Mathilde - Eine große Liebe
ÜBERFRACHTUNGEN. Dietmar Kesten 11.2.05 15:29
MATHILDE- EINE GROßE LIEBE
ÜBERFRACHTUNGEN
von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 11. FEBRUAR 2005.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ (Regie:
Anthony MINGHELLA, 2003) kehrte Inman
(Jude LAW) 1863 aus dem amerikanischen Bürgerkrieg
nach Hause zu Ada (Nicole KIDMAN) zurück.
Doch er übersteht den Krieg nicht und stirbt in ihren
Armen.
Diese Mischung aus Kriegs- und Liebesfilm war heikel
genug.
In Zeiten der Künstlichkeit und des Rigorismus, hatte dieses
inszenatorische Kalkül etwas mit einer Puppenbühne
gemeinsam: man liebt die Figuren und die Masken, die
aufgesetzt- und wieder abgesetzt wurden.
Zuviel Schmachten im Kino ist unmodern geworden.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ war man beständig
auf einem Trip. Das Maskenspiel der Handlung war
ein hybrides Filmgewächs, das zur festgesetzten Stunde
den Kotau der Zuschauer vor der allerletzten Szene
verlangte.
Man starb den Langeweiletod, war mit Unverständnis,
gar Blindheit geschlagen, oder man berauschte sich an
dem unausräumbaren Gefühl, KIDMAN oder LAW nahe sein
zu wollen.
Für die letzte Einstellung gab es keine Zeugen mehr.
Nun, Zuschauer, schau du.
Mittlerweile gibt das Kino den schönen Schein dieser
Bilder weiter.
Mit lauter kleinen Reisen in die Hölle wird melodramatisch
und stellenweise sehr schön der unaufhörliche Fluss der
Kriegs- und Liebesbilder wie ein Ziffernblatt, das in Unordnung
gerät, für alle Zeiten im Kino festgehalten.
Der Fluss der Zeit: hier wird sie zum einprägsamen Bild.
Doch zuviel Schrecken im Kino stumpft das Publikum ab.
Wie leicht kann ein Film aus den Fugen geraten, wenn permanent
die Schrecken des Krieges wie Menetekel an die Wand
gezeichnet werden!
Wie leicht kann sich aus dem Fluss der Bilder das Desaster
entwickeln! Die Magie ist dahin.
Selbst dann, wenn versucht wird, die Balance zu halten, bleibt
ein schaler Geschmack übrig.
Durch das endlose Kriegsgrau kann keine Botschaft mehr
dringen. Selbst die Botschaft der Liebe bleibt nur ein Wimmern;
denn diese zwei Geschichten, die Liebe und der Krieg,
bilden einen unsichtbaren Raum, in dem diese
komplizierte Allegorie kaum wirkliche Kraft entfalten kann.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ gab es die Botschaften
eines Toten, der bereits tot war, aber doch noch lebte.
Es gab das Licht der Brände, die Leuchtspuren der Geschosse,
es gab die Bestie Krieg, die die Besten auslöscht, es
gab Leiden ohne Ende, aufwühlende und aufrührende Bilder.
Jedes Bild schien für sich genommen, einen tödlichen
Farbtupfer zu bilden; den selbst die Liebe nicht mehr zu
einer roten Schleife binden konnte.
Hier war es schon die Überfrachtung, die bis an ihre Grenzen
stieß. Sehnsucht und Grausamkeit- gegensätzlicher kann
ein Kinobild nicht sein.
Am Ende wusste man nicht, ob man sich räuspern oder
schnäuzen sollte.
Nun ist „Mathilde - Eine große Liebe“ nicht weit von
MINGHELLA entfernt.
Wieder steht der Krieg (der 1. Weltkrieg) im Mittelpunkt. Und
eine sich verzehrende Liebe. Faszinierend von diesem Thema
hat Jean-Pierre JEUNET („Die fabelhafte Welt der
Amelie“, 2001) den Ball der Amerikaner ohne Berührungsängste
aufgenommen. Doch „Mathilde - Eine Große Liebe“ darf nun
auch nicht unbedingt als eigenständige französische Produktion
gelten; denn die amerikanische Filmgesellschaft Warner Bros.
produzierte diesen Film. Man ist also eingekreist. Die
Mietshäuser und die Fernsehantennen haben sich verschoben.
Dem Kino droht durch die amerikanische Übermacht, die mehr
Einfluss auf den europäischen Kinomarkt hat, als man meint,
der Garaus.
Morgen werden sie kommen. So bleibt auch das Kino.
Mathilde (Audrey TAUTOU), eine junge Frau von der bretonischen
Küste wartet auf ihren Verlobten Manech (Gaspar ULLIEL), der nicht
aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt. Alle Anzeichen sprechen dafür,
dass er bei einem Angriff zu Tode gekommen ist.
Aus den Akten, die sie heimlich entwendet, geht hervor, dass er sich
selbst verstümmelt hat, um den todgeweihten Schützengräben zu
entkommen.
Vor ein Kriegsgericht gestellt, wird er ins Niemandsland zwischen den
französischen und deutschen Stellungen geschickt, was den sicheren
Tod nach sich zieht.
Nur seine Leiche ist unauffindbar. Mathilde, die Tuba spielt, und die
damit Notsignale nachmachen kann, gibt sich mit den offiziellen
Verlautbarungen nicht zufrieden. Sie versucht, die Ereignisse zu
rekonstruieren und stößt auf jede Menge Widersprüchlichkeiten.
Sie gräbt sich ein, ist dem Himmel und der Hölle gleichzeitig nahe,
versucht sich dem Chaos des schmutzigen Krieges durch die
verzehrende Liebe zu Manech zu entziehen.
Ihre Hoffnung ist der Leuchtturm, den beide früher öfter besuchten.
Er soll wie ein Leuchtfeuer in der Nacht sein, Licht spenden in
Zeiten der Dunkelheit.
Rückblenden und Porträtfetzen halten den Traum, dass Manech
lebt, wach.
Kitschig, tödlich und trostvoll- so könnte die Quintessenz
lauten.
Mit der Rückkehr von Manech hat der Kino-Kitsch einen gewissen
Höhepunkt erreicht. Im Film kehren die Liebenden zurück. Statt
der Leichtigkeit der Bilder begegnet uns das Bleigewicht der
Reflexion: auf der einen Seite die Hingabe der Darsteller an das
Herz des anderen, auf der jenseitigen Seite die Schützengräben,
Blut, Tote, Dreck und Perversion.
Dass die Liebe dieses Grauen, wie in „Mathilde - Eine große
Liebe“ dargestellt, überwinden kann, ist und bleibt fragwürdig.
Die Postmodernität der Erzählkunst scheint vorbei zu sein.
Mit den Schwierigkeiten dieses Scheins hatte schon
Philip KAUFMAN in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“
(1988) zu kämpfen. Und damit auch mit der Erzählung.
Es gibt danach eine Leichtigkeit des Sehens, von der das
Kino träumt, der Zuschauer nichts weiß.
Die Leinwand ist die Welt, in die die Zuschauer eintreten, in
jedem Moment schon fertig, scheinbar vollendet.
Der Zuschauer ist ein verschwommenes Motiv, worin sich die
postmoderne Erzählung verstrickt.
JEUNET zeigt nichts anderes als eine romantische
Liebesgeschichte, die stilistisch perfekt nach den Kinoregeln
abläuft. Das ist nichts besonderes, nichts außergewöhnliches.
Ob es gelungen ist, sogar sehenswert, soll hier nicht
besonders hinterfragt werden. Und ob JEUNET, der wieder
einmal mit außerordentlich viel Vorschusslorbeeren
bedacht wurde, ein kreativer Kopf ist, der ein
Puzzlespiel der Liebe mit Dominosteinen, die stehen und
fallen, gut aufbereiten und in Szene setzen kann, soll dahingestellt
bleiben.
Von postmoderner Leichtigkeit kann also nicht unbedingt die
Rede sein.
Eher zwingt der Film dazu, jene alte Vorstellung vom Schicksal
in der Liebe wieder auferstehen zu lassen. Mit der Rückkehr
von Manech erreichen jene Episoden die Klimax, die zu
Tränen rühren kann, aber nicht sollte, weil alles so rührselig
ist.
Hier kauft man JEUNET auch fast alles ab. Weil die
Rührseligkeit sein Markenartikel ist, wird alles im Getöse aus
Blut und Tod überfrachtet.
Sein Film ist keine Lösung. Vor allem nicht für Liebende, die
den Stress unter die Unterwerfung der Liebe so kaum mitmachen
dürften.
Das Happy-end scheint mit einem Laster verunglückt zu sein.
So dick aufgetragen ist es.
Übertreibung und Poesie, der Traum und die Erinnerung, das
Traumbild und der Triumph der Nostalgie.
Ohne Zweifel beherrscht JEUNET diese Filmkunst. Die Fäden
zu ziehen, die Blickwinkel des Geschehens zu ändern, Spuren
verwischen und sie wieder sichtbar zu machen. Das ist
gekonnt und durchaus sehenswert.
Doch die Bewegung dieses Dramas, der dramatische Konflikt
und die endlosen Szenenfäden sind so furchtbar in die
Theatralik eingewebt, dass der Film allergrößte
Verlegenheit erzeugt.
Da mag selbst Jodie FOSTER deplaziert erscheinen.
Jedes Mal wenn Filmpioniere die unglaublichsten Dinge
glaubhaft erscheinen lassen wollen, werden sie zugleich als
elementare Zeitgeschichte verkauft. So soll der Film sogar
antikriegerische Elemente haben, Autorenkino al la Booneuhr
sein, durch seine Souveränität zusammenhalten.
Surrogate der Phantasie sind nicht wirklich. Zuweilen lähmt sie.
Als Abklatsch und Farce bleibt sie in der Postmodernität
verankert. Hier nun aber nicht als Erzählkunst, sondern als
vergängliche Sekunde des Augenblicks.
Fazit:
Leider gibt es hier nur Linien, die im Zickzack verlaufen.
Es gibt keinen geraden Weg, schon gar nicht in der Liebe.
Sie hat keine Bleibe, bietet kein Zuhause, keinen Halt.
Sie ist nur ein flüchtiges Ausruhen auf einer Reise von hier
nach dort.
Wenn zudem noch alles romantisch verpackt und
eingebunden wird, selbst der Postbote als Tati-Verschnitt
auftaucht, dann fragt man sich, ob alle Orte der Liebenden
so aussehen, oder ob nicht vielmehr der radikale Schnitt
hin zu einem Kino aus dem endgültig Klischees und
Überfrachtungen verschwinden, zu erfolgen hat.
Dietmar Kesten 11.2.05 15:29
ÜBERFRACHTUNGEN
von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 11. FEBRUAR 2005.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ (Regie:
Anthony MINGHELLA, 2003) kehrte Inman
(Jude LAW) 1863 aus dem amerikanischen Bürgerkrieg
nach Hause zu Ada (Nicole KIDMAN) zurück.
Doch er übersteht den Krieg nicht und stirbt in ihren
Armen.
Diese Mischung aus Kriegs- und Liebesfilm war heikel
genug.
In Zeiten der Künstlichkeit und des Rigorismus, hatte dieses
inszenatorische Kalkül etwas mit einer Puppenbühne
gemeinsam: man liebt die Figuren und die Masken, die
aufgesetzt- und wieder abgesetzt wurden.
Zuviel Schmachten im Kino ist unmodern geworden.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ war man beständig
auf einem Trip. Das Maskenspiel der Handlung war
ein hybrides Filmgewächs, das zur festgesetzten Stunde
den Kotau der Zuschauer vor der allerletzten Szene
verlangte.
Man starb den Langeweiletod, war mit Unverständnis,
gar Blindheit geschlagen, oder man berauschte sich an
dem unausräumbaren Gefühl, KIDMAN oder LAW nahe sein
zu wollen.
Für die letzte Einstellung gab es keine Zeugen mehr.
Nun, Zuschauer, schau du.
Mittlerweile gibt das Kino den schönen Schein dieser
Bilder weiter.
Mit lauter kleinen Reisen in die Hölle wird melodramatisch
und stellenweise sehr schön der unaufhörliche Fluss der
Kriegs- und Liebesbilder wie ein Ziffernblatt, das in Unordnung
gerät, für alle Zeiten im Kino festgehalten.
Der Fluss der Zeit: hier wird sie zum einprägsamen Bild.
Doch zuviel Schrecken im Kino stumpft das Publikum ab.
Wie leicht kann ein Film aus den Fugen geraten, wenn permanent
die Schrecken des Krieges wie Menetekel an die Wand
gezeichnet werden!
Wie leicht kann sich aus dem Fluss der Bilder das Desaster
entwickeln! Die Magie ist dahin.
Selbst dann, wenn versucht wird, die Balance zu halten, bleibt
ein schaler Geschmack übrig.
Durch das endlose Kriegsgrau kann keine Botschaft mehr
dringen. Selbst die Botschaft der Liebe bleibt nur ein Wimmern;
denn diese zwei Geschichten, die Liebe und der Krieg,
bilden einen unsichtbaren Raum, in dem diese
komplizierte Allegorie kaum wirkliche Kraft entfalten kann.
In „Unterwegs nach Cold Mountain“ gab es die Botschaften
eines Toten, der bereits tot war, aber doch noch lebte.
Es gab das Licht der Brände, die Leuchtspuren der Geschosse,
es gab die Bestie Krieg, die die Besten auslöscht, es
gab Leiden ohne Ende, aufwühlende und aufrührende Bilder.
Jedes Bild schien für sich genommen, einen tödlichen
Farbtupfer zu bilden; den selbst die Liebe nicht mehr zu
einer roten Schleife binden konnte.
Hier war es schon die Überfrachtung, die bis an ihre Grenzen
stieß. Sehnsucht und Grausamkeit- gegensätzlicher kann
ein Kinobild nicht sein.
Am Ende wusste man nicht, ob man sich räuspern oder
schnäuzen sollte.
Nun ist „Mathilde - Eine große Liebe“ nicht weit von
MINGHELLA entfernt.
Wieder steht der Krieg (der 1. Weltkrieg) im Mittelpunkt. Und
eine sich verzehrende Liebe. Faszinierend von diesem Thema
hat Jean-Pierre JEUNET („Die fabelhafte Welt der
Amelie“, 2001) den Ball der Amerikaner ohne Berührungsängste
aufgenommen. Doch „Mathilde - Eine Große Liebe“ darf nun
auch nicht unbedingt als eigenständige französische Produktion
gelten; denn die amerikanische Filmgesellschaft Warner Bros.
produzierte diesen Film. Man ist also eingekreist. Die
Mietshäuser und die Fernsehantennen haben sich verschoben.
Dem Kino droht durch die amerikanische Übermacht, die mehr
Einfluss auf den europäischen Kinomarkt hat, als man meint,
der Garaus.
Morgen werden sie kommen. So bleibt auch das Kino.
Mathilde (Audrey TAUTOU), eine junge Frau von der bretonischen
Küste wartet auf ihren Verlobten Manech (Gaspar ULLIEL), der nicht
aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt. Alle Anzeichen sprechen dafür,
dass er bei einem Angriff zu Tode gekommen ist.
Aus den Akten, die sie heimlich entwendet, geht hervor, dass er sich
selbst verstümmelt hat, um den todgeweihten Schützengräben zu
entkommen.
Vor ein Kriegsgericht gestellt, wird er ins Niemandsland zwischen den
französischen und deutschen Stellungen geschickt, was den sicheren
Tod nach sich zieht.
Nur seine Leiche ist unauffindbar. Mathilde, die Tuba spielt, und die
damit Notsignale nachmachen kann, gibt sich mit den offiziellen
Verlautbarungen nicht zufrieden. Sie versucht, die Ereignisse zu
rekonstruieren und stößt auf jede Menge Widersprüchlichkeiten.
Sie gräbt sich ein, ist dem Himmel und der Hölle gleichzeitig nahe,
versucht sich dem Chaos des schmutzigen Krieges durch die
verzehrende Liebe zu Manech zu entziehen.
Ihre Hoffnung ist der Leuchtturm, den beide früher öfter besuchten.
Er soll wie ein Leuchtfeuer in der Nacht sein, Licht spenden in
Zeiten der Dunkelheit.
Rückblenden und Porträtfetzen halten den Traum, dass Manech
lebt, wach.
Kitschig, tödlich und trostvoll- so könnte die Quintessenz
lauten.
Mit der Rückkehr von Manech hat der Kino-Kitsch einen gewissen
Höhepunkt erreicht. Im Film kehren die Liebenden zurück. Statt
der Leichtigkeit der Bilder begegnet uns das Bleigewicht der
Reflexion: auf der einen Seite die Hingabe der Darsteller an das
Herz des anderen, auf der jenseitigen Seite die Schützengräben,
Blut, Tote, Dreck und Perversion.
Dass die Liebe dieses Grauen, wie in „Mathilde - Eine große
Liebe“ dargestellt, überwinden kann, ist und bleibt fragwürdig.
Die Postmodernität der Erzählkunst scheint vorbei zu sein.
Mit den Schwierigkeiten dieses Scheins hatte schon
Philip KAUFMAN in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“
(1988) zu kämpfen. Und damit auch mit der Erzählung.
Es gibt danach eine Leichtigkeit des Sehens, von der das
Kino träumt, der Zuschauer nichts weiß.
Die Leinwand ist die Welt, in die die Zuschauer eintreten, in
jedem Moment schon fertig, scheinbar vollendet.
Der Zuschauer ist ein verschwommenes Motiv, worin sich die
postmoderne Erzählung verstrickt.
JEUNET zeigt nichts anderes als eine romantische
Liebesgeschichte, die stilistisch perfekt nach den Kinoregeln
abläuft. Das ist nichts besonderes, nichts außergewöhnliches.
Ob es gelungen ist, sogar sehenswert, soll hier nicht
besonders hinterfragt werden. Und ob JEUNET, der wieder
einmal mit außerordentlich viel Vorschusslorbeeren
bedacht wurde, ein kreativer Kopf ist, der ein
Puzzlespiel der Liebe mit Dominosteinen, die stehen und
fallen, gut aufbereiten und in Szene setzen kann, soll dahingestellt
bleiben.
Von postmoderner Leichtigkeit kann also nicht unbedingt die
Rede sein.
Eher zwingt der Film dazu, jene alte Vorstellung vom Schicksal
in der Liebe wieder auferstehen zu lassen. Mit der Rückkehr
von Manech erreichen jene Episoden die Klimax, die zu
Tränen rühren kann, aber nicht sollte, weil alles so rührselig
ist.
Hier kauft man JEUNET auch fast alles ab. Weil die
Rührseligkeit sein Markenartikel ist, wird alles im Getöse aus
Blut und Tod überfrachtet.
Sein Film ist keine Lösung. Vor allem nicht für Liebende, die
den Stress unter die Unterwerfung der Liebe so kaum mitmachen
dürften.
Das Happy-end scheint mit einem Laster verunglückt zu sein.
So dick aufgetragen ist es.
Übertreibung und Poesie, der Traum und die Erinnerung, das
Traumbild und der Triumph der Nostalgie.
Ohne Zweifel beherrscht JEUNET diese Filmkunst. Die Fäden
zu ziehen, die Blickwinkel des Geschehens zu ändern, Spuren
verwischen und sie wieder sichtbar zu machen. Das ist
gekonnt und durchaus sehenswert.
Doch die Bewegung dieses Dramas, der dramatische Konflikt
und die endlosen Szenenfäden sind so furchtbar in die
Theatralik eingewebt, dass der Film allergrößte
Verlegenheit erzeugt.
Da mag selbst Jodie FOSTER deplaziert erscheinen.
Jedes Mal wenn Filmpioniere die unglaublichsten Dinge
glaubhaft erscheinen lassen wollen, werden sie zugleich als
elementare Zeitgeschichte verkauft. So soll der Film sogar
antikriegerische Elemente haben, Autorenkino al la Booneuhr
sein, durch seine Souveränität zusammenhalten.
Surrogate der Phantasie sind nicht wirklich. Zuweilen lähmt sie.
Als Abklatsch und Farce bleibt sie in der Postmodernität
verankert. Hier nun aber nicht als Erzählkunst, sondern als
vergängliche Sekunde des Augenblicks.
Fazit:
Leider gibt es hier nur Linien, die im Zickzack verlaufen.
Es gibt keinen geraden Weg, schon gar nicht in der Liebe.
Sie hat keine Bleibe, bietet kein Zuhause, keinen Halt.
Sie ist nur ein flüchtiges Ausruhen auf einer Reise von hier
nach dort.
Wenn zudem noch alles romantisch verpackt und
eingebunden wird, selbst der Postbote als Tati-Verschnitt
auftaucht, dann fragt man sich, ob alle Orte der Liebenden
so aussehen, oder ob nicht vielmehr der radikale Schnitt
hin zu einem Kino aus dem endgültig Klischees und
Überfrachtungen verschwinden, zu erfolgen hat.
Dietmar Kesten 11.2.05 15:29