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(T)Raumschiff Surprise - Periode 1

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Die Kunst der Zeitvergeudung Dietmar Kesten 28.7.04 16:21

(T)RAUMSCHIFF SURPRISE – PERIODE 1

DIE KUNST DER ZEITVERGEUDUNG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 28. JULI 2004.

Nach einer Reihe von Komödien im deutschen Kino,
die in den letzten Monaten mehr oder weniger die
unterste Grenze des Geschmacks erreicht hatten
(gedacht ist hier etwa an: „Samba in Mettmann“
(Regie: Angelo COLAGROSSI, 2003),
“Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm”
(Regie: Helge SCHNEIDER, 2004), „Germanikus“,
(Regie: Hanns Christian MÜLLER, 2004) und
„Der Wixxer“, (Regie: Tobi BAUMANN, 2004), kommt
nun der zweite Film von Michael HERBIG in die Kinos.
Mit „Der Schuh des Manitu“(Regie: Michael HERBIG, 2001),
der schon nicht besonders beeindruckte und auf herbe Kritik
stieß (so vom Alt-Winnetou Darsteller Pierre BRICE, der
den Film bei der GOTTSCHALK Sendung „Wetten, dass..?“
am 13. Oktober 2001 in Erfurt als „billige Klamotte“ bezeichnete
und von HERBIG „mehr „Respekt den Indianern gegenüber“
abverlangte), betrat ‚Bully’ nun die Bühne, um, so hießt es,
einen „neuen Kultfilm“ vorzulegen.
Und es lag das Ziel nahe, sich erneut an einer Persiflage zu
versuchen. 2 Jahre lang, so ist zu lesen, will er an diesem
Projekt gearbeitet haben.

„(T)Raumschiff Surprise“ legte den besten deutschen
Kinostart seit langem hin.
Mehr als 625.000 Zuschauer kamen zu den ersten
Filmvorführungen. Der Film will für ungebremste
Heiterkeit und Unterhaltung sorgen.
Das kann doch nur bedeuten, dass all die Kinogänger,
die sich das davon versprechen, sich nicht getäuscht
haben und schon gar nicht in die Irre geleitet werden.
Aber ist es wirklich so, dass allein ein klangvoller Name
mit einer klangvollen Geschichte, für die zudem noch
unerlässlich seit Beginn des Jahres die Werbetrommel
gerührt wird, ausreicht, um einem Film vorab! beste
Noten auszustellen?
Jeder mag seine eigene Sichtweise haben: die einen
finden den „Wixxer“ äußerst anspruchsvoll, die anderen
fad, die einen halten Helge SCHNEIDER für den
besten deutschen Entertainer, die anderen Harald
SCHMIDT, die einen meinen in Harpe KERKELING den Meister
seines Faches gefunden haben, wieder andere sehen
in seinen (Film-)Auftritten nur Klamauk und traurige
Wiederholungen aus dem Fernsehen.

Insgesamt krankt die deutsche Komödie. Der Grund:
die Einfallslosigkeit. Geschichten reihen sich an
Geschichten, die eher vom kruden Blödsinn bestimmt
werden, eher von Gags, die auf der fiebrigen Suche
nach einem Sinn sind, eher eine Backmischung
sind als Programm, eher aus verunglückten Pointen
bestehen als aus gelungenem Witz.
Gallige Ironiker und Zyniker sucht man im Kino eigentlich
vergeblich.
In den letzten Jahren mussten zwei amerikanischer Filme
kommen, um dem deutschen Kino aufs Pferd zu helfen.
„Besser geht’s nicht“ (Regie: James L. BROOKS, 1997)
und „About Schmidt“ (Regie: Alexander PAYNE, 2002)
mit Jack NICHOLSON waren Meilensteine, weil sie nicht
nur die eigene Innenwelt auf den Arm nahmen, sondern
auch tiefgründig, zynisch Satiren bester Qualität
ablieferten.

Das deutsche Kino versucht sich auf dieser Ebene
vergeblich. Das mag darin liegen, dass es in Deutschland
zu wenig exzellente Schauspieler dieses Kalibers gibt,
vor allem aber liegt es daran, dass deutsche Regisseure
ungeniert kopieren und sich einen filmischen Schwachsinn
nach dem anderen einfallen lassen.
Unter lauten braven Spaßmachern, die ihr Publikum
unterhalten wollen, aber nicht können, ist auch
‚Bully’ zu finden. Wie überall, so ist auch der
Erfolgs- und Unterhaltungsdruck in dieser Branche enorm.
Alles für den Erfolg, so lautet die Devise.
Trauerränder unterminieren das Selbstvertrauen und der
Souverän büßt schnell seine Schlagkraft ein,
wenn es ihm nicht gelingt, auf Resonanz zu stoßen.
So sieht man sich einen Film an, der dermaßen mit
Vorschußlorbeeren bedacht wurde, bejaht und gefeiert,
noch ehe Trailer zu sehen waren, dass es einem die
Sprache verschlägt. Und man wird wie beim „Herrn der
Ringe“ zum Verräter, wenn man sich traut, eine andere
Position öffentlich kundzutun.
So bleibt dem Kritiker oftmals nichts anderes übrig,
als im Strom mitzuschwimmen, um sich nicht
gänzlich unbeliebt zu machen.
Doch ein freies Land bringt eigene Ideen, eigenes Denken
hervor, eigene Ansprüche und eine eigene Sichtweise der
Dinge. Deshalb ist die Kritik, gerade die Filmkritik
kein Anrennen gegen die Windmühlenflügel, sondern
ein Bestandteil des freien Geistes.

Doch worum geht es nun eigentlich im „(T)Raumschiff Surprise“?
Seine Energieströme zieht der Film aus einer peinlichen
Improvisation: einer Zeitreise, die an die alberne, aber
dauerhafte Serie „Zurück in die Zukunft“
(Regie: Robert ZEMECKIS, 1985ff.) erinnert.
Diese Rückständigkeit, die im Film längst ausgegossen
wurde, wird allerdings instinktsicher und brühwarm
auf der Ausbaustrecke der cineastischen Schnelllebigkeit
nach strikt festgelegten Regeln erzählt.
2054 hat die Menschheit den Mars besiedelt. 250 Jahre
später (2304) kehren die Nachkommen der ersten Siedler
zurück.
Die Marsianer (ehemals Erdlinge) greifen die Erde
an, unter der Führung des Regulators (Hans Michael REHBERG).
Die Lage scheint aussichtslos, die Invasion ist nur noch eine
Frage der Zeit.
Königen Metapher (Anja KLING) befielt dennoch, „nicht
den Kopf in den Sand zu stecken“.
Hoffnung naht. Ganz beiläufig erfährt man, dass die Besatzung
der Surprise Mr. Spuck (Michael HERBIG),
Käpt’n Kork (Christian TRAMITZ) und Schrotty (Rick KAVANIAN)
so wie der Taxifahrer Rock (Till SCHWEIGER) die
Besiedlung des Mars rückgängig machen wollen. Doch deren
schwule Führungsspitze übt gerade für die bevorstehende
Wahl der Miss Waikiki.
Im Mittelalter muss Rock gegen den schwarzen Ritter
(Rick KAVANIAN) kämpfen, der sich mit Sachsen Dialekt
und Asthma-Spray an einer ‚Darth-Vader’ Parodie
versucht.
Im Wilden Westen gibt es ein Wiedersehen mit den
Figuren aus dem „Schuh des Manitu“. Doch nicht genug
dieser Deformation.
Erst die dritte Zeitreise scheint erfolgreich zu verlaufen.
In der Wüste Nevadas gilt es, ein Alien unschädlich
zu machen, dessen Wissen später die Besiedelung
des Mars ermöglichte.

Über den Geschichten, die HERBIG erzählt,
liegt keine verhaltene Melancholie und kein sanftes
Licht eines kalifornischen Spätsommers, sondern
nur plumpe Unterhaltung auf dem Niveau der
TV-Comedy.
Wie andere SF-Parodien, so lässt sich HERBIG
auch hier auf „Star Wars“ und „Star Trek“ Spektakel ein.
Hier gießt er Spott aus, die andere andernorts schon
längst für sich reklamiert haben.
Bei den Gags über die „Star Wars“ Figuren, gefriert
das Lachen. Beim Kampf mit Jens Maul wirkt diese
ungewollte Komik wie ein Glasbausteinmosaik: das
Puzzle lässt sich leider nicht zusammensetzen.
Und wenn Till SCHWEIGER kämpft, dann ist das so,
als ob er als verlorener ZENKER Sohn aus der
Lindenstraße heimkehren möchte.

Über „(T)Raumschiff Surprise“ liegt eine
erschreckende Plumpheit. Hüftschwünge, Tanzeinlagen,
aufgesetzte Grimassen und verunglückte
Slapsticks. So stolpern die Protagonisten in ein
Fettnäpfchen nach dem anderen. Und Hals über
Kopf in die selbstgewählte Torauslinie.
Doch es geht noch weiter: die plumpe Vulgarität
mit bayerischem Dialekt endet in Grotesken. Der
Film macht müde. Die dümmlichen Klischees
überbieten sich gegenseitig. Mal ist es ein
Schweizer Taschenlaser, der für Aufregung sorgt,
mal ein Fieberthermometer, dass HERBIG sich
in den After schieb, was man nur als Gipfel der
Geschmacklosigkeit zu interpretieren hat.
Die Hintergrundgeschichten, die erzählt werden,
machen keinen Sinn. Mr. Spuck und Käpt’n Kork
lassen sich mehr und mehr zu Stammtisch-Grotesken
hinreißen, teils unterhalb der Gürtellinie liegend,
teils mit einschläfernder Komik.
Das alles erschöpft sich nach wenigen Minuten.

Dieser trostlose Blödsinn ist garniert mit einer
verzerrten Tuntigkeit, die einfach nicht zu ertragen
ist, die allerdings deutlich ankündigt, dass die
Kabarettkönige außerhalb des Kinos zu suchen
sind.
Der Film ist schief daneben, HERBIG ist ein
Verschnitt seiner selbst. Seine Grimassen sind
aufgesetzt und seine Affektiertheit, die er zur
Schau stellt, verliert sich im verworrenen
Zeichensystems der Figuren, die nur eine
Statistenrolle spielen, wenn sie überhaupt eine spielen;
denn sie sind mit wenig Spitzfindigkeit ausgestattet.
Ihr Auftreten wirkt tranig und über weite Strecken
billig und zotenhaft.

Fazit: Die Dialoge sind weder geschliffen, hintergründig
oder vordergründig. Die Vulgarität überwiegt. Der
Film ist eine einzige Katastrophe.
Humor ist Witz, oder „wenn man trotzdem lacht“
(Peter FRANKENFELD). Humor ist durchaus
subjektive Komik, Komik, die das Alltagsleben
hervorbringt, die an unserem Tun als solchem haftet,
zu der wir uns durchweg als darüber stehendes Subjekt,
niemals als Objekt, auch nicht als freiwilliges Objekt
verhalten.
Wo eine komische Betrachtung entdeckt wird,
so wird es kaum bemerkt. So entsteht die
Karikatur. Eine Fülle von Lächerlichkeiten tauchen
auf. Hier ist jedoch alles eine Lächerlichkeit.
„Haben wir noch Kreuze?“
„Nein, wir nicht. Aber Andrea hat noch Kreuze.“
„Na, dann nehmen wir Andreaskreuze.“
Sollte man das zum Brüllen komisch finden, dann
kann man nur sagen: es lebe die Klamotte.
Mit ‚Mopsgeschwindigkeit’ sollte man schnell den
Film verlassen und seine publikumswirksame
Vulgarität schnell vergessen.

Dietmar Kesten 28.7.04 16:21