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Was das Herz begehrt

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Was das Herz begehrt Dietmar Kesten 12.2.04 19:38

WAS DAS HERZ BEGEHRT.

EIN NAME, EIN PROGRAMM?

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 12. FEBRUAR 2004.

Harry (Jack NICHOLSON), Anfang 60, steht auf junge Frauen.
Aktuell ist Marin (Amanda PEET), Ericas Tochter, seine Nummer
eins. Als Erica (Diana KEATON) von Harry umworben wird, verliebt
sie sich in ihn. Beim Liebesspiel mit Marin erleidet Harry eine
Herzattacke und muss sich in ihrem Elternhaus erholen. Die
reife Frau beginnt sich nun ihrerseits für Harry zu interessieren.
Auch der Arzt (Keanu REEVES) ist hinter Erica her.
Daraus entwickeln sich Turbulenzen über Turbulenzen, die alle
auf Trab halten.

Das Bedürfnis nach Dauerzerstreuung im Kino wird nach der
Welle der Action Filme der vergangenen Zeit, die man über sich
hat ergehen lassen müssen, für einen Augenblick gut bedient, und
Jack NICHOLSON überrascht sogar hier und da mit
spitzzüngigen Dialogen, die irgendwo aus seiner besten Zeit auf diesem
Sektor („Besser geht’s nicht“, Regie: James L. BROOKS, 1997)
entlehnt sind, und die den Film zusammenhalten, bis er am Ende ins
mittelmäßige abrutscht.

Die Komödie beruht auf der Tatsache, dass der Mensch und seine
Welt unvollkommen ist.
Wenn er mit diesem Wissen konfrontiert wird, entsteht eine gewisse
Betroffenheit, die sich in einer Art ‚Blitzableiter’ entlädt.
Das kann Lachen, aber auch Weinen zur Folge habe. Daher haben
Komödien eine engste Verwandtschaft zu Tragödien.
Und beide helfen durch ihre Darstellungsweise an der Aufdeckung
eines Missverhältnisses mit.
Die Komödie ist das Missverhältnis selbst, das Missverständnis oder
das (menschliche) Missgeschick, etwa wenn ein arroganter und
großtuerischer Mann auf einer Bananenschale ausrutscht.
Die Komödie lebt vom Wortwitz, von dem befreienden Gelächter,
was ihr primäres Anliegen ist.

„Was das Herz begehrt“ gehört zu diesen Spielregeln. Und eine
Kritik an dieser Geschichte, die von einer schon fast lässigen
Selbstgewissheit getragen ist, könnte unangebracht erscheinen.
Der Film glaubt nämlich zu wissen, dass Hochmut den Fall nach
sich zieht.
Entsprechend dieser Sichtweise, wird nie so recht deutlich, um
welches Spiel es sich handelt, oder besser, um welche Art von
Komödie.
Ist es eine Situationskomödie, die nur eine komische(?)
Realität bedient, und hier nur für eine milde Kritik geeignet wäre,
ist es eine ‚Screwball’ Komödie, die einen komischen Menschen
mit einer normalen Realität im Mittelpunkt des Geschehens hat,
oder ist es vielleicht eine satirische Komödie, die zwar nicht
fern jeder Realität ist, die es aber unterlässt, genügend zu
karikieren?

Aufgabe der Komödie soll es sein, Aggressionen abzubauen.
Das setzt voraus, dass man sich im Kino tunlichst daran
hält. Dass das aber nicht so einfach ist, hat die Vergangenheit
gezeigt; denn oftmals resultierte gerade aus diesen
‚Schwänken’ die Kitschigkeit schlechthin. Und der langsame
Untergang endete mit einer panischen Flucht aus dem Kino.
Dass das Kino selbst eine Kunst der Übergänge ist, die von der
Gegenwart in der Erinnerung lebt, von Realität und Phantasie,
und es auch ein Weg in die Welt ist, sollte man in der
Komödie den Reichtum der Phantasie kosten können, aber
nicht eingängige Formeln im Strom der Zeit.

„Was das Herz begehrt“ scheint das Ziel zu verfehlen, wenn es
darum geht, zu hinterfragen, wer nun was komisch aufbereitet:
der Film den Film, die Darsteller den Film, oder sind es die
Normalpersonen im Kino, die komisch aufbereitet werden?
Selbst bei einer wohlwollenden Interpretation dieser aufgeworfenen
Fragen, bleibt unklar, auf welchen Typus der Komödien sich
hier der Film eigentlich bezieht.
Dass man in der Komödie ausgesprochene Wahrheiten als
unvollkommen annehmen kann, haben die Hofnarren im
Mittelalter vorexerziert.

Die Legitimation der heutigen Clowns im Kino, die vielleicht
daraus ihre Motivation für Albernheiten ziehen (vgl. auch:
„Was Frauen wollen? Regie: Nancy MEYERS, 2000) besteht
darin, dass sie diese Augenfälligkeit kopieren.
Dass der große Jack NICHOLSON uns hier (s)eine didaktische
Verarbeitung komischer Situationen präsentiert, ist im
Gegensatz zu „Samba in Mettmann“ ein echter Fortschritt.
Doch KERKELING ist nicht NICHOLSON und NICHOLSON
will bestimmt nicht KERKELING sein.
Es bleibt die Frage: was, wenn der Zuschauer an Mann und
Programm kein gutes Haar lässt?
Sollte der Zuschauer am Ende diese dargestellte Welt als
unnormal ablehnt, befindet er sich dann im falschen Film,
oder ist er mit den falschen Schauspielern unterwegs?

„Ich hab noch nie so’ne alte Frau nackt gesehen“ (NICHOLSON),
will nicht unbedingt als pure Geschmacklosigkeit eingeordnet
werden, aber dieser Satz zerstört die anfänglich erreichte
Originalität, und ist streng genommen ein Affront gegen
alle Damen, die sich gerade auch im Alter ihren Männern ‚so’
präsentieren möchten.
Das Provinzielle und die Abstrafung hält damit Einzug.
Selbst für eine Komödie ist das kein Lapsus!
Mit dem Fortschreiten der Ereignisse, die übrigens irgendwann
gar nicht mehr amüsant erscheinen, versucht „Was das Herz
begehrt“ nur noch über die Runden zu kommen.
NICHOLSON scheint seinen Zenit überschritten zu haben.
In Sachen Komödie jedenfalls. Selbst die Selbstironie,
die ihn noch in „Absolut Schmidt“ (Regie: Alexander PAYNE, 2002)
auszeichnete, ist ihm augenscheinlich abhanden gekommen.
Für einen großen Schauspieler ist die Kamera eine scharfe
Waffe. Sie verpufft dann, wenn die Versöhnung die story
einholt. Die Liebesbeweise von Harry und Erica in Paris sind
dann nur noch wie viele Wolken: sie kommen und gehen!

Facit: Komödien wirken mitunter wie abgestandenes Bier.
Es schmeckt nicht mehr. Selbst wenn die Darsteller
Jack NICHOLSON und Diana KEATON heißen, bleibt oft
ein schaler Geschmack übrig.

Dietmar Kesten 12.2.04 19:38