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Harry Potter und der Feuerkelch

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LASS FAHREN DAHIN... Dietmar Kesten 10.1.06 19:06

HARRY POTTER UND DER FEUERKELCH

LASS FAHREN DAHIN, ES IST DOCH KEIN GEWINN

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, Ende NOVEMBER 2005.

Vorweihnachtliche Geschäftigkeit. Kasse machen. Das Glitzern in den Augen der Kinder. Unter dem Baum die alten Lieder singen. Kirchgang. Stille. Einkehr, Geschenke, Ruhe, Bedächtigkeit, Anmut mit einem Schuss von Melancholie. Sich an die Verstorbenen erinnern, Verharren im Gebet. Nur für einen Augenblick sitzt man zusammen. Im Familien, Bekanntschafts- und Freundeskreis. Bis man jäh aus dem Schlaf gerissen wird. Der Alltag hat einen wieder.

Nicht im Kino. Dort ist immer vorweihnachtliche Zeit. Mal früher, mal später! Nachdem der „Herr der Ringe“ in den letzten Jahren immer abgeräumt hatte und auf die Massen losgelassen wurde, ist nun Harry Potter dran. Folge um Folge wird abgespult. Und Potter wird sich gegen „Merry Christmas“ und „Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia“ zu behaupten haben. Die Potter - Sage ist nun verfeinert und aufgepeppt worden. Aus Holzkloben wurden Seidenschuhe. Aus einem wachgeküssten Frosch wurde ein sagenhafter Ritter, aus einer spartanischen Unterkunft ein Zauberberg mit Elfen, Geistern, Spuk, Zaubersprüchen, den Guten und den Bösen.

Potterland heißt das Stück. Nach der Romanvorlage von ROWLING hat Regisseur Mike NEWELL („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, 1994, „Donnie Brasco“, 1996, „Mona Lisas Lächeln“, 2003) einen 2 ½ Stunden Film gemacht. Flugs, damit man die Einspielergebnisse der bisherigen 3 Folgen toppen kann. NEWELL, kein berühmter Mann, vielmehr ein Regisseur der Mittelklasse, insistiert auf Effekte, ausgetretenen Schockeinlagen, die nichts neues im Kino sind, sondern gleich reihenweise aus dem Computer abgerufen werden können. Scheu vor Wilderei braucht er nicht zu haben; denn heutzutage bedient sich immer irgendwer irgendwo. Das Plagiat ist angesagt. Wer wollte es da wagen, den Pottermacher gerade deswegen zu kritisieren?

Doch der Reihe nach: Potter ist auf dem Weg durch die Pubertätswirren. Fälschlicherweise als Lügner gebrandmarkt, muss er wieder Abenteuer überstehen, sich mit Feinden auseinandersetzen, dumpfe Zaubersprüche von sich geben, sich mit Verwandlungen seiner Gegner herumplagen, Spiele und Turniere gewinnen, tanzen, lachen. Und zum guten Schluss wird er mit seiner Nemesis Lord Voldemort konfrontiert. Das alles ist in Spezialeffekte verpackt; denn man ist verpflichtet: gegenüber dem Publikum, den Lichtspielhäusern und den Verleihfirmen.

Doch wenn die Zusammenhänge zusammenhanglos bleiben, nützen auch keine Effekte, die von Szene zu Szene überladen erscheinen, eintönig bis billig sind, abgenutzt, flach, mitunter sogar albern. Doch wen interessiert es? Und düster soll es sein. Erwachsene, nehmt die Kinder bei der Hand; denn die Schergen der Unterwelt werden zuschlagen. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Alles ist in Blau gehalten, mit Blaustrichen versehen: Blaue Berge, blaue Kostüme. Selbst die Nacht ist blau. Und Blau ist auch der Feuerkelch. Der Kelch bringt Farbe ins Spiel. Und zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Niemand weiß so recht, was Potter da so treibt. Das Trio RADCLIFFE/WATSON/
GRINT jedenfalls wissen nichts von den verlorengegangenen Einstellungen des Films. Vielleicht darf deswegen RADCLIFFE nicht auf die Brüste von Emma WATSON starren? Hier kommt man sich so vor wie in den fünfziger/sechziger Kinojahren als jede körperliche Regung verpönt erschien, mit Tabus belegt wurde. Und die Damen trugen zum Zeichen ihrer Keuschheit lange und grobgestrickte Röcke. Dieser Potter ist ein Internatszögling ohne Pfiff.

Sonst ist nicht viel zu sehen, wenn von Unterwassermonstern und lebenden Hecken einmal abgesehen wird. Der Trend ist jedoch unverkennbar: Action muss her, damit
der Film sich in das flammende Inferno der heutigen Filmtage einfügen kann. Es überwiegt die Filmlangeweile und der Frust. Potter ist gealtert. Der nächste Potter ist vielleicht einer, der schwer bewaffnet auf seinen einstigen „Feuerkelch“ pfeift und mit der Kalaschnikow seinen ehemaligen Filmhelden den Garaus macht?
Wie dem auch sei: zur Agonie des Films käme noch der Rest der Schauspielerriege hinzu, die sich blutarm und zu schlecht von einer Sequenz zur anderen bewegen. Dass Miranda RICHARDSON hier verheizt wird, kann noch hingenommen werden Viel schlimmer dürfte sein, dass Ralph FIENNES (als Lord Voldemort) sich hier zum Affen macht. Seine Grandiosität verpufft auf schreckliche Weise.

Wie süß die Glöckchen klingen. Im „Feuerkelch“ nicht. Sie gehen in einem Musikgetöse unter: Harfen, Becken, Geigen, Posauen. Völlig deplaziert. Doch jedem Strauch sei eigenes Instrument. So ist Potter nicht zu ertragen. Es bleibt die Frage: war er überhaupt jemals zu ertragen?

Fazit:

Nichts berauschendes. Eine reine Enttäuschung.

Dietmar Kesten 10.1.06 19:06