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Land of the Dead

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LEBENDIGE ENTHAUPTUNG DIETMAR KESTEN 25.1.06 20:16

LAND OF THE DEAD

LEBENDIGE ENTHAUPTUNG

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 2. SEPTEMBER 2005.

Zombies sind wie fleischfressende Pflanzen. Sie suchen sich immer wieder Opfer. Doch auch Zombies machen eine Entwicklungsphase durch. Ihr biologischer Zustand ist nicht mehr widerspruchsfrei, wenn sie durch die Kinogeschichte geistern. Der Zombie als solcher existiert ja nicht; denn er ist weder lebendig noch tot. Wenn er erlegt wird, dann steht er einfach wieder auf und pflanzt sich irgendwo an einem anderen Orte fort. Deshalb ist er ein Untoter, ein Scheintoter, Noch - Nicht - Toter, aber Bald -Toter; denn seine Rächer sind ihm auf den Fersen. Zombies sind ein Nichts. Überhaupt haben sie in der Filmgeschichte keine Bedeutung. Es sei denn, man verlässt sich auf George A. ROMERO, der sie einfach ‚erschaffen’ hat. In „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) hat er jene zum Vorschein gebracht, die seit dieser Zeit das Kino nicht wieder verlassen haben. Und so kommen sie in ihren ausgetretenen Schuhen alle paar Jahre wieder, um Angst und Schrecken in die Köpfe eines Kinopublikums zu setzen.

„Land of the Dead“ ist Teil einer Zombie - Saga, die die Frage aufwirft, ob sich der schleimige Pfropf nicht von selbst erledigt hat, und ob nicht die Verneigung, die auf ROMERO und seinen Auswürfen liegt, jene katastrophische Entwicklung des Kinos ist, die zwangsläufig mit dem Horror - Genre eingeleitet wurde. Was hier abgeliefert wird, ist plumpe Kannibalismus, der mit dem Anspruch unterlegt ist, sozialkritisch zu sein. Bereits in „Dawn of the Dead“ (1978) hatte man ROMERO in den Himmel gehoben, ihn als neuen Papst der antikapitalistischen Kulturkritik gefeiert, der das Wohlstandsgehabe der Bürgerlichkeit (in bezug auf Amerika) in aller Schärfe kritisiert hat, und den Zuschauer mit einer ‚soziale Parabel’ nach der anderen konfrontiert hat.

Wer meinte, dass die Untoten von damals den Gegensatz von Arm und Reich polarisieren sollten, dass sie zu einer erstaunlichen Kommunikation (Entwicklung einer eigenen Lautsprache) fähig waren, und dass sie darüber hinaus, die letzten Bastionen der Menschheit mit ihren Beton, Glas- und Luxuswohnungen, mit ihrem Freizeitgehabe und desaströsen Umgang untereinander aufs Korn nahmen, der dürfte nicht verstanden haben, dass diese widerwärtigen Fleisch- und Hirnfresser
nichts anderes als eine Bedrohung waren. Die tatsächlichen Widersprüche der Gesellschaft erfährt man nicht durch tumbe Zombie - Klischees, sondern nur dadurch, dass man die Darstellungen über sie plausibel macht.

Dass das ROMERO weder in seinem Erstlingswerk, noch in den darauffolgenden Filmen schaffte, liegt auf der Hand. Er tritt unter dem Scheinmantel einer Kritik an der Warengesellschaft auf, liefert aber nur einen Kurs über Gewalt ab, die nichts auslässt. Dass das Morden und Töten im Kino (leider) Kultur hat, dürfte in der Zwischenzeit auch dem blindesten Kinogänger klar geworden sein. Dass sie nun aber in Exessen ausartet, und dabei nichts auslässt, ist erschreckend und abschreckend zugleich. ROMERO ruft nahezu zur Selbstjustiz und zum killen auf, wenn er denn zum blutigen Ernst übergeht, verweste Kannibalen zeigt, abgetrennte Arme und Köpfe, die widerlich zertreten werden, quellende Hirne, die von Zombies mit Genuss verspeist werden. Hier verkommt das Kino endgültig zur Brutalität und zur Blutrünstigkeit.

Im Kino riecht man förmlich den Geruch von Menschenfleisch. Man riecht diese vermoderten Ratten, das klebrige Blut und die spritzenden Gedärme. Die schmatzenden, schlürfenden und scheppernden Geräusche der Zombies setzen diesem ganzen ekligen Schleim noch die Krone auf. Dabei sind sie doch nichts anderes wie ihre Gegenspieler: Killermaschinen mit der Lust zum töten. Sympathieträger sind sie für keine Seite, weder für eine arme, noch für eine reiche. Denn sie agieren nur auf einem Splatter - Niveau.

Einen politischen Sinn in diesem Film zu sehen, kann nur als dreist bezeichnet werden. Um das bildhaft in Szene zu setzen, hat ROMERO die Figur Kaufman (Dennis HOPPER) erschaffen, der als wohlhabender Weißer (natürlich Kapitalist!) die ‚einfachen Massen’ (welche?) unterdrückt und ausbeutet. Wie schön! Und natürlich müssen die Zombies und deren Mutanten ihn zur Strecke bringen, damit sie in ein Land ihrer Wahl ziehen können, in dem es keine Ausbeutung und Unterdrückung mehr gibt. Wie naiv muss man sein, um diese Annahme durch einen Film zu streuen?

Selbst die apokalyptischen Zustände, die es in ROMEROs Filmwelt gibt, haben kaum einen Bezug zur politischen Wirklichkeit. Denn die Zombies haben die Welt bereits überrannt. Und die Untoten haben die Städte bevölkert und übervölkert. Die gezeigte Situation ist also vollkommen überholt. Und die aktuellen Strömungen, wenn man sie denn im Sinne vom ROMERO deuten sollte, in den Armutsvierteln dieser Welt lassen eher die Vermutung aufkommen, dass eine drastische ökonomische Katastrophe erst folgen wird. Denn diese Gesellschaftsstrukturen sind das Ergebnis eines langen Prozesses der kapitalistischen Entwicklung. Und diese kann nicht einfach durch ein Schwarz - Weiß Bild kaschiert werden. Dennoch tut es ROMERO. Und mit Riley (Simon BAKER) hat er scheinbar jemanden gefunden, der sozusagen der Robin Hood der Wohlstandsgesellschaft ist. Ihm gelingt es nämlich, in Sozialpartnerschaft zu machen („lasst sie ziehen, sie suchen sich nur ein Land, in dem sie leben können“) um sich dann aber selbst mit seinen Mannen in die Enklave der Lebenden zurückzuziehen.

ROMERO - Filme waren nie soziale Parabeln. Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Wer sie wirklich sehen will, der sieht sich andere Filme an, wer sie sehen will, der geht mit Tränen ins Kino und kommt mit Tränen wieder heraus, wer sie wirklich sehen will, der pfeift auf ROMERO, auf eine Pop - Zombie - Kultur, auf Horrorfilme, Tote, Scheintote und Untote; denn nur die Lebenden wissen, was sie den Toten wirklich angetan haben. So sind die schmarotzenden Fleischfresser wieder einmal von den Toten auferstanden und machen sich abartig über die Lebendigen her.
„Land of the Dead“ ist eine blutige Schlachtorgie, ekelhaft und permanent Brechreiz erzeugend. Wenn Zombies Köpfe mit Wirbelsäulen herausreißen und sie dann anschließend schmatzend verspeisen, dann gibt es dafür nur eine Bezeichnung: blanker Wahnsinn.

Fazit:

Ein ekeliges Schlachtwerk. Ohne irgendeinen gesellschaftlichen Bezug.

DIETMAR KESTEN 25.1.06 20:16