filmz.de
Closed

Madagascar

[ Info ] [ Links ] [ Kommentare ]
Enttäuschend, teilweise ärgerlich Martin Weber 26.7.05 18:13
Madagascar -keine Doktorarbeit aber gut =) Rolf Dierig 9.8.05 19:32

Ich liebe Animationsfilme wie Shrek 1+2, Findet Nemo oder die Monster AG. Deswegen habe ich mich, auch aufgrund der Vorschusslorbeeren, sehr auf den Film gefreut, zumal er von den Shrek-Machern stammt.
Auch das Thema des Films, Tiere - die es sich, ihr Leben lang vom wirklichen Leben abgeschnitten, in einem (von ihnen nicht als solches wahrgenommenes) Gefängnis "gut gehen lassen" (worin man eine Parallele zu einem Großteil der Menschen in unserer Konsumgesellschaft sehen könnte) - in die Freiheit ausbrechen zu lassen und sie dort unerwarteten Widrigkeiten und Hidernissen auszusetzen, schien mir sehr vielversprechend.

Das große Potential, nämlich eine wenigstens gesellschaftskritisch-satirisch angehauchte Komödie zu zeigen, hat Dreamworks aber leider in den Wind geschossen und liefert auch sonst kaum Originelles - irgendwie hat man alles schon einmal gesehen.

Es ist nicht so, dass ich einen tiefgründigen Film erwartet hätte, obwohl das Potential eindeutig da gewesen wäre, ohne auf Kosten des Humors zu gehen - im Gegenteil.
Aber auch davon unabhängig sind die Gags und Witze im Vergleich zu oben genannten Filmen einfach nur flach, darüber hinaus herrscht eine viel größere Distanz zu den Filmhelden, emotional mag man sich nicht auf den Film einlassen.
Ich jedenfalls entsinne mich, im Trailer zum Film tatsächlich einige Male gelacht zu haben, während dem Film selbst erging es mir dann ähnlich wie bei Ice Age, allerdings hatte der damals noch einiges mehr zu bieten als Madagascar.

Vielleicht ist der Lemuren-König im Original ganz witzig, in der deutschen Synchronisation nervt seine "Hört-euch-meinen-wahnsinnig-komischen-Dialekt-an-ist-der-nicht-zum-Kugeln"-Stimme tierisch. Andere Film-Synchronisationen hatten da ein weitaus glücklicheres Händchen. Scheint aber wohl Geschmackssache.
Und auch die Pinguin-Gang kann den Film nicht retten, obwohl ich großer Fan der Fantastischen Vier bin, die ihr ihre Stimmen verleihen.

Einzig der Konflikt zwischen Löwe Alex und Zebra Marty bringt dann endlich etwas Dramatik und Tiefe in den Film, dies aber nur kurzzeitig und die Auflösung ist dann mehr als einfallslos und sogar ärgerlich - schade, dass Alex nicht wenigstens ein kleiner Nemo als Steak-Alternative mundgerecht zerlegt wird: was ich nicht kenne und wozu ich keine Beziehung aufgebaut habe, kann ich ruhigen Gewissens töten - eine schale Botschaft.

Dies führt zu dem Hauptkritikpunkt, den ich an dem Film habe:
In einer Zeit, in der die Schizophrenie des Menschen in seinem Umgang mit Tieren einen neuen Höhepunkt erreicht hat - auf der einen Seite finden wir Tiere süüüüß, halten uns für tierliebend, bauen Sympathie zu vermenschlichten, tierähnlichen Fantasie-Wesen auf, denen stereotype Tiercharakteristika aufgestempelt werden, wir finden Tierkunstwesen "cool", niemals wussten wir so viel über das Wesen von Tieren, ihren sozialen Fähigkeiten, ihrer Intelligenz, der Fähigkeit zu träumen, Freude und Leid zu empfinden; auf der anderen Seite die gigantische Ausbeutung aller Tiere, die der Mensch als nützlich einstuft, die nicht mehr leben dürfen um ihres Lebens willen, sondern reduziert sind auf Objekte, auf Produkte die für den Verbrauch des Menschen optimiert werden, ob als Liebes- und Kuschelobjekte zu Hause, als millionenfach verstümmelte, verätzte oder mit Krankheiten infizierte Versuchstiere, versklavte und misshandelte Zirkus-, Zoo- und Fernsehclowns oder Milliarden von armen Kreaturen, die nur zu dem einen Zweck geboren wurden: in einem Bruchteil ihrer natürlichen Lebensdauer, eingesperrt und in kürzester Zeit zu Krüppeln gemästet, geschlachtet und zerstückelt auf unseren Tellern konsumiert zu werden, und die zum Dank all ihrer unfreiwilligen Verdienste an uns Menschen auch noch für unsere Fäkalsprache und Wortschatz für Beleidigungen herhalten müssen - in dieser Zeit ist ein Film wie Madagascar schon fast verantwortungslos oberflächlich und primitiv, wenn beispielsweise in einer Szene wie in altbekannten Tierfilmen der Eindruck erweckt wird, die Wildnis, die Natur, sei lediglich bestimmt von fressen und gefressen werden, der Macht des Stärkeren, was wie man heute weiß, einfach nicht der Fall ist, da es auch in der Tierwelt viel sozialer zugeht, als uns das spektakuläre Tierfilme glauben machen wollen und der Film so unseren sadistischen und grausamen Umgang mit Tieren, die nicht der menschlichen Rasse angehören, als "natürlich" entschuldigt.

Kritik an den gegebenen Umständen lässt der Film jedenfalls vermissen, nicht nur das, am Ende sind unsere Ausreißer sogar froh, wieder in ihre Käfige zurück kehren zu können (auch wenn dieses Vorhaben mit Hinblick auf eine Fortsetzung offen bleibt).
Was für eine Botschaft, vor allem wenn man die Parallele zu uns Menschen sieht:
Lieber zu Hause unfrei den gewohnten Beschäftigungen nachgehen, die einem von der Gesellschaft aufgedrückt werden, lieber die Wirklichkeit verdrängen und seine Flucht in netten Kinderfilmen suchen, als einmal über den eigenen Tellerrand zu blicken, aufzuhören die Augen zu verschließen und sich seine Freiheit auch gegen Widerstände (friedlich) zu erkämpfen, Verantwortung zu übernehmen für sich selbst und sein Leben.

Mich hat Madagascar sehr enttäuscht - nicht nur als humorvolle Unterhaltungskost für zwischendurch.

Martin Weber

Martin Weber (Homepage) 26.7.05 18:13