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Paycheck - Die Abrechnung

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Paycheck - Die Abrechnung Lecter 24.1.04 01:02
Paycheck - Die Abrechnung Dietmar Kesten 24.1.04 11:18

Lecter schrieb:

» Da ich ins Kino gehe um unterhalten zu werden fand
» ich den Film gut.
» Mir wars auf jeden Fall nicht langweilig.
» Uma Thurman ist natürlich ein Klasse für sich

PAYCHECK- DIE ABRECHNUNG

JE GRÖßER DIE MASSE, DESTO DÜMMER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 24. JANUAR 2004.

John WOO, der „Hard Boiled” (1992) inszenierte, ist
in Hollywood eine feste Größe. Seinen eigentlichen
Bekanntheitsgrad erreichte er jedoch durch eine Reihe anderer
Filme, Filme die ihm viel Ruhm und Geld einbrachten.
Erinnert werden soll etwa an „Operation Broken Arrow“ (1995),
„Die Unfassbaren“ (1996), „Face/Off-Im Körper des Feindes“ (1997),
„Mission Impossible II“ (2000), „Windtalkers“ (2001).
Aus diesem Zwiespalt heraus entsteht öfter eine Geisteshaltung,
die sich mehr oder weniger auch im Kino der Unterhaltung
niederschlägt.
Mit „Paycheck“, der als SF-Thriller vermarktet wird, wird es von
mal zu mal im Kino schwieriger, nachzuvollziehen, woraus
derartige paradoxe Filmwerke ihre eigentliche Nahrung ziehen.
Die Frage steht: was kann die ‚Lebens’-Dauer dieses Genres
eigentlich noch verlängern?

Bildhaft in Szene gesetzt wird Michael Jennings (Ben AFFLECK),
der sich am Ende eines Jobs zwecks Wahrung der Firmengeheimnisse
sein Gedächtnis löschen lässt.
Als er amnesiert seine Millionen-Dollarprämie in Augenschein
nehmen will, findet er nur wertloses Zeug vor: Hinweise auf seine
Vergangenheit. Er ahnt nicht, dass die Gegenstände, die er sich
selbst schickte, seine Zukunft bestimmen und verhindern sollen,
das seine Auftraggeber ihn töten.
Zu dieser gehört auch Rachel (Uma THURMAN), eine Biologin,
die ihm fortan nun bei der Überwindung des Vergessens hilft.

Vieles an „Paycheck“ erinnert an den Replikantenjäger Deckard,
der von Harrison FORD in „Blad Runner“ (Regie: Ridley SCOTT, 1982)
gespielt wurde, vieles an Szenen aus dem
„Minority Report“ (Regie: Steven SPIELBERG, 2002) und ähnliches an
„Mission Impossible II“ (Regie: John WOO, 2000) und „Total Recall”
(Regie: Paul VERHOEVEN, 1990).
Nicht diese Nähe ist es, die schwer auf „Paycheck“ lastet, sondern
der Mangel an Ideen, der sich wie ein roter Faden durch die
gesamte Thematik des Films zieht.
Im Umgang mit den Strukturen dieses Genres erweist sich WOO
als wenig erfinderisch. Eine besondere Affinität zum SF-Film
vermag man selbst bei einer wohlwollenden Betrachtungsweise
kaum entdecken, obwohl doch gerade er als
„brillanter ‚Film-Noir’ Science Fiction“ (Cinemax, Januar 2004)
vorgestellt wurde.

Die Story basiert auf einer Kurzgeschichte des SF-Autors
P. K. DICK, auf den sich schon Größen wie etwa SPIELBERG
oder VERHOEVEN bezogen hatten.
Alleine das hätte Anreiz genug sein müssen, inspirierend auf
den Film zu wirken.
Sind die Geschichten des Autors DICK für das populäre Kino
zu kompliziert? Offenbar ist es so; denn SF hat den Geist
getötet und zugleich mit seinen zerstörerischen Leidenschaften
auch die Vergangenheit ausgerottet.
Daher hat WOO wohl mehr darauf geachtet, dass das
physische und ökonomische Wohlbefinden von AFFLECK UND
THURMAN uneingeschränkt gesichert sind, und dass sie sich
in ihrem irdischen Glück der Leidenschaften hingeben können.

Nebenbei stellt man fest, dass die Frisur des Herrn AFFLECK
perfekt sitzt, auch Frau THURMAN ist perfekt, allerdings perfekt
daneben.
Eine solche schwache Leistung hat sie selten im Kino
abgeliefert.
Sie setzt ihr Talent verschwenderisch ein und ist in diesem
artifiziellen Film nur die Besetzung einer Lücke.
Während man im Kino auf das wartet, was kommen könnte, nämlich
auf eine Handlung, quält man sich im Sessel und vergisst
schnell, worum es geht.

Dass der Film schlecht ist, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
Doch es ist geradezu schockierend, dass er die selbstgeschaffenen
Abbilder zu den entscheidenden Komponenten macht, die dann
noch als handlungsfördernde Mittel zum Zweck eingesetzt werden.
Das Filmvorhaben ist nicht nur eine äußere, sondern auch eine
innere Quälerei.
Michael und Rachel frönen ihrer Eindimensionalität. Was sie
abliefern ist Routine, die im Kino tödlich sein kann. Beispielhaft
erkennt man das an den Action-Szenen.
Sie sind dermaßen plump aufgesetzt, dass man sie als
unspektakulär bezeichnen muss.
Insgesamt sucht man vergeblich nach Anhaltspunkten und
Hinweiszeichen, die die symbolische Beendigung des Films
einläuten. Vielleicht ist es die obligate Taube, die durchs Bild flattert?
Mit diesen bitteren Sätzen sei auch auf das Trauma verwiesen,
das zum Leitmotiv für „Paycheck“ werden könnte: je größer die
Masse dieser Filme ist, die von Hollywood ausgestoßen werden,
desto schlechter fallen auch die Urteile aus.

Das gegenwärtige Hollywoodkino ist nur zu typisch für die
entliehenen Bilder, die man in all den Filmen begegnet, die das
Niveau dieser Genrefilme beleben sollen.
Es ist verblüffend, wie beharrlich sich in den letzten Jahren solche
Trends behauptet und verfestigt haben, teilweise sogar mit
außergewöhnlicher Resonanz weiterentwickelt, modifiziert und sich
schließlich sogar verfeinern konnten.
An jeder Ecke ein Erfolgsfilm!
Wenn dabei jedoch der IQ verlustig geht, dann rast dieses Kino
mit einer Kosmonautenkugel dem Niemandsland entgegen.

Fazit: „Paycheck“ sollte man schnell vergessen.
Zwar ist das Vergessensmaterial in uns unerschöpflich, aber
manchmal ist es auch gut, diesen Dauerregen im Kino zu
absorbieren, damit er nicht an die Oberfläche gespült wird.

Dietmar Kesten 24.1.04 11:18