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Flightplan - Ohne jede Spur

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TERROR IN DEN LÜFTEN Dietmar Kesten 23.1.06 21:04

FLIGHTPLAN - OHNE JEDE SPUR

TERROR IN DEN LÜFTEN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 20. OKTOBER 2005.

Wer bringt das Glashaus zum Absturz, wann erreicht die Panik die höchste Stufe, wird ein fliegender Kasten zum Armageddon, wer zieht die Fäden, welche Hintergründe gibt es für das Verschwinden eines kleinen Mädchens, für Realitätsverlust und Niedertracht, gibt es eine Verschwörung, wer inszeniert sie und warum, wie kann an Bord einer Maschine jemand verschwinden, warum soll eine
Persönlichkeit ausgelöscht werden? Dass „Fligthplan“ (Regie: Robert SCHWENTKE) nicht ein einfacher Thriller ist, dürfte nach den ersten Minuten klar sein.

Kyle Pratt (Jodie FOSTER), eine amerikanische Triebwerkingenieurin hat ihren Mann durch einen Unfall verloren, so scheint es. Von Berlin aus fliegt sie mit ihrer Tochter in die USA zurück. Während des Fluges verschwindet das Mädchen plötzlich. Kyle glaubt zunächst an einen Zufall. Und man befindet sich auch nicht in irgendeinem Movie - Park. Trotz intensiver Suche bleibt das Mädchen unauffindbar. Kyle gerät in Panik. Rettungsaktionen in den Lüften - das Warten hat ein Ende. Nun kann Hollywood endlich aus dem vollen schöpfen. Das Szenario an Bord dieser Maschine ist blutiger Ernst, kein Spiel und keine bloße Verärgerung. Denn „Fligthplan“ ist Terror über den Wollen. Und Kyle wird mehr unfreiwillig in ein Terrorkomplott verwickelt.

Terror diente schon immer als Vorwand für das, was man schon immer wollte: vorzuführen und zu triumphieren. Im Ungleichgewicht des Schreckens bringt er Methoden hervor, die rein gar nichts mit psychologischer Spannung, Thrill und emotionalen Abgründen zu tun haben, wie der Film zu suggerieren versucht. Und in Anlehnung an HITCHCOCKs „The Lady Vanishes“ dem Publikum sogar mit Suspense kommt. Dass Araber zunächst verdächtigt werden, an einer möglichen Entführung des Mädchens beteiligt gewesen zu sein, ist biederes Klischee. Nun sind es aber nicht sie, die für die Eskalation verantwortlich sind. Denn ein Terrorist, der erpresst, tritt hier als Flugbegleiter auf, was im übrigen den Zorn amerikanischer Cockpit - Vereinigungen hervorgerufen hat. Das mag man nicht so einfach unter den Tisch kehren wollen. Allerdings ist hier der terroristische Abgrund keiner, der mit grausamsten Mitteln versucht, die Weltinnenpolitik nachhaltig ins Wanken zu bringen, oder gar den Glaubenskampf als probates Mittel betrachtet, selbstzerstörerisch und eliminierend zu wirken.

Die erschütternden Ereignisse des 11. September 2001 indes, hatten für diesen Film eine maßgebliche und damit auch verwirrende Grundlage geschaffen. Die Niedertracht bestand nun gerade darin, die Zivilisation mit globalen Standgerichten zu überziehen. Und die Selbstmordattentäter wollten sogar mit ihren politisch - religiösen Zielsetzungen die Zersetzung der Gesellschaft vorantreiben. Nun ist Innovation im Anflug. Mit geballter Power tritt Jodie FOSTER wie schon in „Panic Room“ (Regie: David FINCHER, 2002) als Mutter der Filmgeschichte auf, um ihre Tochter aus den Fängen des Unglücks zu befreien. Ein Tänzchen findet hier oben nicht statt. Und das Adventure - Mystery Spiel kann nun richtig beginnen: jeder Winkel der Maschine wird untersucht, um Kyles Tochter zu finden, die Besatzung versucht, die Mutter zu stoppen, Passagiere lehnen sich auf. Überall wird gestrickt, getrickst, verborgen, geheim gehalten, falsche Fährten gelegt.

Warum diese Panikmache? Warum wird Flugangst auf diese delikate Art und Weise im Film festgehalten? Allem Anschein nach soll die Terrorangst auf die Spitze getrieben werden. Die Paranoia greift offensichtlich. Was in der Vergangenheit Ausnahmezustand war, wird hier zum Dauerzustand. Die latente Angstgefahr wird auf unerträgliche Art und Weise geschürt. Jodie FOSTER bewegt sich in den Lüften so, als wäre sie selbst in die Barbarei verstrickt. Sie tritt wie ein Ballonflieger auf, der alle paar Minuten einen Sandsack abwerfen muss, um in die richtige Thermik zu kommen. Fürwahr: hier sind alle hin- und hergerissen. Niemandem kann man trauen. Und die Maschine erweist sich als Katakombe, in der man zunehmend außer Kontrolle geraten muss.

Aber das ist nicht alles, sondern erst die Spitze des Eisberges. Auf einmal gebiert der Terror in den Lüften einen seltsamen Ausnahmezustand, der auf dramatische Weise
den 11. September Revue passieren lässt. Man wird konfrontiert mit dem Unheilvollen, das zu jeder Zeit auf jedem Flug über den harmlosen Passagier hereinbrechen kann. Und die emanzipatorische Absicht mag darin bestehen, im Falle von Konflikten auf die Gegenstrategie der individuellen Aktion zu setzen.
Dabei wird weder das Weltbild hinterfragt, in dem solche Terrorakte möglich erscheinen, noch eine Analyse darüber geleistet, wie sich gezielte Einschüchterungen und Terrorverdacht gegen Zivilisten ausdrückt. Das Filmkonstrukt ist so schief, dass es nur durch Dynamisierung und Eskalationsideologie aufrecht erhalten werden kann. Es ist das Spiel mit der Angst, dass hier durch Verwirrung und Action verpackt und zur Schau gestellt wird. So wird die emotionale Einbindung in den Film, wenn es denn eine geben sollte, von vornherein verhindert. „Flightplan“ wird nicht zum Spiegel der eigenen Gefühle. Er bleibt ein Kunstprodukt .

Das Spiel mit der Angst gibt es solange wie es die versteinerten Glaubenssätze gibt.
Und es erstarrt bei einem solchen Konflikt, der im übrigen auch bezeichnenderweise gar nicht in der Luft, sondern am Boden gelöst wird, in einer
Blase von rauschartigen Bildern und blitzartigen Zooms. Ferment dieser Konstellation ist das Schüren dieser Phobie, die gleichzeitig alle Denunzierungsmöglichkeiten abruft, die es zu geben scheint: Kyle steht in der Verdacht, die Besatzung, die Flugleitung, die Passagiere. Alle, die sich an Bord befinden. Alle, denen der vorauseilende Gehorsam im Gesicht steht, etwas zu ändern, oder die Verhältnisse so zu belassen.

Auf einmal wird man an Mogadischu erinnert. Am 13. Oktober 1977 wurde damals von einem Palästinensischen Kommando die Lufthansa - Maschine ‚Landshut’ nach Mogadischu (Somalia) entführt. Damit wollte man die Forderung der SCHLEYER - Entführer nach Freilassung inhaftierter RAF - Häftlinge um Andreas BAADER herum unterstützen. Die Dramatik an Bord während des Fluges und später auf dem Rollfeld, als es am 18. Oktober einer Spezialeinheit der GSG - 9 gelang, die entführte Maschine zu stürmen und die Geiseln zu befreien, sind bekannt. Hat Regisseur SCHWENTKE sich hier bedient? Oder an ähnlichen anderen Darstellungen von Terrorakten in den Lüften (vgl. auch „Red Eye“, Regie: Wes CRAVEN, 2005) am Boden oder sonst wo? Was für ein Schauspiel!

Es lebe das Misstrauen. Gegen den Starrsinn, gegen falsche Emotionen, gegen Drohung und Wiederholung, gegen Unwissenheit und Ignoranz, gegen Zerstörungskraft, Irrsinnigkeit und Terrorwahn. Wenn die Gleichgültigkeit nur noch durch ein Event über den Wolken ersetzt werden kann, dann ist es an der Zeit, dieser Paranoia zu begegnen.

Fazit: Der Film steht für Sinnentleertheit, für eine Geschichte ohne Bewegung, aber mit einer Erkennungsmarke a la Hollywood. Hier sind alle Schauplätze aus Orten zusammengesetzt, die insgesamt einem Kunstrad gleichen, bei dem bei jeder Umdrehung immer die gleiche Kerbung zu sehen ist. Er ist eine Talentprobe ohne
echte Befindlichkeiten. Vergessen kann manchmal schmackhaft sein. Hier auf jedenfall.

Dietmar Kesten 23.1.06 21:04