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The Fog of War

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DER KRIEG ALS AKT... Dietmar Kesten 19.9.04 12:46

THE FOG OF WAR

DER KRIEG IST EIN AKT DES MENSCHLICHEN VERKEHRS (CLAUSEWITZ)

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 19. SEPTEMBER 2004.

Robert McNAMARA zählte zu den einflussreichsten
und umstrittensten Politikern des 20. Jahrhunderts.
Bereits während des Zweiten Weltkrieges war er
an weit reichenden Maßnahmen im Krieg der Amerikaner
gegen Japan beteiligt.
Zwischen 1960 und 1967 unter John F. KENNEDY und
Lyndon B. JOHNSON war er Verteidigungsminister
und in dieser Funktion entscheidend in die Anfänge des
Vietnamkrieges eingebunden und verstrickt.
Er genehmigte den Einsatz von ‚Agent Orange’
und unterstützte in dieser Positionen als Verteidigungsminister
die massive Luftangriffskampagne gegen Nordvietnam.
Nach seiner Entlassung wurde er vehement für das
Kriegs-Desaster verantwortlich gemacht. Und er
versuchte, sich in zahlreichen Büchern zu rechtfertigen
und die getroffenen Entscheidungen zu verteidigen.
Unter der Regie von Errol MORRIS kommt ein Film
in die Kinos, der aus ca. 20 Stunden Interviewmaterial
einen erschreckenden und introvertierten Bürokraten
und Technokraten zeigt.
Der Film wurde 2004 mit einem Oscar ausgezeichnet.
Der Dokumentarfilm interpretiert McNAMARA nicht,
sondern er gibt dem Zuschauer viel Material an die
Hand, um sich selbst ein Urteil über ihn zu bilden

Um dem Film gerecht zu werden, scheint es angebracht,
sich mit dem Leben von McNAMARA zu beschäftigen,
sowie die politischen Ereignisse, die in seine
Amtszeit fielen, zu beleuchten, damit man sich ein
ungefähres Bild machen kann.

- 1916: Geboren in San Francisco, Kalifornien.
- 1922: Schuleintritt.
- 1933: Einschreibung an der Universität von Kalifornien in Berkeley.
- 1937: Weiterführende Studien an der Harvard Business School.
- 1940: Hochzeit mit Margaret McKinstry CRAIG in Almeda, Kalifornien.
- 1941: Mitglied der Lehrerschaft an der Harvard Business School.
- Geburt des ersten Kindes. Japan bombardiert Pearl Harbour (7. 12.)
Der Kongress erklärt Japan den Krieg.
- 1942: Gründungsmitglied der statistischen Kontrollabteilung der U.S. Luftwaffe.
- 1943 –1945: Oberstleutnant in der U.S. Luftwaffe während des 2. Weltkriegs.
Mit der 8. Luftwaffendivision in London stationiert, mit der
20. Luftwaffendivision in Indien, China und auf den Marianen Inseln.
- 9./10. März 1945: Brandbomben auf Tokio, Osaka, Kobe und Nagoja.
- 1./2. August 1945: Brandbomben auf Nagasaki, Nagaoka, Toyama und Mto.
- 6. August 1945: Atombombenabwurf auf Hiroshima.
- 9. August 1945: Atombombenabwurf auf Nagasaki.
- 8. Mai 1945: Bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht.
- Januar 1946: Eintritt in die Ford Motor Company, Detroit
- 1956: Senator John F. KENNEDY erklärt: "Vietnam stellt den Eckstein der
freien Welt in Südostasien dar. Wir können es nicht im Stich lassen.“
- November 1960: Präsident der Ford Motor Company.
- Dezember 1960: Beitritt der Regierung KENNEDY als Verteidigungsminister, als
jüngster Mann, der jemals diese Position innehatte.
- Januar 1961: Der scheidende Präsident EISENHOWER prophezeit KENNEDY und
seinem zukünftigen Kabinett, dass der Verlust von Süd-Vietnam an die
Kommunisten den Verlust von ganz Südostasien bedeuten werde.
John F. KENNEDY wird als 35. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.
- 17. April 1961: Invasion in der Schweinebucht.
- 22. Oktober - 28. Oktober 1962: Kuba-Krise.
- Oktober 1963: Präsident KENNEDY verkündet den Plan, die U.S. Truppen bis zum
Ende des Jahres 1965 aus Vietnam abzuziehen.
- November 1963: Ngo Dinh DIEM, Präsident von Süd-Vietnam, wird während eines
Staatsstreichs ermordet
- 22. November: John F. KENNEDY wird ermordet.
Lyndon B. JOHNSON wird der 36. Präsident der USA.
- August 1964: Nord-Vietnamesische Patrouillenboote greifen angeblich zwei
U.S. Zerstörer am 2. und 4. August im Golf von Tonkin an, die
Vereinigten Staaten üben mit 64 Bombenangriffen Vergeltung.
- September 1964: Die Tonkin Golf Resolution wird vom Kongress verabschiedet und
genehmigt Militäraktionen in Südostasien.
- März 1965: Die Vereinigten Staaten beginnen mit der
systematischen Bombardierung Nord-Vietnams (Operation ‚Rolling Thunder’).
- Juli 1965: Die Vereinigten Staaten entscheiden, 175.000 Soldaten bis zum
Ende des Jahres nach Süd-Vietnam zu entsenden.
- November 1965: General William WESTMORELAND, U.S. Kommandant der
Truppen in Süd-Vietnam, bittet für 1966 um Entsendung von weiteren
200.000 Mann,
- McNAMARA nennt das einen „vernichtenden Schlag“.
- November 1967: Das Pentagon kündigt seinen Rücktritt an. McNAMARA soll
Präsident der Weltbank werden.
- Dezember 1967: Die U.S. Truppenstärke in Süd-Vietnam beträgt
nun 485.000 Soldaten.
- Januar 1968: Tet-Offensive des Vietcong. Die Nord-Vietnamesen beginnen mit
einer großen Offensive in ganz Süd-Vietnam.
- Februar 1968: McNAMARA verlässt das Kabinett; erhält die ‚Presidential Medal
of Freedom’ von L. B. JOHNSON.
- März 1968: L. B. JOHNSON kündigt den Plan der Vereinigten Staaten an, die
Bombardierungen in Nord-Vietnam zu reduzieren, um
Friedensverhandlungen aufzunehmen.
- 1968-1981: McNamara ist Präsident der Weltbank.
- 1973: Die Unterzeichnung der Paris Peace Accords beendet den Krieg in Vietnam.
- 1989: McNAMARA beginnt eine Reihe von Unterredungen mit sowjetischen
und kubanischen Führern aus der Zeit der Kuba-Krise.
- 1992: Im Gegensatz zu den C.I.A. Berichten, die besagen, dass es keine
nuklearen Sprengköpfe in Kuba gab, erfährt er von Fidel CASTRO und
General Anatoly GRIBKOV, dass zum Ende der Krise 162 nukleare Sprengköpfe
in Kuba stationiert waren
- 1995: Beginn einer Reihe von Konferenzen in Hanoi mit amerikanischen und
vietnamesischen Führungskräften aus dem Vietnamkrieg.
In einem Treffen mit McNAMARA bestreitet der vietnamesische General
Vo Ngyuen GIAP kategorisch, dass Nord-Vietnam am 4. August 1964
Zerstörer der Vereinigten Staaten im Golf von Tonkin angegriffen hätte.
Der Film „The Fog of War“ gehört zu den besten Dokumentarfilme, die in den letzten Jahren gedreht wurden. Der Film zwingt zum nachdenken. Vom Zweiten Weltkrieg über die Kubakrise bis zu Vietnam haben Millionen von Menschen ihr Leben lassen müssen. „The Fog“ of War“ ist deshalb ein wichtiges Zeitdokument. Er führt dazu, sich zu verdeutlichen, dass das 20. Jahrhundert zu den kriegerischsten auf diesem Planeten gehörte. Ca. 160 - 200 Millionen Menschen wurden von anderen Menschen in Kriegssituationen getötet. Man kann sagen, dass das zurückliegende Jahrhundert das gewalttätigste in unserer Geschichte war. Der Film legt nahe, dieses tragische Jahrhundert näher zu beleuchten, auch als Anhaltspunkt dafür, wohin die Menschheit bereits im 21. Jahrhundert hineingeschlittert ist, und dass alle Warnungen und Hilferufe vergebens waren; denn wir sitzen auf der Bombe und der moderne Terrorismus, der das Leben verachtet, braucht sie nur noch zu zünden. Da sich die amerikanischen Streitkräfte immer noch im Irak befinden, sogar besetzt halten, die Diskussionen über die Ausweitung von militärischen Konflikten weiter im Gange ist und das warenproduzierende Weltsystem in jeder Minute erkennen lässt, dass es wichtiger ist, Maximalprofit und Weltherrschaft als Gebot der Stunde zu begreifen, die USA die militärischen Konflikte überall auf der Welt rechtfertigen, Warlords, Söldner und Terroristen ihrerseits die Gewalt rechtfertigen, die sich gegen die Zivilbevölkerung richtet, gegen Hochhäuser, Theater, Kinos, Schulen, die zu Schlachtfeldern werden, scheint es angebracht, inne zu halten und sich zu fragen: warum das vergangene Jahrhundert ein zerstörerisches und tödliches für die Menschheit, warum sind wir dazu verurteilt, jetzt im 21. Jahrhundert die gleichen Fehler zu machen, sind wir noch frei genug, zu wählen, oder sind wir anderen historischen Kräften ausgesetzt, die das verunmöglichen, welche Entscheidungen werden von Politikern getroffen, die angeblich nur zu unserem Wohl regieren und entscheiden, aus welchen Gründen werden sie getroffen, was lernen wir aus historischen Ereignissen, mit welchen Folgen müssen wir uns und die kommenden Generationen auseinandersetzen?
Hier geht es nicht darum, dass man sich selbst an den Pranger stellt, sondern darum, für sich selbst all diese Fragen zu beantworten, das Innere nach Außen zu kehren, in einer Art Selbstreflexion über Fehler zu reden, zu interpretieren, Meinungen zu bilden. Der Kern des Films ist das Gespräch zwischen Regisseur Errol MORRIS (hinter der Kamera) und dem ehemaligen Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten Robert S. McNAMARA (vor der Kamera). Das Gespräch geht den umfassenden und vielfältigen Erfahrungen von Robert S. McNAMARA nach, die vom Ende des Ersten Weltkriegs, über den Verlauf des 2. Weltkriegs, dem Entstehen des Kalten Krieges, der Kuba-Krise bis nach Vietnam mit mehr als 2 Millionen Toten reichen. Wir werden aufgefordert, das 20. Jahrhundert als Außenstehende mitzuerleben, wobei uns der Regisseur und seine Hauptperson durch die Erfahrungswelt von Führungspersönlichkeiten, die in folgenschwere Ereignisse verwickelt waren, lenken. Der ‚Falke’ Robert McNAMARA war sein Leben lang ein Schlitzohr. Er wusste immer, aus welchen politischen Situationen er für sich den besten Gewinn erzielen konnte. Neil SHEEHAN schrieb in seinem Buch „Die grosse Lüge. John Paul Vann und Amerika in Vietnam“ über McNAMARA: „Verteidigungsminister McNamara mit seiner anmaßenden Selbstsicherheit und der Naivität, mit der er seinen Generälen Glauben schenkte, geradezu die Verkörperung der Hybris der politischen Führung, hatte die sich selbst bestätigende Erfolgsmaschine in Gang gesetzt, als das militärische Engagement Amerikas erst fünf Monate alt war. Am Ende seines ersten Vietnambesuches im Mai 1962 gab er eine Pressekonferenz im Wohnzimmer von Noltings Saigoner Residenz. Er war erst seit zwei Tagen im Land und brannte darauf, seinen viermotorigen Jet zu besteigen und nach Washington zurückzufliegen, um Präsident Kennedy Bericht zu erstatten. Die Welt zu verwalten war eine Menge Arbeit, und deswegen hatten es die hohen US-Beamten der Generation McNamaras stets eilig. Sie beeilen sich Entscheidungen zu treffen, um gleich darauf zur nächsten Entscheidung eilen zu können. McNamara wurde wegen seiner Fähigkeit bewundert, Entscheidungen im Trab zu fällen. Seine Mitarbeiter rechneten einmal aus, dass er in einem einzigen Monat 629 wichtige Entscheidungen getroffen hat. Die Tatsache, dass er nie besorgt zu sein schien, einen Fehler zu machen, und niemals zurückblickte, wurde ebenfalls als eine Tugend angesehen... In seinem geliebten Briefing-Stil präsentierte er eine äußerst optimistische Lagebeurteilung: ‚Wir haben mit dem VC (Vietcong, d. Vf.) täglich Feindberührung. Im April wurden 434 Bodenoperationen durchgeführt. Ihre Zahl erhöhte sich im Mai auf 441. Im Juni wurden mehr als 1000 Feindflüge durchgeführt. Die Regierung von VN (Vietnam) muss noch ihre Organisation verbessern, aber es werden bereits Fortschritte erzielt. Präsident Diem hat darauf hingewiesen, dass er zahlreichere und längere Einsätze seiner Truppen plant.’ Er beendete seinen Lagebericht.... In all den Kriegsjahren, die noch kamen, sollte er sich niemals öffentlich gegen den Krieg äußern. Seine Schuldgefühle und seine Scham mögen zu seiner Unfähigkeit beigetragen haben, sich mit dem auseinander zusetzen, was er getan hatte. Als die von ihm in Auftrag gegebenen Pentagon Papiere veröffentlicht wurden, lehnte er es ab, die zu lesen.“ (SHEEHAN 1988, S. 294 u. 691).
Sollte man tatsächlich von Robert McNAMARA lernen können, von einem Mann, der während der Kriegsereignisse in Vietnam mit der Domino-Theorie die Wunschvorstellungen des Imperialismus klar und deutlich zum Ausdruck brachte? Es wäre genauso, als würde man von Donald RUMSFELD lernen wollen. In seinem Buch „Weltmacht im Treibsand“ schrieb der Publizist Peter SCHOLL-LATOUR: „ Bei allen Unterschieden der Charaktere verließen sich die beiden Verteidigungsminister Robert McNamara im Falle Vietnams und Donald Rumsfeld im Falle Iraks auf die technologische Omnipotenz. Sie benutzen für ihre Durchhalteparolen ein fast identisches Vokabular.“(SCHOLL-LATOUR, 2004. S. 36). In der Tat scheint man es schwer glauben zu wollen, dass er ein selbstkritischer Mensch geworden ist, der im Rückblick mit ein paar philosophischen Leersätzen die Bühne betritt und allem abschwört, wofür er einst verantwortlich war, so als wolle er Brand- und Atombombeneinsätze gegen Japan rückgängig machen, aus der Kubakrise und dem Vietnamdebakel die Perspektive nach Frieden und Völkerverständigung zu entwickeln und sie uns an die Hand geben.
Was Robert McNAMARA (jetzt 85 Jahre) in der Retrospektive seinen Zuschauern anbietet, ist der persönliche Stolz, seine Selbstherrlichkeit, die Geschichte eines machtbesessenen Menschen, der nie Wahrheiten enthüllte, sondern sie verschwieg. McNAMARA tritt vor die Kamera mit dunklen Geheimnissen, die den Verlauf seiner Karriere bestimmten. Die amerikanische Militärbürokratie, die in Vietnam unter seinem Kommando stand, brachte den Alptraum mit der Ankunft der US-Truppen mit sich: Tod und Zerstörung. Der Krieg und seine Besessenheit, ihn unter allen Umständen zu führen, brachte den Amerikanern zigtausend Tote, ein brachliegendes und zerstörtes Land, auf Jahrzehnte durch Pestizide und Napalm unbrauchbar gemacht. 1968 war McNAMARA unter Präsident JOHNSON für die Ausweitung der Bombenangriffe auf Nordvietnam verantwortlich. Auf ihn ging zu dieser Zeit das sog. ‚Sensorensystem’ zurück, das den Erdkampfflugzeugen des Typs Stinger C-119 und Spectre C-130 die Ziele feindlicher Panzer, Lastkraftwagen und ähnliches anzeigte. Der damalige Verteidigungsminister der USA, der objektive und subjektiv ein völlig unehrlicher Mann ist, geht natürlich in diesem Interview darauf nicht ein. Er verschanzt sich lieber hinter der Theorie „beantworte nie eine Frage, die dir gestellt wird“. McNAMARA unterstützte bedingungslos WESTMORELAND bei seinem sog. Abnutzungskrieg. Die militärische Führung der Vereinigten Staaten und die Politik, erlaubten den Generälen, den Krieg so zu führen, wie sie sich ihn vorstellten. McNAMARA heuchelt hier. Zwar versuchte er im März 1967 JOHNSON davon zu überzeugen, dass seine gegenwärtige Strategie in Vietnam nicht aufzugehen scheint, erneuerte seine Vorbehalte im Mai 1968 durch einen Bombenstopp am 20. Breitengrad Hanoi an den Verhandlungstisch zu locken (McNAMARA war damals im sog. ‚Rat der Weisen’), doch tat er dies nur, weil ihm die Lösungen ausgegangen waren. Und die Verdrossenheit und die Verärgerung über JOHNSON, sein Hochmut und seine weitere Karriere war ihm wichtiger, als einzusehen, dass es generell um Krieg und Frieden in Vietnam ging.
Sein Memorandum vom Mai 1967 sollte den Präsidenten dazu bewegen, dass der Krieg in Vietnam nicht zu gewinnen sei und man möge einen ungünstigen Frieden aushandeln. Das Memorandum enthielt diese Äußerung jedoch nicht explizit. JOHNSON sollte auf eine neue politische internationale Richtlinie festgelegt werden, auf eine Definition neuer Minimalziele. Dazu hört man von McNAMARA kein Wort. Doch für Vietnam lief das auf eine Scheinlösung hinaus: die Bombardements nördlich des 20. Breitengrades einzustellen, was sein Vorschlag war, jedoch gleichzeitig WESTMORELAND 30. 000 neue Soldaten zu geben. Der Krieg ging also unvermindert weiter. Doch vermutlich führte das zum eigentlichen Zerwürfnis zwischen dem Präsidenten und seinem Verteidigungsminister. McNAMARA wurde abgeschoben. Im Interview äußert er sich als geläuterter Mann, der nun nach mehr als 35 Jahren in Verantwortung macht, so als sei er aufgewacht. Zivilcourage war noch nie seine Stärke. Und er tut weiter so, als ob er sich schäme: schäme für Kuba, schäme für die Niederschlagung der Vietnamproteste in den USA, schäme für den Krieg in Vietnam, für die Politik, die er in führender Position mitzuverantworten hatte. McNAMARA hatte ohne wenn und aber jede amerikanische Politik zu seiner Amtszeit unterstützt und war immer mitverantwortlich. Er hat sie geplant und mit KENNEDY und JOHNSON durchgesetzt. Er hat KENNEDY, auf den die Eliteeinheit ‚Green Berets’ zurückgeht, wie ein Paladin gedient und seine Anweisungen vorbehaltlos praktiziert. Ob McNAMARA Angst bekam? Er war ein Strohmann der Präsidenten, achtete stets darauf, das KENNEDY und JOHNSON für eine Entscheidung, die sie ohnehin treffen wollten, seine moralische Unterstützung in Gestalt einer formellen Empfehlung seiner Beamten erhielten. Das kratzt auch tief am Image des einstigen ‚Lieblingspräsidenten’ der Amerikaner: John F. KENNEDY. JOHNSON erbte den Vietnamkrieg von KENNEDY. KENNEDY hatte das Sternenbanner erhoben und Blut vergossen. Hatte er doch Südvietnam zu einem souveränen Staat gemacht und damit einen der größten Nachkriegskonflikte ausgelöst; denn diese Landeshälfte war gemäß der Genfer Konvention südlich des 17. Breitengrades bloße Waffenstillstandszone.
Fazit: Hier schließt sich der Kreis um Robert McNAMARA. Was er vorträgt, ist eine reine Selbstdarstellung. Vielleicht hat ihn eine gewisse Unnahbarkeit davor behütet, auf unnachgiebige Kritik zu stoßen? Jedenfalls hat ihn jedwede Diplomatie in Ruhe gelassen. Wenn er jetzt vor die Kamera tritt, dann ist das wie dem Grauen einen künstlerischen Tatsch zu geben. Die Brandopfer von Tokio mit ca. 100.000 Toten und ca. 300. 000 Toten in Hiroshima und Nagasaki verlangen nicht nach McNAMARA. Sie liegen in der Asche, werden beweint und verdrängt. Die Toten verdampfen quasi in der Suppe der Schizophrenie des Denkens. Die Selektion schlägt sich unter den Opfern Bahn. Aber das zählt zu seinen 11 „Thesen“, die nur andeuten, nicht in die Tiefe gehen und die entscheidenden Fragen nicht zu beantworten. Doch sind die politischen Stationen in diesem Film allemal ein Fanal. Dabei ist McNAMARA nur ein Rädchen in der Geschichte. Allein beim Abschied durch JOHNSON und der Verleihung der ‚Presidential Medal of Freedom’ kommt so etwas wie Rührung auf. Doch mit Moralismen macht man schon lange keine Politik mehr!!

Dietmar Kesten 19.9.04 12:46