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Ocean's Twelve

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DER KREISLAUF DES KAPITALS. Dietmar Kesten 16.12.04 19:45
DER KREISLAUF DES KAPITALS. Martin 22.12.04 23:06

OCEAN’S TWELVE

DER KREISLAUF DES KAPITALS

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 16. DEZEMBER 2004.

Die Geschichte ist langatmig zu erzählen.
Sie setzt den Kenntnisstand von „Ocean’s Eleven“
(Regie: Steven SODERBERGH, 2001) eigentlich
voraus, weil es sich um einen Fortsetzungsroman handelt,
der die Meisterdiebe in einem Dreifach-Gig durch Europa
schickt (Amsterdam, Paris und Rom), und die alte Frage
nach der Käuflichkeit der Dinge in alt bewährter Kinomanier
beantwortet.
In „Ocean’s Eleven“ war es Danny Ocean (George CLOONEY),
und seine Meistergauner, die in einem Coup das gut gewachte
Casino in Las Vegas um das Vermögen brachten.
Der Geschäftsführer Terry Benedict (Andy GARCIA) verlor nicht
nur seine Reputation, sondern auch Tess (Julia ROBERTS), die
zu Danny zurückkehrte.
Benedict spinnt seine Fäden und lässt diese Schmach nicht
auf sich sitzen. Von Dannys Bande sucht er einen nach dem
anderen auf, um ihnen einen Deal zu unterbreiten: entweder
er bekommt die 160 Millionen Dollarbeute zurück, oder
die Startruppe wird nach und nach dezimiert.
Da niemand von „Ocean’s Eleven“ sein Leben verlieren will,
findet sich die gesamte Gang zur Besprechung für einen neuen
Coup ein; denn Geld ist nach wie vor Mangelware.
Die „Ocean’s Twelve“ sind geboren.
Eine hochkarätige Besetzung mit Meisterdieb
Rusty (Brad PITT), Isabel Lahiri (Catherine ZETA-JONES),
dem Taschendieb Linus Caldwell (Matt DAMON), dem
Sprengstoffexperten Basher Tarr (Don CHEADLE),
Safeknacker Frank Catton (Bernie MAC), Julia ROBERTS
als Tess, Terry Benedict (Andy GARCIA) muss nun ihr
Überleben sichern.
Natürlich geht dieses Ding nicht reibungslos über die
Bühne. Das Elite-Ensemble wird von mysteriösen
Gangstern verfolgt und von unerwarteter Seite drohen
weitere Überraschungen.

Die Erzählweise der Geschichte erinnert an
„The Good Thief” (Regie: Neil JORDAN, 2002) und
„The Italian Job“ (Regie: F. Gary GRAY, 2003).
Und keine Unstimmigkeit sollte darin bestehen,
dass „Ocean’s Eleven“ und die dortige Star-Truppe
einfach in einen neuen Film hineinkopiert wurden.
Allein das könnte schon als Kritik ausreichen; denn
die Spuren in „Ocean’s Twelve“ sind überdeutlich ausgelegt.
Meistens beruhen all diese Figuren auf Vorbildern
aus Caper-Movies (das sind Filme, in denen ein ausbaldowerter
Raubzug im Mittelpunkt einer Handlung steht) der 50er- und
60er Jahre.
Angelegt waren sie u. an in Frankreich, Italien, England und
den USA. Thomas CROWN, Charlie CROKER oder
Frank W. ABAGNALE waren denkwürdige Täuscher,
Trickbetrüger und Meisterdiebe, die in zig Filmen zur
Ehre kamen.

Bereits die jüngsten Reflexionen über moralisierende
Besserwisser, Krimiabenteurer, Spielverderber,
Leinwandprovokateure, Aufschneider und Möchtegernakteure,
hatten gezeigt, dass dieser ganze Reigen elitär und
überflüssig ist, dass diese Filme im Prinzip am Kinozuschauer
vorbeigehen, weil das Ende abzusehen ist, und weil das
Kino hier zu einer friedlicheren Plauderei mit Krimihandlung
entartet.
Eigentlich gibt es auf diesem Sektor keine Überraschungen
mehr, es sei denn, man wolle diesen zweiten Teil mit
noch mehr medialen Superdarstellern (in weiteren Rollen sind
zu sehen: Bruce WILLIS, Peter FONDA, Robbie COLTRANE)
als eine solche bezeichnen, und den Auftritt des
arroganten CLOONEY und anderen als vollkommenes neues
Produkt feiern.
Amerikanische Geschichten, selbst wenn sie in Europa spielen,
sind wie Geschichten von einem Ehepaar, das sich trennt,
oder bald trennen wird. Sie schreien, lachen, weinen, belügen,
betrügen sich, verlieren und verlassen sich, finden sich
wieder. Augenblicksgeschichten, die das Kino auf vortreffliche
Weise abbilden kann.
Solch ein Kinoreigen wird ineinander verschoben, überdeckt,
bis nichts mehr zu erkennen ist. Meistens ist das auch der
Schluss dieser Filme; denn auch die Schauplätze sind immer
gleich. Mal ist ein Nachtclub der Orts des Geschehens, dann
ein Casino, eine Gemäldegalerie, ein Safe oder eine Bank.
Diese Geschichten scheinen in Routine zu erstarren.
Eigentlich sind sie nicht zu verfilmen, da ihre fälschenden
Momente aus anderen Handlungen übernommen erscheinen
und wie hier, zwangsweise in ein Gerüst gesteckt werden,
das mit saurem Kitsch unterlegt ist.

Danny Ocean und Terry Benedict erweist sich als Ebenbild
dieser plumpen Stories.
Wie diese Kinovorbilder wollen sie nur Geld bzw. Gold.
Die Ware als solche, selbst wenn sie mit einer zerrüttenden
Gang neu aufgemischt werden muss, ist ein Ding, das
„gekauft und verkauft wird“, schrieb Karl MARX einst im
„Kapital“.
Natürlich könnte man über alle sieben Brücken hinweg,
nun anfangen, diesen Film auf seinen Gebrauchs- bzw.
Tauschwert hin zu extrapolieren. Das hätte den Vorteil,
dass man sich der Frage, was Geld (Gold) aus
Menschen macht, nähern könnte. Schrieb COLUMBUS
doch einst: „Geld (Gold, d. Vf.) ist ein wunderbares
Ding. Wer dieses besitzt ist Herr von allem.“
(COLUMBUS aus Jamaika, 1503). Das jedoch würde
der Interpretation zuviel sein, obwohl kaufen- und verkaufen
die unabdingbare Voraussetzung für die Ideologie dieses
Filmes ist.

Kein Gangster kann hier mit der Marktwirtschaft etwas
anfangen. Warum sollte das auch passieren? Denn sie
bedienen sich wie in einem Warenhaus.
Und ihre Legitimation ist, dass sie fast mittellos sind,
obwohl sie nicht den Anschein erwecken, morgen betteln
gehen zu müssen.
„Ocean’s Twelve“ mit noch mehr Darstellern, größerem
Budget, reißerischen Namen, und einem Regisseur,
der diese Crew wieder zu einer ‚kämpfenden
Gemeinschaft’ macht, zeigt, das diese Episoden und
Anekdoten auf der Stelle treten.
Die ruhige Meisterschaft der Regisseure scheint dahin.
Die Askese ist vorbei. Comebacks um des lieben
Geldes willen sind angesagt. Das Kino der Erschütterungen
kommt von außen, durch das Kapital, das hier mit
Fetischmasken verhüllt ist.
Die Krisen des globalen Kapitals bringen niemanden
voran, da die amerikanische Strömung unübersehbar
ist: das Recht des Stärkeren, ob mit Waffe oder ohne,
obsiegt.
Mit dieser, zur Akkumulation eingesetzt, vermehrt er auch
seinen eigenen Reichtum. Er kann jede Zurückhaltung
aufgeben, da er sich ja den Zugang mit dem wahren
amerikanischen Bild gesichert hat.

Gaunerei, Kapitalismus, Subjektideologie und
Warenfetisch- das sind in der Tat die Waffen, mit denen
hier ein Film von der Stange abgeliefert wird, der aus
der Gesellschaft heraus entstanden ist und in dieser auch
einen ewigen Platz hat.
Der moderne ‚Volksheld’, der an die Stelle von „Ocean’s Twelve“
treten mag, kann in den Lotto-Spieler einmünden, der
heimlich bewundert, die Millionen abkassiert, ohne dafür
einen Finger krumm gemacht zu haben.
„Ocean’s Twelve“ und diese armen Wichte sind indes zwei
Seiten der Medaille, die ihre erfolgreichen Einsätze nach
einem ausgeklügelten System planen. Hier wie dort, geht
um den Konsum, um damit aus der persönlichen
Identitätskrise herauszukommen, geht es um die
marktgemäßen Funktionen, um den Status,
die bestehenden Verhältnisse verbessern zu wollen.

„Ocean’s Twelve“ repräsentiert dieses Massenbewusstsein
nahezu in einer idealtypischen Form.
Gesellschaftliche Loser im Film und in der Marktwirtschaft
platzieren sich um das goldene Kalb, und eine körperlose
Stimme suggeriert ihnen ein, doch tunlichst die
freie Marktwirtschaft als ihr oberstes Ziel anzugeben.
Das ist der Fortschritt, den die kopf- und zahnlosen Gangster
aus „Ocean’s Twelve“ dem Filmbesucher anbieten.
Der Fortschritt ist die geschäftliche Ehre, die im
übertragenen Sinne die Gameshows des Fernsehen sind,
wo Abend für Abend Gewinne ausgeschüttet werden.
Und Moderatoren und Publikum animieren zum weitermachen.
Deshalb dürfte aus „Ocean’s Eleven“ auch „Ocean’s Twelve“
entstanden sein.
SODERBERGH, der einen seiner besten Filme mit
„Sex, Lügen und Video“ (1989) hatte, zerschneidet mit
diesem Film seine eigenen Erinnerungen.
Selbst Moral und Geschlechterrolle hintertreibt seine
frühere Erkennungsmarke.
Er fügt sich einfach in dieses kapitalistische Geschehen
ein. Die schnöde Sucht dieser bourgeoisen Verkehrsform, die
auf persönliche Anerkennung insistiert, wird hier mit
der gesellschaftlichen Lebensweisheit verknüpft, das man
tunlichst am persönlichen Versagen partizipieren sollte.

So ist dieses Team Synonym für das gemeinbürgerliche
Bewusstsein, das den Aufbruch in die Selbstverantwortung
schon längst beiseite geschoben hat, und stattdessen
mit dem Markt im Markt plant.
Ob diese Gangster eine Art ‚Volkshelden’ sind, die
wie einst die Gentleman, die zur Kasse baten, durch einen
Zugüberfall ihr Budget aufzubessern versuchten
(so am 8. August 1963, als eine Bande einen Postzug bei
Glasgow, der unterwegs nach London war, überfiel.
Die Beute: umgerechnet ca. 30 Millionen Mark), kann
hier nicht hinterfragt werden.
Dennoch scheint man das nicht von der Hand weisen zu
können, denn auch hier zelebriert man einen
extravaganten Stil, man hat Geschmack, einen Sinn für
Frauen, Lifestyle, ist kreativ und mitunter auch intelligent.
Ihre Gesetze und Normen sind leider auch ein Motor der
Geschichte- ganz im negativen Sinne. Hier wird aus der Not
eine Tugend gemacht.
Statt die Kritik gegen das Wesen des Kapitals selbst
anzuführen, ist das periodisch proklamierte
Frühlingserwachen des Films eine reine Werbekampagne
für die Gesellschaft der Anpassung und der Aneignung
seines „abstrakten Reichtums“ (Karl MARX).

Der Wandel, der angezeigt ist, ist das lückenlose
Gesamtbild mittels Marktprodukte dem Leben einen Sinn
zu geben.
Die Eindeutigkeit dieses Diktats ist nicht zu übersehen.
Da alles nach Unterhaltung zu gieren scheint, ist das
auch ein Hinweis auf die Leistungsbereitschaft dieser
modernen Dressur. Der Kunde von Waren und
Dienstleistungen verpuppt sich in seine wertsteigernden
Bestandteile.
Aus dem konsumierenden Nichts wird wandelndes Geld.
Die Moralität ist unter diesen Bedingungen dahin.
Die rettet auch kein Brad PITT, Julia ROBERTS, oder der
stets verkniffene Matt DAMON.
Die Vergnügungsindustrie lässt überdies die Geldmenge,
die hier angeboten wird, in einen Film einmünden,
der aus der großen gesellschaftlichen Retorte gespeist
wird.
Alles ist käuflich und kaufbar. Alles fließt wieder dort
hinein, wohin es den Konsum treibt. Am Ende steht
der Gesamtprofit, Sparvermögen, Aktien, Zinsen und
Zinseszinsen. Und die individuelle Vermögensbildung
verwandelt sich auf geheime Weise in Geldkristall,
damit der reibungslose Produktions- und Konsumtionsbetrieb
wieder funktionieren kann.

Fazit:

Die Chancen zu Geld und Ruhm zu kommen, ist den
Trefferquoten nach gering.
Doch suggeriert beides ein Vorwärtskommen, ohne
sich zu verbiegen zu müssen.
Persönliches Vorwärtskommen scheint mehr und mehr
zu einer Sache der Cleverness geworden zu sein,
Leistung und Anpassungsfähigkeit. Doch die Schattenseiten
dieser Trugbilder erlebt Mann/Frau täglich.
Wenn dazu noch solche Filme den Anschein erwecken,
das Käuflichkeit und kriminelle Machenschaften Moral, Ehre
und Anstand geworden ist, dann fügt man sich selbst
in den ökonomischen Kreislauf von Kapitalakkumulation und
Konsumentenkrediten ein.

Dietmar Kesten 16.12.04 19:45