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Alles auf Zucker!

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ZUCKER IST NICHT ZUCKER Dietmar Kesten 18.1.06 19:17

ALLES AUF ZUCKER

ZUCKER IST NICHT ZUCKER

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 8. OKTOBER 2005.

Jaeckie Zucker (Henry HÜBCHEN) ist Billardspieler, sein Bruder Samuel (Udo SAMEL) ein orthodoxer Jude, die sich nach dem testamentarischen Willen ihrer verstorbenen Mutter wieder versöhnen sollen. Deshalb sollen sie auch ein gemeinsames Begräbnis auf einem jüdischen Friedhof in Berlin organisieren.

Jaeckie Zucker ist so etwas wie der ewige Stenz aus der Fernsehserie „Monaco Franze“ (Helmut FISCHER), die ab 1983 lief. Er ist in die Jahre gekommen, Spieler und Trinker, der im Gegensatz zu seinem Wiener Original in der DDR aufgewachsen ist, sich stets hoch verschuldet und nie viel Glück hatte. Nur mit kessen Sprüchen, die er in Notsituationen gezielt einsetzen konnte, hielt er sich über Wasser. Er steht kurz davor, ins Gefängnis zu kommen. Also bleibt ihm noch der rettende Strohalm: ein hoch dotiertes Billard - Turnier für das er allerdings erst einmal das Startgeld zusammenpumpen muss. Ausgerechnet in dieser Situation und mit dem Leben ringend, kommt die schon nicht mehr existente Vergangenheit auf dem Flughafen an. Sein Bruder Samuel bringt gleich seine ganze Familie mit und nächtigt zudem noch in der Wohnung, die er mit Marlene (Hannelore ELSNER) teilt.

Die Ereignisse scheinen sich nun zu überschlagen. Jaeckie scheint mit der Situation überfordert zu sein. Das orthodoxe Judentum stellt für ihn und seine Frau mehr Probleme dar, als er es erhoffte. Vor allem das koschere Leben und die Schiva - Trauerfeier stellen unüberbrückbare Probleme dar. Und auch das Turnier erweist sich nicht als Goldsegen. Jaeckie kommt zu spät und wird disqualifiziert

Die Komödie von Dani LEVY („Meschugge“, 1997, „Väter“, 2002) hat ihren Kern im religiösen Widerstreit in Krisenzeiten. Das Drehbuch musste diese Variante wählen, weil sonst das Thema des Films (die Idee des jüdischen Lebens) nicht tragbar gewesen wäre. Und Jaeckie zeigt dann auch offenbar keinerlei Respekt. Er verkleidet sich, lässt sich im Rettungswagen zum Turnier fahren, täuscht eine Herzattacke vor und lässt, um Samuel sogar kurzzeitig loszuwerden, ihn in einem Bordell von einer ‚Araberin’ verwöhnen. Als später Jaeckie vor der Familie entlarvt wird, als er die Erbschaft und das Preisgeld verspielt zu haben scheint, erfährt der Film zwecks Rettung des Drehbuchs noch einmal eine Wende. Jaeckie spielt gegen den Gewinner des Turniers. Das Preisgeld wird geteilt. Und alle sind glücklich.

Über die politische Relevanz des Films kann man streiten. Komödie und jüdische Gegenwart, das ist nicht glücklich gewählt. Daran sind schon so manche Streifen gescheitert, wenn etwa an „Snatch - Schweine und Diamanten“ (Regie: Guy RITCHIE, 2001) gedacht wird. Außer Jaeckie Zucker ist keine Figur gekennzeichnet und ausgearbeitet. Vom Judentum erfährt man nicht viel, eigentlich gar nichts. Die gängigen Klischees werden nur wiederholt und bis zum Erbrechen nachgebetet: Beten und fasten. Jüdische Gegenwart ist eben nicht Berlin, sondern Jerusalem, Tel Aviv, die Moscheen.

Alles dreht sich auch hier ums Geld. Es scheint so, dass es völkerverständigend wirken soll, übergreifend ist und in alle Kulturkreise verteilt wird. Jedenfalls ist Samuel nicht abgeneigt, sich diesem Geldschacher ebenfalls hinzugeben. Dass er noch den lustigen Esel machen muss (Bordellszene), wirkt rat- und zahnlos.
In „Alles auf Zucker“ gibt es eigentlich keine Juden, sondern nur Rabbis. Einer von ihnen ist auch, der urplötzlich ein Kind vor die Nase gesetzt bekommt. Damit dem Film eine liebevolle Gestik erhalten bleibt, Beharrlichkeit und jüdische Aufrichtigkeit, falls sie spezielle jüdische Charaktereigenschaften sein sollten, wird Respekt eingefordert. Nur: wer sollte ihn einlösen?

Nein, eine wirkliche Komödie ist „Alles auf Zucker“ nicht. Es gibt nur eine lustige Szene mit Hannelore ELSNER, als diese völlig unwissend dem Rabbi Samuel über ihr koscheres Leben berichtet. Ansonsten driftet dieses hochgelobte Werk in seichtes Boulevardtheater a la Millowitsch und Ohnsorg Theater ab. Ein schwaches Drehbuch kann nun mal nicht ein hervorragendes Ensemble aus dem Hut zaubern. Der Film drückt sich zudem laufend um zentrale Problematiken herum. Dort, wo es interessant gewesen wäre, gibt es Wendungen und Finten, Schustereien und Schneidereien.
Letztlich bleibt auch der spezielle ‚jüdische Humor’ hier verbannt.

Fazit:

Jüdisches Leben in Deutschland kann nun mal nicht in einer Komödie untergebracht werden. Damit scheitert der Film an sich selbst.

Dietmar Kesten 18.1.06 19:17