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Edelweißpiraten

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WAS KOSTET UNS DAS LEBEN... Dietmar Kesten 14.1.06 13:37

EDELWEIßPITATEN

WAS KOSTET UNS DAS LEBEN...

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 14. JANUAR 2006.

Die ‚Edelweißpiraten’ waren eine Gruppe von Arbeiterjugendlichen und Kindern, die in Köln - Ehrenfeld Widerstand gegen die Herrschaft der Nazis leisteten. Unter dieser
Sammelbezeichnung war diese subkulturelle Gruppe der Gestapo ein Dorn im Auge. Die Herkunft der Bezeichnung ‚Edelweißpiraten’ steht definitiv nicht fest. Und könnte vermutlich eine Wortschöpfung der Verfolgungsbehörden gewesen sein, da bei den festgenommenen Jugendlichen Edelweißabzeichen gefunden worden waren.
Bevor sich der Begriff vor allem im rheinisch - westfälischen Industriegebiet durchzusetzen begann, benutzen die NS -Behörden auch anfänglich den Namen ‚Kittelbachpiraten’. Der Name dürfte dem1925 in Düsseldorf gegründeten Wanderbund entlehnt gewesen sein, den die Nazis später schnell verboten.

Die Kölner Antifaschisten hatten regen Zulauf. Vermutlich waren dort mehrere tausend Jugendliche aktiv. Das Phänomen der ‚Edelweißpiraten’ ist ebenso in Kassel, Offenbach oder Frankfurt/M. bekannt geworden. Je nach regionaler Ausprägung und abweichend davon, gab es z. B. in Essen die ‚Fahrtenstenze’, die ‚Navajos’ in Köln, die ‚Fahrtenjungs’ in Düsseldorf, die teilweise auch unter dem
Namen ‚Ruhrpiraten’ aktiv waren. In diesen Städten kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend, die ihnen bestimmte Reviers, Straßen und Plätze streitig machen wollten. Dort liefen auch die Drähte für weitere Aktionen zusammen. Ob die Gruppe Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen, etwa der ‚Weißen Rose’ um die Geschwister SCHOLL hatte, ist nicht bekannt.

Eine politische Ausrichtung der ‚Edelweißpiraten’ gab es wohl nur in den seltensten Fällen. Kennzeichnend dürfte nur die proletarische Herkunft gewesen sein. Eine wichtige Rolle für die hohe Popularität der Jugendgruppen spielte neben der Verfolgung und der jugendtypischen Angebereien und Prahlereien die Anwesenheit von Mädchen. Besonderen Stellenwert nimmt die Kontroverse um den Köln - Ehrenfelder Komplex ein, bei dem es um die Frage ging, inwieweit einige ‚Edelweißpiraten’ bezeichnete und am 10. November 1944 ohne gerichtliches Verfahren erhängte Jugendliche als Opfer, Oppositionelle oder Kriminelle einzuschätzen sind.

Bereits 1980 versuchte Dietrich SCHUBERT (Regie) Nachforschungen über die ‚Edelweißpiraten’ anzustellen. In einem Dokumentarfilm zeichnete er deren Geschichte nach, und war vor allem darum bemüht, der wohl bekanntestes Kölner Gruppe ein Denkmal zu errichten. Mit „Edelweißpiraten“ von Niko von GLASOW kommt nun ein Film in die Kinos, der das Drama festhält. „Wir hatten gemotzt... Keiner hat ja die Schnauze aufgetan“, erzählt der ehemalige ‚Edelweißpirat’ Jean JÜLICH.

In der Tat: es war nicht die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes, die den Mund aufgemacht hatten. Auch deswegen hatte der Hitlerfaschismus keine großen Widerstände zu brechen. ‚Ein Volk - Ein Führer’, das war die Verallgemeinerung des gleichgeschalteten Deutschlands, wo nahezu alles, was gegen den Nazistaat gerichtet war, verfolgt wurde. Und dort, wo das nicht reichte, wurde denunziert.

Die ‚Edelweißpiraten’ hatten anders gelebt, anders gedacht, andere Lieder gesungen, ihre Freizeit anders gestaltet. Da sie immer unter dem Druck agierten, verfolgt zu werden, konnten sie sich nicht schnell dem Zugriff des gleichgeschalteten Staates entziehen. Verhaftungen und Verfolgungen waren besonders ermürbend. Da alle zentralen Dienststellen mit Sonderrechten ausgestattet waren, selbst die Konzentrationslager eigene Abteilungen für ‚Asoziale’ hatten, war es für sie schwierig, dem Terror der Nazis zu entkommen.

Der Film „Edelweißpiraten“ zeichnet in bewegenden Bildern noch einmal das tägliche Leben einer dieser Gruppen in Köln währen der fürchterlichen Bombenangriffe der Alliierten ab April 1944 nach: den Kampf ums tägliche Überleben, Lebensmittelklau, Schießereien mit den Nazis, Flugblattaktionen, Bemalen von Wänden. Dass sie verfolgte Juden bei sich aufnahmen, war ihnen besonders hoch anzurechnen.
Der immer wieder kritisierende Aspekt, sie seinen ‚kriminell’ gewesen, kann nicht angeführt werden, vor allem dann nicht, wenn es sich hierbei um eine moralische Kategorie handeln sollte. Die Gruppe bekämpfte die Nazis nach ihren Möglichkeiten.
Und dieser Kampf wurde nun mal nicht mit Glaceehandschuhen ausgetragen.

Leider ist das Bild der ‚Edelweißpiraten’ nach dem Krieg in Vergessenheit geraten.
Öfter ist sie nur noch als Gruppe einer verwahrlosten und kleinkriminellen Jugendband in Erinnerung. Das sie das nie war, belegt die historische Forschung. Die Jüngsten der Kölner -Gruppe waren gerade erst mal 16 Jahre alt, als sie öffentlich gehenkt und zur Schau gestellt wurden.

Fazit:

Wenn auch die Liebesgeschichte im Film störend wirkt, so ist das filmische Dokument doch sehr gelungen. Er verweist darauf, dass der Kampf gegen die Nazidiktatur auch von Gruppen getragen wurden, die nicht so sehr der Öffentlichkeit bekannt sind.

Dietmar Kesten 14.1.06 13:37