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Barfuß

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BARFUSS IM REGEN. Dietmar Kesten 15.4.05 16:38

BARFUSS

BARFUSS IM REGEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 15. APRIL 2005.

Eigentlich sollte man die Leere im Kopf verdrängt haben, wenn man
ins Kino geht.
Doch manchmal ist es dort so, als ob man damit beginnt, mit
unglaublicher Langsamkeit einen Brief zu schreiben.
Und nach ein paar Minuten erkennt man, dass wir eingekreist
sind. Irgendwo knattert ein Motorrad. Und der gemalte Himmel in der
Halle wird kleiner. Nicht gerade aufregend, was man zur Zeit in
deutschen Landen sieht. Und berühmt zu sein, ist sicherlich auch
nicht hilfreich.
Vor diesem Hintergrund will „Barfuss“ mit Til SCHWEIGER
und Johanne WOKALEK für Bodenhaftung sorgen, um mit
Comedy das verschütterte Gelände wieder zur erobern.

Til SCHWEIGER, der seine Karriere als ZENKER-Sohn in der
„Lindenstraße“ begann, will seit Jahren zu neuen Ufern aufbrechen.
Hollywood war für ihn unerreichbar. „Knockin’ On Heaven’s Door
(Regie Thomas JAHN, 1996) liegt lange zurück.
Sein „Eisbär“ (Regie: Granz HENMAN/Til SCHWEIGER, 1998)
war ein Schuss in den Ofen, und auch sonst, etwa
bei „(T)Raumschiff Surprise“ (Regie: Michael HERBIG, 2004), spielte
er eher wie ein monströses, lange ausgestorbenes Tier hinter Glas.
So seltsam durchgemischt wie in diesen Filmen, scheint seine
Selbstverwirklichung zu sein. Der ehemalige Berufsjugendliche
will die Verwandlung und die Wiederbelebung. Wenn richtige
Herzen zu schlagen beginnen, dann wird es durch das eigene Blut
angetrieben. Doch wenn Kunstherzen schlagen, dann geht man
an sich selbst, und dem Kino, das man in Szene setzen will, zu
Grunde.

Hier will SCHWEIGER sich wieder einmal selbst verwirklichen.
Und er führt dem Kinogänger doch nur die (entsetzlichen) Folgen
seines Tuns vor Augen.
Im schlimmsten Sinne des Wortes ist der Film eine Tätowierung
der Phantasie mit Standbildern.
Hier hat jemand einfach einen Film gedreht, der sich beinahe lautlos
dem Abhang entgegenschiebt.
Komödien, das sind Filme für eine Zeit, in der sich nichts mehr
bewegt.
Sie löschen die Filmgeschichte aus, die in den Stoffen steckt.
Die komödiantischen Konflikte sind Scheinkonflikte.
Sie wurzeln zusehendst in Irrtümern und Verblendungen, nicht
im Unabänderlichen.
Diese Komödien sind so unschuldig und vielleicht auch so
heruntergekommen wie das Familienkino der 50er Jahre
mit Heinz ERHARD, Peter FRANKENFELD oder Harald JUNHNKE.
Hinter vorgehaltener Hand verkünden sie Botschaften, die nie
welche waren und jetzt auch endgültig zuende sind.

Das sieht man „Barfuss“ deutlich an. Man will Leichtigkeit und
gehobene Unterhaltung.
Dafür hat man noch zusätzlich Markus Maria PROFITLICH
und Axel STEIN ins Boot geholt. Zum Totlachen! Nein; denn die
Grundidee des Films, ist die Suche nach dem nächsten großen
Hit mit Bedeutungsschwere.
Mit möglicher Vielfältigkeit in der Thematik, mit zornigen Tönen
und angeblichem hintergründigen Humor wird uns ein Film präsentiert,
der auch im Niemandsland oder zwischen Betonruinen hätte
spielen können.

Wenn Nick Keller auf die geistig gestörte Leila trifft,
dann ist das so unglaubwürdig wie eine Kirschblüte im Winter.
Die Romantik bleibt auf der Strecke. Selbst wenn man
„Barfuss“ noch zugestehen sollte, gerade darauf zu setzen,
so wirkt diese hier gespielte Emotionalität wie eine
Trauerkundgebung in Rom, bei der SCHWEIGER stets sein
verzerrtes, verweintes und mimiklose Gesicht präsentiert.
Hier stimmt gar nichts: weder Timing oder Witz.
Spielerische Leidenschaft ist auch nicht angesagt. Der Film
bleibt blass, dünn und dümpelt an der Oberfläche vor sich
hin.
„Barfuss“ interessiert sich auch gar nicht für psychisch
gestörte Leila, die hier nur eine figurative Keramik ist und
SCHWEIGER blind hinterherläuft.

Dass diese Geschichte nichts anders als eine peinliche
Entgleisung und kein Vergnügen ist, wird spätestens an den
Dialogen klar.
So plump, aufgesetzt und hölzern war kaum etwas in den
letzten Monaten.
Wenn Blinde von der Farbe reden, dann ist das heuchlerisch.
Viel schlimmer ist jedoch die Keckheit, mit der
Regisseure und Schauspieler die Sprache als Instrument
des Lärms um Nichts reklamieren.
Für „Barfuss“ sollte gelten, dass ein Gesetz zustande
kommt, das den Protagonisten im Film die Umgangssprache
verbietet, und ihnen nur erlaubt, sich einer Zeichensprache
zu bedienen.

Fazit:

Dieser Filmhumor ist die ad-absurdum Führung dessen, dass
jemand zum Fenster hereingeflogen kommt und zur Tür
wieder hinausgeworfen wird, die er zugleich unter dem
Arm hat (frei nach Karl Kraus).

Dietmar Kesten 15.4.05 16:38