittelt miteinbezogen werden soll.
Der latent aufgeladene Atmosphäre scheint niemand gewachsen zu
sein. Man scheint vergessen zu haben, was man in der Ausbildung
gelernt hat. Und so passieren dann Morde, bei denen wie immer
übermäßig viel Blut verspritzt wird, die schon voyeurhaft an
sadomasochistische Gemetzel erinnern.

Die Handlungslogik ist nicht nur krude, sie zeigt nicht nur den
Wiedererkennungswert dieser typischen Genreelemente,
sondern sie zeigt auch deutlich den Hang zu Slasher.
Und das kann hier nur bedeuten, dass die Akteure im Film
sehr berechenbar handeln, was mehr und mehr Schwierigkeiten
mit der Glaubwürdigkeit von „Mindhunters“ macht. Dass er
mit dem bekannten Muster des schon Gewussten und der
Wiederkehr hantiert, ist kein Zufall.
Was könnte er deshalb sein: ein Rätselkrimi mit betonter
Innerlichkeit und Problembewusstsein für die Situation, oder ein
Slasher-Movie mit deutlichem Charakter zum Tötungsrausch?

FBI-Profiler sind mit allen Wassern gewaschen.
Ihre Botschaften sind stets verschlüsselt, wollen verschlüsseltes
bewahren und sorgen wohl zuletzt deshalb auch dafür, dass
die Bilder sich oftmals von den Handlungen und der Wirklichkeit
nicht so ohne weiteres unterscheiden lassen.
Öffentliche und private Räume- wie die Insel- sind nicht einfach
voneinander zu trennen. Und Serienkiller leben gerade hier in ihrer
Eigendynamik. Der Puppenspieler, der sein Unwesen treibt erinnert
an die Fahrtenspiele der Jungenschaft des CVJM: auch dort wird
mitunter der Kampf gegen die Zeit zur eigentlichen Crux.
Ob Showdown über oder unter Wasser: wenn einer nach dem anderen
stirbt, die Kettenreaktion darauf erkennen lässt, dass die räumliche
Tiefe dieser Bilder verzerrt und übertrieben sind, bis zur unerkenntlichen
Fratze entstellt werden, dann dechiffriert der Film sich selbst.

Mit großem Aufwand wird versucht, den Zuschauer in die Irre
zu führen (mit Blut werden Zahlenreihen an die Glaswand
geschmiert). Die doppelte Gestalt der Rätsel (Uhren und Zeitpunkte)
sind wahrscheinlich mehr Mist als Information. Was sollte man
damit anfangen können?
Die Figuren sind uninteressant, der Aufbau des Spiels, der Plot.
Niemand hat ein rechtes Interesse daran, gegen den eiskalten
Profikiller anzukämpfen. Der klaustrophobische Ansatz
verpufft. Kontext und Idee lassen nicht erkennen, was reale
oder nur bloße simulierte Bedrohung ist. Vom FB weiß man das.
Und so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
die hoffnungsvolle Moral, den Täter doch zur Strecke zu
bringen, im ‚guten’ Programm der Profiler gipfelt.

Das Ende ist nicht immer ein Ende. Und ein Toter ist nicht immer
ein Toter. Die Verflechtung dieser Elemente lassen erahnen,
dass diese schon dematerialisierte Realität eigentlich in eine
ganz andere Kategorie gehört. Und dass Klaustrophobie
auch bedeuten muss, dass man in ständiger Bewegung ist,
sich laufend mit Perspektiven und einem überschaubaren
Netzwerk von Möglichkeiten zu beschäftigen hat.
Dass das im Film nicht so ist, hat dann fatale Konsequenzen,
die im falschen Ehrgeiz, in der Lustlosigkeit der Darsteller
(Val KILMER, Christian SLATER), im zerhackten Plot und
im langweiligen Ende von „Mindhunters“ einmünden.

Fazit: Dass eine Gruppe von unterschiedlichen Individuen
angesichts der akuten Existenzbedrohung aufeinander
gewiesen ist, erscheint als Märchen.
Um diese allgemeine Frontstellung konstruiert sich das
B-Movie. Da der Film gleichzeitig mit vielen Ebenen spielt,
mit Ebenen der Erwartungen und der Enttäuschungen, ist
er genau aus diesem Grunde merkwürdig.
Hier wird die Kinoillusion nahe gebracht, dass nichts
scheint, wie es ist. Die Glaubwürdigkeit der Handlung ist
nur additives Beiwerk.
Die schwer fassbaren Ängste, die manchmal sadistisch
und unbarmherzig gestreut sind, zeigen rasch, dass
die Handlung sich auf Personencharakterisierung reduziert.
Wer Fallen stellt, der ist nicht immer Fallensteller.
Das Spektakel des Unglücks kann sich nicht nach zahlreichen
Prüfungen und Bewährungen darin erschöpfen, schlussendlich
ein neues Leben zu führen.
Ohne weitergehende innovative oder gar künstlerische
Ambitionen zu haben, zerläuft „Mindhunters“ in den
vielfältigen Mischformen vieler Genres.
Es mag solides Hollywood-Handwerk sein, das in ausladenden
Schilderungen seine Schockelemente verbreitet.
Es bleibt aber der bittere Beigeschmack, dass der Film zur
ungewollten Parodie seiner selbst wird.

Dietmar Kesten 26.6.04 12:16