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Merry Christmas

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MERRY CHRISTMAS - KOMMENTAR Dietmar Kesten 10.1.06 19:19

MERRY CHRISTMAS

KOMMENTAR

von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, IM DEZEMBER 2005.

Am 25. Dezember 1914, als sich deutsche, französische und britische Truppen,
so die Geschichte, gegenüberlagen, legten sie ohne vorherigen Waffenstillstand an der Westfront die Waffen nieder, verständigten sich per Zettel und Zeichen und feierten gemeinsam Weihnachten. Sogar Fußball soll auf dem Schlachtfeld gespielt worden sein. Ein Blick zurück: ca. 9 Millionen Menschen starben im ersten Weltkrieg
(1914 -1918). In den Schützengräben von Verdun sollen allein 700. 000 Soldaten ihr Leben gelassen haben.

Nun gibt es einen Film des französischen Regisseurs Christian CARION über diese Ereignisse. Mit Benno FÜHRMANN, Daniel BRÜHL und Diane KRUGER, die schon einmal bei der letzten „Wetten Dass?“ Sendung die Werbetrommel rühren durften. Jetzt wird zur vorweihnachtlichen Zeit das Kriegsdrama mit angeblichem Antikriegsverschnitt an den heimischen Herd geholt. Mit einigen Einzelschicksalen, die gezielt ausgeformt werden sollen, soll Weihnachten im Weltkrieg stimmungsvoll umgesetzt werden.

Unlängst hat sich der letzte britische Veteran dieser Wehrmachtsverbrüderung im Weltkriegsjahr 1914, Alfred ANDERSON, der jetzt 109jährig starb, über diesen Waffenstillstand geäußert. Die improvisierte Feier, ging damit, so ANDERSON, zu Ende, „dass die Heeresleitung Hochverrat witterte, die Soldaten trennte und an das Pflichtgefühl erinnerte, sich abschlachten zu lassen“.

Zu Weihnachten ist immer alles anders. Einmal im Jahr zusammenrücken, Groß, Klein, Alt und Jung. Da ist man bereit, alles zu vergessen, Und wenn dann noch rührselig, sentimental, Kitsch und Tränen dazu kommen, dann ist die Bescherung des Kriegs mit Kerzen, leuchtenden Tannenbäumen und Tenorstimmen ganz nahe.

Ja, Weihnachten im Kino ist etwas ganz eigenartiges: es wird an das Publikum appelliert, an den Konsum, an die Brüderlichkeit, an die Warmherzigkeit. So war es immer im Kino. Man denke nur an den „Herrn der Ringe“. Über Jahre hinweg setzte ein Peter JACKSON seinen „Herrn der Ringe“ in die Kinos. Und alle sahen sich den Film an. Auch ich im übrigen. Nun gibt es POTTER und „Merry Christmas“.

Die Tränendrüsen werden zu dieser Zeit immer besonders bemüht, Hier, dort. Hier kommt Spätheimkehrer Clemens Forell aus der Gefangenschaft zurück und findet natürlich zu Weihnachten seine Familie singend in der Kirche vor („Soweit die Füße tragen“, Regie: Hardy MARTINS, 2001). Dort singt Nikolaus Sprink (Benno FÜHRMANN) seine Arien. Wie nett das doch ist.

Und in der Realität war alles anders. Schnell holte nämlich der Krieg die Weihnachtsbäume vom Sockel. Und es durfte wieder gestorben werden. Hirn und Herz wurden nur für einige Stunden vereinnahmt. Wie heute. Und insofern gleicht sich dieser Krieg mit dem Konsumkrieg. Es darf geschenkt werden. Im übrigen an allen Fronten. Alles wird gut? Nein, alles bleibt schlecht, alle Gefühle sind zwanghaft, aufgesetzt, unsicher und geheuchelt.

Dietmar Kesten 10.1.06 19:19