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Königreich der Himmel - Kingdom of Heaven

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Im Directors Cut eine Offenbarung ! Spoiler! Filmstudentin 26.1.07 20:10

Seit dem Erfolg des Sandalenepos "Gladiator" erlebt das monumentale Hollywood Kino eine Renaissance.
Regisseur Ridley Scott bereicherte das Genre jüngst um "Königreich der Himmel". Einen Film, der aufgrund starker Kürzungen im Kino nicht zu überzeugen vermochte, aber als Directors Cut auf DVD seine Brillanz zum größten Teil eindrucksvoll entfalten kann.

Das Thema ist eine Geschichte aus längst vergangener und mystischer Zeit.
Im Jahre 1184 sucht der eigensinnige Balian (Orlando Bloom) in der neuen Welt des Orients nach Frieden und Erlösung. Was er jedoch findet, ist ein blutiger Kampf um die Stadt Jerusalem.
Nach vielen Prüfungen kann sich Balian als mutiger Verteidiger der Stadt bewähren, ihren Fall aber dennoch nicht verhindern ...

Ridley Scott zeichnet ein historisch überwiegend korrektes und präzises Porträt einer Zeit der großen Umbruchstimmung.
Das Jerusalem dieser Epoche wird von Christen regiert. Der heldenhafte König Balduin aber ist dem Tode geweiht, und somit beginnt sich das christliche Lager zu spalten. Die Toleranz zwischen den unterschiedlichen Religionen droht zu zerbrechen. Der Orden der Tempelritter setzt sich das Ziel, alle "Ungläubigen" zu töten.
Die Atmosphäre dieser düsteren Krise bannt der Regisseur in ebenso dunkle, wie auch mitreissend-unvergessliche Bilder. Die Kompositionen, die aus der gezielten Lichtsetzung, wohlüberlegten Arrangements der Elemente und Farbtöne und dynamischen Kameraperspektiven entstehen, erzeugen eine perfekt inszenierte Intensität, die kaum noch zu übertreffen ist. Die visuelle Sprache ist kunstvoll, ästhetisch und opulent, niemals aber künstlich oder selbstzweckhaft.
Eine wichtige, unterstützende Funktion erfüllt die musikalische Untermalung mit passenden, mittelalterlichen Motiven.
Ridley Scott weiß diese Stärken perfekt ausbalanciert auszuschöpfen. Er schwelgt mit starker lyrischer Wucht in jedem seiner Bilder, vergisst darüber hinaus aber nie die inhaltliche Substanz seines Filmes deutlich hervorzuheben.
Und an inhaltlicher Substanz mangelt es "Königreich der Himmel" im Gegensatz zu vielen anderen Genrefilmen nicht im Geringsten.
Auf überaus komplexe Art und Weise sind nicht nur die dominierenden Charaktere gezeichnet, sondern auch das Konstrukt aus politischen, historischen und persönlichen Entwicklungen. Auf diese Weise kann das ambitionierte Werk sowohl als detailreicher Historienfilm, wie auch als teils fiktive Abenteuergeschichte verstanden werden. Und darüber hinaus mit aktuellen Bezügen universelle, gesellschaftlich-politische Relevanz entwickeln. Welche nie aufgesetzt wirkt, weil sie sich selbständig aus dem Aufbau der Handlung herauskristallisiert.
Was Ridley Scott hier präsentiert, sind zwei unterschiedliche Varianten der Zivilisation: Der fundamentalistische Fanatismus und die integrative, liberale Variante, welche ein pluralistisch kulturelles Zusammenleben ermöglichen möchte.
In der gegenwärtigen Wirklichkeit des religiös motivierten politischen Handelns und postmoderner religiöser Konflikte, ist "Königreich der Himmel" letztendlich ein klares Plädoyer für Verständnis und ein friedliches Zusammenleben.
Gerade dieser Unterbau gelingt Ridley Scott vortrefflich, weil er in seiner Aufarbeitung des politisch-kulturellen Subtextes eine überwiegend neutrale und zumindest größtenteils klischeefreie Mitte wahrt.

Dennoch ist "Königreich der Himmel" nicht frei von minimalen Schwächen. Gerade der sehr hohen Ansprüche wegen gelingt es Scott nicht vollständig, kleinere Fehler zu vermeiden.
So bleiben diverse Entwicklungen der Charaktere trotz allen Facettenreichtums im Ansatz sehr kompliziert. Nicht immer ist ihr Handeln auf Anhieb greifbar und somit für den Zuschauer deutlich nachvollziehbar.
Ferner ist der dramaturgische Faden des Filmes nicht durchwegs konsequent und sinnvoll gestaltet. Gelegentlich sind diverse Dramatisierungen leicht konstruiert.
Orlando Bloom ist zudem nicht die glücklichste Besetzung für die Hauptrolle. Selbst für den laienhaften Zuschauer sollte sichtbar werden, dass der Jungstar trotz mancher großartiger Momente nicht die notwendige Präsenz und das schauspielerische Format besitzt, um einen solchen Film durchwegs tragen zu können.

Insgesamt aber fallen diese Punkte nicht wirklich ins Gewicht, weil sie durch die Stärken des Filmes relativiert und treffend überdeckt werden.
So überzeugen zum Beispiel an Orlando Blooms Seite hochkarätige Stars wie Liam Neeson, Jeremy Irons oder Eva Green mit darstellerischer Souveränität auf höchstem Niveau.
Allen voran Eva Green als Sybilla, die Schwester des Königs, erfüllt die Leinwand mit magischer Ausdrucksstärke. Sie verleiht ihrer Figur nicht nur Tiefe, sondern auch eine geheimnisvolle Aura. Zeigt latente Erotik, Willensstärke, Anmut und Verzweiflung zugleich. Die Akzentuierung, welche die superb und verständlich gezeichnete Widersprüchlichkeit ihres Charakters schlüssig und plastisch werden lässt, ist in jeder Szene ungemein faszinierend. Hier ist jederzeit ein klares Rollenverständnis ersichtlich. Und schmerzhaft beeindruckend sind somit vor allem die hochemotionalen Szenen, in denen Sybilla erkennen und annehmen muss, dass ihr Sohn an einer unheilbaren Krankheit leidet.

Insgesamt ist Ridleys Scotts "Königreich der Himmel", soweit man ihm die kleinen Schwächen verzeihen möchte, ein anspruchsvoller, intelligenter, berauschender und poetischer Monumentalfilm. Allerdings nur in dem wesentlich längeren Directors Cut des Regisseurs.
Ein mit seiner grandiosen Ausstattung, herausragenden Kostümen und überlebensgroßen Landschaftsaufnahmen erstrangig authentisches, doppelbödiges Epos, das mehr noch als "Gladiator" von der meisterhaften Handschrift eines Ridley Scott in Hochform getragen wird.
Ein Erlebnis, in dem sich effektreiche Schlachtsequenzen, wie auch philosophisch tiefsinnige Dialoge und inhaltliche Substanz nie gegenseitig ausschließen.

Filmstudentin 26.1.07 20:10