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Die Frau des Leuchtturmwärters

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SOMMERIDYLLE Dietmar Kesten 23.1.06 16:01

DIE FRAU DES LEUCHTTURMWÄRTERS

SOMMERIDYLLE

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 16. JULI 2005.

1963 kommt der neue Leuchtturmwärter Antoine (Gregori DERANGER) auf eine bretonische Insel. Das Misstrauen gegen ihn ist zunächst sehr groß.
Die Dorfbewohner begegnen ihm mit Abstand. Auch Yvon (Philippe TORRETON), sein Arbeitskollege, der ihn in seine neue Tätigkeit einführen soll, ist argwöhnisch.
Langsam finden beide Männer zusammen und es entwickelt sich eine Freundschaft.
Die Frauen im Dorf sind von Antoine sehr angetan. Besonders Brigitte (Emilie DEGUENNE) schwirrt um ihn herum. Doch er verliebt sich in Mabe (Sandrine BONNAIRE), der Frau von Yvon. Auf einem Dorffest schlafen beide einmal miteinander. Mabe bekommt eine Tochter von ihm. In der Rückblende entschließt sich die Tochter dazu, das alte Steinhaus des Vaters nicht zu verkaufen.

Philippe LIORET („Tombes du ciel“, 1993, „Mademoiselle“ , 2000), hat, wenn man so will, TRUFFAUT in die Gegenwart übertragen. Kein französischer (dramatischer) Liebesfilm, der eine Dreiecksgeschichte behandelt, kommt ohne ihn nicht aus.
TRUFFAUT, MALLE, oder auch OZON haben immer auf ihre Phantasie gesetzt, auf die Geschichten, die das Leben schreibt, auf die unmittelbaren Ereignisse, die oftmals aus heiterem Himmel über einen hereinbrechen, und auf die betörenden Gefühle, die eine Achterbahn des Rausches ins uns freisetzen. Dass das Leben ohne dieses Feuerwerk nicht auskommt, ist eine Binsenweisheit.

Ob sich jedoch der obligatorische Betrug, der auch hier wieder die eigentliche Handlung des Films ist, verraten und hintergangen zu werden, ableiten lässt, wäre zu
hinterfragen. Jedenfalls betrügt Mabe ihren Mann. Und die Geschichte nimmt den dementsprechenden Verlauf. So spielen alle Teilnehmer in diesem Film ihre Rolle.
Einerseits die sich selbst zugeschriebene, und andererseits die ihnen zugewiesene.
Und was die Liebe anbelangt, so kommt sie hier, und so geht sie auch. Aus den Augen, aus dem Sinn!

Leicht hingeworfen, erscheint die Hülse auch auf „Die Frau des Leuchtturmwärters“ zuzutreffen. Wenn da nicht der nostalgische Reiz, die bretonische Landschaft, der Blick auf Land und Leute, Lebensgeschichten, Geschichten um Eifersucht, Dramatik, Träumerei und zerplatzten Hoffnungen wäre, in deren Mittelpunkt der Leuchtturm steht. Insofern haben wir es mit einem Ausnahmefall zu tun, der trotz aller Klischeebildung (Sonnenuntergang, Feuerwerk, dramatische Rettung, Sturm usw.)
ein Eigenleben entfaltet. Und der Leuchtturm strahlt über alledem. Er ist Anker und
Rettungsboot, Isolierung, Überwindung, Illusion, Kooperation und Konkurrenz, Fiktion, Widerstand, Ausgangspunkt, (Zer-)Störung, Hoffnung und Ende einer Liebesbeziehung.

Am Leuchtturm erkennt man auch die Symbolik des Films: die rote Spiegellampe, die sich auf der Spitze dreht. Sie ist der Blick ins Herz von Antoine. Sein Innerstes kehrt sich nach außen. Seine Gefühle markieren den Scheitelpunkt des Lichts. Und die Eruptionen der Flut sind wie Kreise, die nur an einer Stelle offen bleiben, wenn dort nämlich aus dem dunklen Himmel das rote Licht zu reflektieren beginnt und in sein Herz hineinstrahlt. Und der Blick der Menschen ruft in Erinnerung, dass man seinem eigenen Auge zu jeder Zeit Aufmerksamkeit schenken sollte.

Die Seele ist das Auge des Körpers. Sie ‚sieht’ die verborgenen Dinge, sie macht transparent und öffnet, macht verständlich und unverständlich. Vor allem ist sie eine offene Tür. Hier geht man ein und aus. Hier vergeht man vor Sehnsucht, verzehrt sich, verbindet sich. Und bereits ein leichter Windstoß kann alles wieder auseinander wirbeln. „Die Frau des Leuchtturmwärters“ ist sensibel gestaltet. Uns tritt eine schweigsame Erzählung entgegen, eine verschlossene, die sogar Bezüge zur deutschen Literatur (FONTANE, STORM) aufweist.

Die bretonische Küste sorgt für zusätzliche Schauwerte. Wenn sich auch zum Ende des Films alles der Versöhnung zuneigt, so ist der Film doch das Highlight des Sommers. Die Kameraführung ist exzellent. Und ebenso wie die eher spartanische, karge und zeitlose Darstellungskunst, so vernimmt man auch die Botschaft: unter den Protagonisten herrscht trotz allem Friede und Eintracht. Gar von Harmonie zu sprechen, wäre verfehlt. Es kommt jedoch kein Neid auf, kein Hass, keine Aggression. Obwohl Betrogener und Betrüger Haus an Haus wohnen, in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen, scheint der (Ehe-)Betrug nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Antoine verlässt die Insel. Bis die in der Gegenwart auftauchende Tochter das Buch ihrer Mutter findet „Mein Ende der Welt“.

Fazit:

Endlich mal wieder ein Film, der sich mit den wesentlichen Dingen im Leben beschäftigt: mit der Liebe. So ist es die innere Spannung, der Blick, die Gesten,
die kurzen Dialoge, die Schauspielkunst und die bilderstarken Szenen, die zu überzeugen wissen, und die über den Sommer hinaus haften bleiben.

Dietmar Kesten 23.1.06 16:01