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The Cooler - Alles auf Liebe

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The Cooler - Alles auf Liebe Dietmar Kesten 6.3.04 12:06

THE COOLER.

TRICKS UND GEFÜHLE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 6. MÄRZ 2004.

Bernie (William H. MACY) arbeitet im Casino ‚Shangri-La’ in
Las Vegas, der dort seine Spielschulden abträgt, indem er
als ‚Cooler’ arbeitet. Er wird als Unglücksrabe, als fleischgewordene
Depression und als schockierender Miserenmensch vom Casinoboss
dazu eingesetzt, Spieler an den Tischen zu verunsichert, wenn dort
zu viel Geld gewonnen wird.
Das funktioniert über einen langen Zeitraum ohne Probleme.
Wenn man sich sein Gesicht in Erinnerung ruft, seine zerborstene
Figur und seinen schleichenden gebrechlichen Gang, dann wird klar,
warum sein schlechtes Karma die Glückssträhnen der Gäste beenden.
Eines Tages verliebt er sich in die Kellnerin Natalie (Maria BELLO),
die ebenfalls im Casino arbeitet. Das traurige Männchen scheint
von der Verlierer- auf die Gewinnerstraße zu wechseln.
Der Boss Shelly (Alec BALDWIN) ist allerdings gegen diese Liebe, sie
passt ihm nicht in seinen Kram.

Wayne KRAMER hat mit seinem Debüt „The Cooler“ keinen
Gangsterfilm a la „Casino“ (Regie: Martin SCORSESE, 1995)
vorgelegt.
Auch findet seine Regiearbeit keine Entsprechung in
der Comic-Adaptation „Dick Tracy“ (Regie: Warren BEATTY, 1990),
„Bugsy“ (Regie: Barry LEVINSON, 1991), oder “Fear and
Loathing in Las Vegas” (Regie: Terry GILLIAM, 1998).
Jedoch bedient „The Cooler“ jede Menge Filmklischees, die auf den ersten
Blick nicht festzustellen sind, die der Film aber durch die
verblüffenden Ähnlichkeiten mit anderen Streifen mit sich herumträgt.
Allen voran: „Leaving Las Vegas“ (Regie: Mike FIGGIS, 1996 oder
„Einer mit Herz“ (Francis Ford COPPOLA, 1981).
Diese Filme sind es, die ihm offenbar als Vorbilder gedient haben
(der schöne Schein, die Depressionsphasen von Bernie, die
pittoreske Tristesse, das Ambiente von Las Vegas, die Love Story).

Natürlich sind die Sentimentalitäten, in die sich Bernie verstrickt
tausendmal erprobt und verfilmt worden.
Und es hat auch was, wenn man von der Verliererseite auf die
Gewinnerseite wechselt. Das ist im alltäglichen Leben wie im Film.
Und die Brutalitäten, die dabei entstehen, lassen die Charaktere
nicht unberührt. Man spürt die Einsamkeit, die Einfühlsamkeit,
das Dramatische, das sich entwickelt. Und bei der Geschichte mit
Bernie denkt man an die vielen Ungereimtheiten im Leben, die
einem auf Schritt und Tritt begegnen.
Doch man kennt seine Melancholie von ähnlichen Figuren.
Erinnert werden soll an den Autoverkäufer Jerry aus „Fargo“
(Regie: Joel COEN, 1996), den MACY so grandios
spielte.
Die Blumen fangen an zu sprießen,
Zuneigungen werden erwidert. Auch die Katastrophen nehmen ihren
Lauf: Bernie wird zum Risikofaktor fürs Geschäft.

Das eigentliche Problem des Films ist sein Ablauf. Der Vorhang
öffnet sich, der Schleier zerreißt, wir treten ein in das den Film
umgebene Gelände. Die düstere Mafiaaußenwelt strahlt zwar
eine gewisse hypnotische Ruhe aus, doch er kann sich daran
nicht so recht bereichern, er spielt seine Partie in den eigenen
Wänden, in den Studios.
Das ist schade, weil sich so in allen Winkeln die Souvenirs dieses
Genres eingenistet haben: Gesichter, die Story, Ratschläge,
kriminelle Handlungen, die Loslösung aus der Depression, die an
Bernie und an Shelly wie eine Klette hängen.

Dieser Film hätte alles gewinnen können, wenn er sich einmal
von der Kinostadt gelöst, die Nostalgie abgeschüttelt und
die alten Modelle absorbiert hätte. Die Kulissenwelt des Studios
ist hier nur ein gedeckter Tisch, von dem sich alle bedienen, was
auf gut Deutsch ‚Geselligkeit’ heißt.
Das ist im Film ein tödliches Unterfangen, weil das Unbehagen
andauernd ist, und jede Peinlichkeit, die auch eine ist (etwa
der Salzstreuer, der von Bernie umgeworfen wird, als er dem
Rendezvous mit Natalie nahe ist, oder das verunglückte
Abspielen einer Schallplatte), erbarmungslos die groteske
Geschichte enthüllt.

Diese grandiose Ungezogenheit ist wie die Ungleichzeitigkeit eines
Uhrwerks: mal geht es blitzschnell fünfzig Jahre zurück. Kurz darauf
springt der Zeiger wieder auf Null.
Und wir sehen das Unverbesserliche: den nostalgischen, ambivalenten,
skrupellosen und gewalttätigen Mafioso Shelly, den
Alec BALDWIN (“The Getaway, 1994,
“Auf Messers Schneide-Rivalen am Abgrund”, 1997,
„Das Mercury Puzzle, 1998, „Pearl Harbor“, 2001) mit pathetischem
Gestus und ruchloser Kriminalität gut herüberbringt, doch an
Robert DE NIRO( spielte den Sam Rothsein in „Casino“) nicht
heranreicht.
Überhaupt sitzt hier der Teufel im Detail.
Im Casino ist die Zeit stehen geblieben.
Der Aufguss im Hintergrund, die Bodyguards als Kriminelle im
Vordergrund, die kommenden Besitzer mit neuen Ideen, der Tod
des Sängers und die Neubesetzung dieses Parts: ein kleiner Fehler
und daher das Ganze von vorne.
So prallen Illusion und Desillusion aufeinander. Der Film entwickelt
spätestens dort, als sich Bernie verliebt, keine Schärfe mehr, keinen
Tiefblick.
Wir sehen zwar hier alle unsere Lieblingsszenen aus ähnlichen
Filmen (s. o.), doch wir erkennen die Gesichter nicht mehr.
Kein Hoffnungsschimmer und wenige Sonnenstrahlen: kein überzeugender
und mitreißender Erzählton mehr. Der zwielichtige Sohn Bernies, der auf
einmal auftaucht, hat zwar die Talentprobe bestanden, doch zur Reife
gelangt er nicht.

Die Unwirklichkeit dieses Las Vegas ist die Tragik eines
Theaterabonnenten: er vergisst vor seinem Besuch das Ticket,
und muss sich über die Vorstellung berichten lassen.
„The Cooler“ ist eine Mischung aus kaltem Kaffee und warmen
Tee: man wird nicht richtig warm, und es sind die Geschichten, die
vielleicht am Tresen irgendeiner Bar in San Francisco erzählt werden.
Man möchte zusammen losfahren aber nie mehr zurückkehren.
Man setzt sich in diesen dunklen Kinoraum und sucht sich auf der
Leinwand jemanden aus, mit dem man mitleiden könnte.
Zu Anfang ist es Bernie, später niemand mehr, weil die Love-Story
dem Film die eigentliche Tragik nimmt.
Das alte Hollywood hat wieder einmal triumphiert.

Fazit: Die Filmbesprechung von „The Cooler“ sollte nicht im Feuilleton
stehen, sondern unter ‚Vermischtes’. Der gute Anfang verpufft, und man
sucht krampfhaft nach der Versöhnung von Story und
Geschichte. Wie sagte noch Milan KUNDERA: „Der Kitsch ist eine
spanische Wand, hinter der sich der Tod verbirgt.“
Dieses Kino ist Kino des Vergänglichen, des Alltäglichen, der
vorüberfließenden Bilder. Niemand sammelt hier Vorbilder, Gesten,
edle Sätze. Cooler sind nur die Gäste am Tresen einer Bar in
San Francisco.

Dietmar Kesten 6.3.04 12:06